Euroblast-Festival 2012 - Köln

01.11.2012 | 15:00

18.10.2012, Underground/Live Music Hall

Auf dem Euroblastfestival spielte dieses Jahr die Créme de la Créme des modernen Prog-/Djent-Tech-Metal auf. Ein Bericht aus vier Tagen atemberaubender Musik.

Tag 1, 19.10.2012

Unsere erste Band im Underground 2 sind heute die Spanier von NEXUS. Gleich zwei Sänger brüllen uns die Ohren voll, wobei der eine auch schön singen kann, wie er in der einen oder anderen Hookline unter Beweis stellt. Die gesamte Band agiert sehr wild, bewegt sich mit ihrer Musik stilistisch im Genre-Standard des modernen Metal, aber leider auch qualitativ nicht darüber hinaus. Daran ist sicher auch der Sound schuld, der im kleineren der beiden Räume des Undergrounds den ganzen Tag über Probleme machen wird. Dennoch probiert die Band vieles (Synthies, Up-Tempo-Passagen), so dass das Potenzial erkennbar ist (cleane Vocals), in Zukunft allerdings noch besser genutzt werden muss.

[Oliver Paßgang]

Die Schweden von MEANS END ist unsere erste Band im Underground 1. Die Band 2011 wurde von ehemaligen UNEVEN STRUCTURE- und VILDHJARTA-Mitgliedern gegründet. Das Quintett bietet einen satten Djent-Sound, der mit cleanen Gesangsparts wie mit Shouts und versierten Rhythmen überzeugt. Die Breakdowns kommen passend und können viele Besucher des noch jungen Festivaltages gekonnt infizieren.

[Jakob Ehmke]

Wie schon im Vorfeld des Tages angekündigt wurde, sind BEAR aus Belgien der Special Act. Da ich bisher nicht eine Note von ihnen gehört und kein Wort über sie gelesen habe, bin ich sehr gespannt, was mich erwartet – und werde dabei komplett auseinander genommen. Die Musik geht ohne Kompromisse voll auf zwölf, ist extrem bis ins Letzte und wird von den vier Musikern, die allesamt in weiß gekleidet sind, vollends gelebt. Der Sound lässt am ehesten noch als die Hardcore-Version von CONVERGE und MESHUGGAH beschreiben. Das Drumming ist absolut wahnwitzig, es gibt Grooves und wildes Gekloppe im Wechsel sowie Gebrülle in allen Lagen, dafür aber keine Atempause. Dazu ist die Band perfekt eingespielt und begeht trotz dieses sicht- und hörbaren Chaos keinerlei Fehler. Eigentlich müsste diese Musik höchst anstrengend klingen, aber BEAR schaffen es irgendwie, dass das überhaupt nicht der Fall ist. Hier und da gibt es ein paar REFUSED-inspirierte Riffs, dann richtig abartige, jedoch immer nachvollziehbare Rhythmen – die Band kann scheinbar alles. Zum Schluss wird noch einmal ordentlich Schweiß gefordert, den die Band auch bekommen soll, bevor sich dankbarerweise auch endlich mal ein Moshpit bildet, der diese Band angemessen für ihre unfassbare Energieleistung belohnt. Mein persönliches Tageshighlight.

[Oliver Paßgang]

Die aus UK stammende Kombo NO CONSEQUENCE (Foto) lockt viele Hörer in den Underground. Ihr Deathcore mit vertrackten Djent-Attacken hat ein gutes Groove-Level und werden, wenn auch spärlich, mit schönen Gesangsmelodien durchbrochen, die das Rhythmusgewitter auflockern. Mit jedem Song kommt mehr Bewegung in die Menge und die Band kann mit waghalsigen Breaks und Songs wie 'Latitude' vom Album "In The Shadows Of Gods" viele Punkte bei mir sammeln - Bandnomen est nomen!

[Jakob Ehmke]

NIGHTSHADE sind eher dem typischen Deathcore zuzurechnen, weshalb die geringe Zuschauerzahl nicht verwundert. Doch die (sehr jungen) Franzosen machen ihre Sache ordentlich und brettern geradewegs drauf los. Anstelle eines Bass haben sie eine dritte E-Gitarre am Start; irgendwie muss man sich ja abheben. Im Sound schlägt sich dies aber nicht wirklich nieder. Dankbarerweise baut die Truppe zwischen der ganzen Saitenakrobatik viele klassische Metalelemente mit ein (SEPULTURA lässt grüßen), welche die ansonsten recht generischen Songs angenehm auflockern. Insgesamt kann man von einem ordentlichen Auftritt sprechen, aber auch hier kann angesichts des Alters der Band sicher noch etwas Größeres heranwachsen.

[Oliver Paßgang]

IN-QUEST aus Belgien spielen technisch erhabenen Deathcore, der nicht nur mit derben Double-Bass-Salven aufwartet, sondern auch heftig grooved. Der Gesang ist leider sehr monoton und zu leise abgemischt. Das thrashige 'Neurotical Bypass' oder das alles niederwalzende 'Warpath' mit dezenten Melodien machen keine Gefangenen und heizen gut ein.

[Jakob Ehmke]

Der Andrang zu THE INTERBEING ist groß. Zudem ist die Kombo aus Dänemark die erste (und einzige) Band, die ich mit einem einheitlichen Kleidungsstil sehe. Die gesamte Menge ist bei Songs wie 'Shadow Drift' und dem djentigem 'Swallowing White Lights' gut in Bewegung, kein Wunder bei dem sattem Sound und fetten Grooves. Einige können vieles Mitsingen und erste Crowdsurfer bahnen sich ihren Weg über die Köpfe. Insgesamt eine starke Performance, die THE INTERBEING mehr in mein Interesse gerückt hat.

[Jakob Ehmke]

Und auch die nächste Band im Underground 2 verzichtet auf einen Bass: CILICE. Die Halle ist auch vor Beginn, welcher sich ein wenig verzögert, schon sehr gut gefüllt. Und die Band legt mit ihrem "Party-Djent" auch ziemlich gut los. Gerade die Reibeisenstimme von Bryan Ramage verleiht dem Sound der Gruppe einen sehr eigenen Charakter. Abzüge gibt es dafür bei den Backing-Vocals, welche komplett vom Band kommen. Aber das fällt bei der groovigen Walze, die CILICE hier abliefern, nicht großartig ins Gewicht. Hin und wieder gibt es sehr nette Melodieausflüge, die für ein wenig Entspannung sorgen, aber insgesamt passiert im Laufe der Songs manchmal doch zu wenig, um auf Dauer wirklich mitzureißen. Doch der Großteil feiert die Band gut ab und schüttelt kollektiv die Köpfe, so dass die Niederländer, die zum Ende hin sogar SEPULTURA-Grooves auspacken, sicherlich zufrieden nach Hause fahren.

[Oliver Paßgang]

Auch wenn ich mir zwischenzeitlich nicht so ganz darüber im Klaren bin, welche Band eigentlich gerade auf der Bühne steht, ist mir klar, dass es sich um Spanier handeln muss, denn spanischer als diese fünf Jungs kann man eigentlich kaum aussehen. Und mich sollte meine ethnische Intuition nicht im Stich lassen, sind es doch V3CTORS aus Malaga, die einen von Anfang an mit unglaublich beschwörerischem Gesang in den Bann zu ziehen versuchen. Diesen Anteilen stehen relativ brutale Passagen gegenüber, die einem die Schuhe ausziehen. Mit einer sehr songdienlichen Instrumentierung erschafft die Band sehr spannende Harmonieflächen, die vor allem in Verbindung mit dem Gesang richtig toll zur Geltung kommen. Die Band kann in dieser Stimmung sehr facettenreich agieren und weiß, worauf es ankommt: gute Songs! Im Vergleich zu anderen Bands wirkt V3CTORS unspektakulär, kann das Publikum aber aufgrund dieser vielen Nuancen, diesem gewissen Etwas, zum Ende hin wirklich mitreißen.

[Oliver Paßgang]

Das Gedränge vor der Bühne verrät, dass UNEVEN STRUCTURE (Foto links) längst kein Geheimtipp mehr ist, selbst SKYHARBOR lassen sich das Spektakel nicht entgehen. Die Franzosen spielen wie gewohnt das komplette Album "Februus" runter, allerdings ohne Müdigkeitserscheinungen. Der atmosphärische Djent um den talentierten Sänger Matthieu Romarin wird ordentlich abgefeiert und ist auch mein bisheriger Festivalhöhepunkt. Die Band gehört eigentlich in die große Live Music Hall (siehe folgende Seiten), ganz großes Kino!

[Jakob Ehmke]

Die Isländer von AGENT FRESCO (Foto unten) haben bereits gestern beim Warm Up gespielt und konnten Besucher wie Veranstalter sofort überzeugen und kursierten am ersten Tag als DER Geheimtipp des Festivals (man lese den Bericht vom Warm Up, J.E.). Da READ SEAS FIRE und MODERN DAY BABYLON aber absagen mussten, wurden AGENT FRESCO, gebeten noch mal am ersten Festivaltag zu spielen. Da ich das Warm Up nicht mitbekommen habe, kam mir die Entscheidung sehr entgegen. Sehr experimentell, mit Keyboard, Gitarre, Bass bzw. E-Kontrabass, schönen Melodien und harten Rhythmen können AGENT FRESCO auch mich mit ihrem Alternative Progressive Rock sofort begeistern. Selten habe ich eine Band gesehen, die so sehr in ihrer Musik aufgeht und Zuschauer in dem Maße infizieren kann. Wie gut ist der Song 'A Long Time Listening'? Die "Ohohohos"  waren noch den ganzen Abend zu Hören. Ein weiterer Höhepunkt des Festivals, ihr Album "A Long Time Listening" habe ich mir sofort eingesteckt.

[Jakob Ehmke]

Den Abschluss im Underground 2 bilden NEOSIS, welche allerdings größere Probleme während des Soundchecks haben, so dass sich der Beginn eine ganze Weile verzögert. Doch dann dürfen auch die Männer aus der französischen Schweiz endlich ihren Tech-Metal auf die feierwütige Menge loslassen. Der Sound ist fast schon übertrieben hart und brutal, so dass der ein oder andere sicher mit Ohrenschmerzen aus der Halle geht. Doch genau dieses Kalte, Sterile soll die Musik mutmaßlich auch vermitteln, weshalb man wohl auch auf jegliches analoge Gitarrenequipment verzichtet. Entscheidende Farbtupfer können die melodischen Screams setzen, welche der maschinellen Musik Leben einhauchen. Insgesamt kann man NEOSIS auf jeden Fall ein solides Gehämmer attestieren, dass nur dann wirklich gut wird, wenn man mal aus dem eigentlichen Schema ausbricht und z.B. die ein oder andere Melodie eingeflochten wird. Doch das Publikum springt gut auf die Band an und feiert sie entsprechend ab.

[Oliver Paßgang]

Der Andrang zu WAR FROM A HARLOTS MOUTH (Foto) ist nicht so groß wie gedacht, sind sie doch Headliner des heutigen Tages. Mit einem beängstigend brachialen Sound lassen die Berliner eine Rhythmusattacke nach der anderen los. Drummer Paule drischt wie besessen auf seine Felle ein, das heisere Shouting von Nico will mir aber nicht so ganz gefallen. Wer Melodien und Dynamik möchte, ist hier eindeutig fehl am Platz, hier gibt es Geballer deluxe! Ältere Songs ('Heeey Let’s Start A Band') werden geboten, aber auch Songs vom gerade erschienenem Album "Voyeur" wie 'To The Villains'. Die Fläche gleicht immer mehr einem Kriegsfeld. Die Anwesenden feiern das unfassbare Brett von WAR FROM A HARLOTS MOUTH ab, der Bassist lässt sich dazu spielend durch die Menge tragen. Die Circle-Pits und Wall Of Death-Spielereien müssten meines Erachtens nicht sein, dennoch ist es ein würdiger Abschluss eines ersten fantastischen Festivaltages!

[Jakob Ehmke]

Pictures by [Jakob Ehmke]

Redakteur:
Jakob Ehmke

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