Euroblast-Festival 2012 - Köln

01.11.2012 | 15:00

18.10.2012, Underground/Live Music Hall

Auf dem Euroblastfestival spielte dieses Jahr die Créme de la Créme des modernen Prog-/Djent-Tech-Metal auf. Ein Bericht aus vier Tagen atemberaubender Musik.

Tag 3, 21.10.2012

MONOPHONIST aus Köln spielen nach eigenen Angaben Hard Break Jazz Punk 'n' Roll. Eine Beschreibung, die passender nicht sein könnte. Die Live Music Hall ist allerdings noch spärlich besetzt, wohl aufgrund des Freibiers gestern Abend. Die Band nimmt es aber professionell und gibt alles, insbesondere Sänger Jonathan Hoffmann geht voll auf in der Musik, wirft sich zu Boden und springt umher. So richtig weiß aber keiner was mit MONOPHONIST anzufangen, zu spärlich ist ihre Melange aus Post-Progressive-Punk-Rock-Jazz mit deutschen Sprechgesängen. Ihre Songs wie 'Der Vorhang' oder 'Dekadenz' regen zwar zum Nachdenken an, doch der Funke springt nicht über. Was vielleicht auch daran liegen mag, dass alle Mitglieder zu sehr mit ihren Synthesizern beschäftigt sind. Interessant, aber eher was für den Abend mit einer Flasche Wein.

[Jakob Ehmke]

Der Djent kommt mit DESTINY POTATO (Foto) aus Belgrad zurück ins Haus und damit auch das Publikum. Der Female Fronted Djent ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Erfolgsrezept, auf jeden Fall scheint sich die Güte der Band schnell rumzusprechen, so haben sie doch gerade drei Auftritte auf dem Ticker (Euroblast 2011, UK-Tech-Metal-Fest 2012, Euroblast 2012) und bereits einen Plattendeal mit Century Media in der Tasche. Das Album erscheint im Frühjahr 2013. 'Dark Side Of You' ist vielen Fans schon bekannt und überzeugt durch tolle mehrstimmige Gesänge von den beiden Damen Aleksandra und Ana und überrrascht mit tollen Growls. In 'Love Song' wird die Liebe durch den Brei gezogen, 'Addict' sprengt rhythmische Grenzen mit abgefahrenen Polyrhythmen, hier gibt es sogar Szeneapplaus. DESTINY POTATO spielen tollen Djent, der auch durch seine Eingängigkeit überzeugt. Eine Band, die man unbedingt auf dem Schirm haben sollte.

[Jakob Ehmke]

Die aus Ukraine stammende junge Kombo JONCOFY (Foto rechts) kredenzt ein tolles Modern Progmetal-/Djent-Set mit Alternative-Schlagseite. Sänger Maxim meistert Shouts und insbesondere cleane Gesangspassagen mit Bravour. Ihre Songs können mit dem Niveau der anderen Bands locker mithalten, insbesondere 'Rorschach Inkblots' hat es mir angetan: Die sieben Minuten sind perfekt arrangiert und glänzen durch vielfältige Wandlungen. 'Region Of Y' zeigt die Band von einer ruhigeren Seite und beeindruckt durch schöne Gesänge und gefühlvolle Leads. Die Debut-EP gibt es kostenlos auf ihrer Website und ist es Wert angehört zu werden: http://joncofy.com!

[Jakob Ehmke]

"An alle Headbanger: Der nächste Song ist in 15/8" war die Ansage von Jan, dem Kopf hinter PANZERBALLETT (Foto links), bevor die instrumentale Version des "Dirty Dancing"-Klassikers 'Time Of My Life' auf das teilweise ahnungslose Publikum losgelassen wird (die Version mit Gesang auf dem neuen Album "Tank Goodness" gefällt mir noch besser). Die studierten Musiker aus München sind heute besser aufgelegt im Vergleich zu letzter Woche, wo ich sie in Hamburg gesehen habe. Die Eigenkomposition 'Mustafari Likes Di Carnival' sorgt für viele offene Münder und breites Grinsen - und Fragezeichen bei dem Versuch, das Gehörte zu verarbeiten. 'Vulgar Display Of Sauerkraut' eine polyrhythmische Hommage an PANTERA, aber auch 'Some Skunk Funk' in Quintolen sind auch sehr lecker. Mit 'The Saxx-Dictator' haben die Jazz-Metaller einen neuen Song an Board, der ebenso viele Hirnknoten bereitet wie der Rest. Schön.

[Jakob Ehmke]

Mit zwei Sängern zu arbeiten scheint ein beliebtes Stilmittel zu sein. Im Fall von AKELDAMA ist die Aufteilung in clean (mit gelegentlich harschen Einschüben) auf der einen und Growls auf der anderen Seite dabei durchaus typisch. Was nicht ganz so typisch für dieses Festival ist, sind die Gesangslinien, die sich auch auf einem klassischen Metalalbum gut machen würden. Und tatsächlich hat man hier häufiger den Eindruck, einen Mix aus Black Metal und Power Metal im Djent zu hören. Das ist über weite Strecken eingängig (Synchronbanging olé!), gefällig und nett, allerdings selten bis nie wirklich zwingend. Vor allem der fast konstant vorhandene symphonische Teppich, der der Musik zugrunde liegt, nimmt viel an Härte. Dennoch ist der Auftritt der Amerikaner und auch das Dargebotene absolut solide und kann viele Fans in den vorderen reihen begeistern.

[Oliver Paßgang]

DISPERSE aus Polen stehen auch auf meiner Merkliste ganz oben. DISPERSE ist eine junge Band, unter anderem mit einem tollem Sänger (Rafał) und dem versiertem Gitarristen Jakub, der regelmäßig Szeneapplaus einräumt. Die Band geht in ihrem Ambient-Progmetal mit Djenteinflüssen richtig auf, was sich unmittelbar auf das Publikum überträgt. Das Album "Journey Through The Hidden Gardens" sollte jeder Progger mal angehört haben. Eine große Überraschung für mich und viel Applaus wert! Leider muss die Band einen Song von ihrer Setliste streichen und gibt entsprechend ein ziemlich kurzes Gastspiel.

[Jakob Ehmke]

Wer sich mal wieder so richtig den Kopf verknoten möchte, der ist bei EXIVIOUS (Foto) genau richtig. An das Instrumentalprojekt von CYNIC- und TEXTURES-Mitgliedern stellt man natürlich alleine aufgrund der Namen schon große Ansprüche, aber EXIVIOUS könne diese Erwartungshaltung ziemlich problemlos erfüllen. Vom Sound her eher an klassischem Prog orientiert frickeln sich die vier Herren einen zurecht, dass man zwar eigentlich headbangen möchte, aber man einfach keinen Takt findet, der eine gleichmäßige Rhythmusbewegung ermöglicht. Die wenigen eingängigen Parts, die das in Holland beheimatete Projekt dann mal auspackt, haben dafür dann einen starken Belohnungscharakter und wirken umso intensiver. Interessant ist vor allem, dass es die Band an einigen Stellen schafft, verkopfte Stellen direkt ins Herz wandern zu lassen, an anderen aber wiederum bleibt das Gehörte im Kopf und wird wohl ohne eine intensivere Beschäftigung mit der Materie länger dort verweilen. Doch wer solche Musik hört, der möchte genau diese Aufgaben gestellt bekommen. Und damit es auf Dauer nicht langweilig wird, basteln EXIVIOUS auch Elemente des Jazz (vor allem im Schlagzeug) und auch des Post-Rocks mit ein, wodurch ihr Programm äußerst kurzweilig erscheint. Das Publikum dankt es ihnen begeistert.

[Oliver Paßgang]

Mit C.B. MURDOC (Foto) aus Schweden kehrt noch mal der Knüppel zurück auf das Euroblast-Festival. Das Sechser-Gespann kredenzt von MESHUGGAH inspirierten Thrash Metal, der keine Gefangenen macht, es muss sich aber musikalisch umorientiert werden, um sich auf C.B. MURDOC einzulassen. Hier werden in rasantem Tempo Songs vom Album "The Green" vor den Latz geworfen, spätestens mit 'Two In One' gibt es kein Halten mehr. Sänger Johan legt dazu ein unglaubliches Energiepotential zu Tage und lässt sich die gesamte Show von einer Taschenlampe am Mikrofon ins Gesicht leuchten (das muss doch nerven?). Drummer Calle spielt sich ins Nirwana und tackert die schnellsten Breaks tight ein. Krasser Wirbelwind!

[Jakob Ehmke]

Die Vorfreude und Anspannung ist heute definitiv auf TESSERACT (Fotos) fokussiert. Die Halle füllt sich bis ins hinterste Eck, erwartungsvolle Blicke sind auf die Bühne gerichtet, denn Neuzugang Ash O'Hara ist für viele heute das erste Mal am Mikrofon zu sehen, aber auch die Band ist seit Langem mal wieder auf der Bühne. Um es gleich vorweg zu nehmen: Er kann es! Und wie! Zu keiner Sekunde vermisst man Daniel Tompkins Gesang, O'Hara überzeugt vollkommen und erzeugt einige Gänsehautmomente. Die Band startet mit einem neuen Song, der den Arbeitstitel 'May' trägt und mir auf Anhieb besser in die Ohren geht als das kürzlich veröffentlichte 'Nocturne'. Und dann kommt es endlich: 'Concealing Fate', der erhabene Sechs-Teiler vom Debut "One", allerdings ab Part 2. O'Hara braucht nicht lange, bis er vom Publikum akzeptiert ist, zudem hat er eine ähnliche Stimmfarbe wie Tompkins. Was hier passiert ist mit Worten kaum zu beschreiben -  hier wird gezaubert. Auch bei 'April' gibt es keine Abstriche, als dann auch noch der erste Teil von 'Concealing Fate' erklingt, ist es klar: TESSERACT sind zurück! Definitiv das intensivste Erlebnis auf dem Festival! Ich freue mich schon auf das bevorstehende Album im Frühjahr 2013.

[Jakob Ehmke]

Mit SCAR SYMMETRY (Foto links) kann man nicht viel falsch machen. Growls und Klargesang geben sich die Klinke, zudem gibt es drückende Riffs und eingängige Melodien, da ist für jeden was dabei. Die Schweden beginnen mit 'The Anomaly' und sorgen dafür, dass das Euroblast-Festival noch mal richtig ins Schwitzen kommt. 'Rise Of The Reptilian Regime' darf dabei genau so wenig fehlen wie der Kracher 'The Illusionist' bei dem alle, die können, lauthals mitsingen. Ein starker Auftritt, der ordentlich Stimmung verbreitet und meines Erachtens an den Schluss des Festivals gehört hätte.

[Jakob Ehmke]

Den Schlusspunkt für dieses überwältigende Wochenende dürfen die Münsteraner Instrumental-Rocker setzen. Man könnte mit Blick auf das Billing meinen, dass LONG DISTANCE CALLING (Foto unten) bzw. deren Headlinerposition etwas deplaziert ist, aber spätestens nach den ersten paar Takten wird klar, dass die Veranstalter alles richtig gemacht haben. 'Into The Black Wide Open', einer der besten Songs der letzten Jahre überhaupt, eröffnet das einstündige Set. Schwebende Melodien und Grooves zum Headbangen in einer perfekten Symbiose, das beherrscht kaum eine Band annähernd so gut wie LONG DISTANCE CALLING. Mit 'Black Paper Planes' und 'Arecibo (Long Distance Calling)' folgen zwei eher schnellere Stücke, bevor es die Live-Premiere eines neuen, aber nicht benannten Titels gibt. Zu Beginn ist dieser sehr ruhig, kann aber viel Schlagzeugeinsatz aufweisen. So geht die Nummer, die einen sehr düsteren, traurigen Grundcharakter aufweist, auch eine ganze Weile weiter. Irgendwann geht es dann doch mal in die Vollen, wenn gleich nicht auffällig spektakulär. In bester LDC-Manier stoppt der Song auch mal abrupt, um sich dann wieder von Neuem aufzubauen. Spontan gefällt mir der Track ganz gut, reißt mich allerdings noch nicht wirklich mit, insofern darf man auf die Albumversion gespannt sein. Nach 'I Know You, Stanley Milgram' und 'Metulsky Curse Revisited', dem wohl besten Live-Song der Münsteraner, ist der Spaß nach ganzen sechs Nummern aber auch schon wieder vorbei. Ein letztes Mal Schwelgen, Headbangen und Genießen; dann heißt es "Auf Wiedersehen, Euroblast!". Ein würdiges Ende für ein tolles Festival.

[Oliver Paßgang]

Ein aufregendes Festival geht zu Ende, doch keiner möchte es so wirklich wahr haben. Dass das Euroblast-Festival was ganz Besonderes ist, wahr wohl vielen klar, doch dass es einen so umhaut dann doch nicht. Was die Veranstalter hier zusammengestellt haben sucht seinesgleichen, vom Line Up über den Sound bis hin zur tollen Atmosphäre stimmte einfach alles! Und auch die Bands wussten, dass sie Anteil an etwas ganz Besonderem haben, und gaben Alles. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle geht an die tolle Zusammenarbeit mit den Festivalveranstaltern, auch das hat richtig Spaß gemacht. Für Oliver und mich ist auf jeden Fall klar: Euroblast-Festival 2013 - wir kommen!

Noch mehr Fotos sind in der Bildergalerie hier zu sehen!

Pictures by [Jakob Ehmke]

Redakteur:
Jakob Ehmke

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