Euroblast-Festival 2014 - Köln

12.10.2014 | 14:16

03.10.2014, Essigfabrik

Das Progressive Metal-Event des Jahres geht in die 10. Runde. POWERMETAL.de ist bei der Mega-Party wieder dabei.

SAMSTAG

Die Jungs von DIORAMIC (Foto links) nennen ihre Musik Art Core, was gar nicht so unpassend ist, denn oft denke ich an eine Metal-affine MUSE-Variante. Die Musik der Band aus Kaiserslautern hat etwas total Faszinierendes und zieht nicht nur mich in den Bann - ihren Mix aus Anspruch und Eingängigkeit bekommt die Truppe grandios umgesetzt. Auch Neuzugang Paul Seidel (THE OCEAN/Ex-WAR FROM A HARLOTS MOUTH) hat sich bereits gut hinter den Kesseln eingegroovt. Insbesondere das neue Material vom Album "Supra" kommt live noch intensiver daher - besser kann der letzte Tag gar nicht starten.

[Jakob Ehmke]

Der diesjährige Secret Act sind die Finnen von KHROMA. Eine knappe Zusammenfassung des Hörbaren wäre: Ordentlich bangbare Groover – mehr nicht. Das klingt nach verdammt wenig; und ehrlich gesagt ist es das ist weiten Teilen auch. Ich würde sogar fast soweit gehen, ihre Musik als monoton bezeichen, jedoch zieht sich KHROMA noch einigermaßen ordentlich durch (Gesangs-)Samples aus der Affäre. Insbesondere die weiblichen Einspieler bringen die dringend benötigte Auflockerung. Das Problem ist nur: Auch diese werden, genau wie andere Samples, schlichtweg überstrapaziert, so dass bei dieser Band nach einiger Zeit einfach die Luft raus ist. Da konnte UNEVEN STRUCTURE als Secret Act des letzten Jahres deutlich mehr.

[Oliver Paßgang]

Die Franzosen von HYPNO5E (Foto links) sind meine geheimen Headliner des Tages. An Dynamik ist die Musik des Quartetts wahrscheinlich nicht zu überbieten, ja, ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass die Band langsam aber sicher Bands wie OPETH das Wasser abgräbt. Gegensätze prallen aufeinander, es wird geschrien, gesungen, geflüstert, es gibt vertrackte Math-Metal-Parts und zarte Akustikgitarren. Dabei benutzt die Band die ganze Bühne und sorgt für viele offene Münder. Gespielt werden Songs beider Alben und da HYPNO5E gerne mal auf die Zehn-Minuten-Marke zusteuert, ist der Gig leider viel zu schnell zu Ende. Ich habe Gänsehaut. Das neue Album soll so gut wie fertig sein, ich bin mehr als gespannt.

[Jakob Ehmke]

Gestern auf der großen Bühne, heute noch einmal im Bunker: AGENT FRESCO. Das angekündigte Akustik-Set macht bei den allermeisten Bands des Euroblasts keinen wirklichen Sinn, bei den Isländern vielleicht umso mehr. Jedenfalls verlieren ihre Nummern auch in diesem Gewand kein Stück an Intensität. Vielleicht sogar im Gegenteil: Die ruhigen Stücke kommen bei mehr Ruhe noch besser herüber. Alles klar? Zudem gibt es hier keinen Bühnengraben wie am Vortag, die Decke ist nur lächerliche 2,27m hoch und die ersten paar Reihen haben ohnehin beschlossen, den Gig im Sitzen zu erleben. AGENT FRESCO beweist spätestens an dieser Stelle, dass große und kleine Bühnen, riesiger und mittelmäßiger Sound, verstärkt und oder akustisch keinen qualitativen Unterschied machen muss. Man hat hier das Gefühl, etwas Familiärem, Intimem beizuwohnen – insbesondere bei den Ansagen. Musikalisch sind die beiden Gigs zwar unterschiedlich, aber qualitativ gleichwertig zu betrachten. Von mir aus darf AGENT FRESCO ab jetzt überall doppelt auftreten. Ich könnte mich glatt an diese Doppelversorgung gewöhnen!

[Oliver Paßgang]

Nun folgt eine der von mir persönlich am meisten erwarteten Bands: UNEVEN STRUCTURE (Foto links). Nach kurzer Verzögerung aufgrund von technischen Problemen gibt es einen neuen Song als Opener, der leider etwas untergeht, weil der Sound noch nicht so richtig will. Das ändert sich zum Glück mit der Zeit, passend zu "8". Hier können die Franzosen ihre Stärke voll und ganz ausspielen: der Spagat zwischen Sphäre und Groove. Dass diese Band so verflixt gut ist, liegt mit Sicherheit auch an Sänger und Frontmann Matthieu Romarin, der eine tolle Präsenz hat und klasse Vocals (clean wie gebrüllt) abliefert. Seine Stimme fügt sich nahtlos in die breite, massive Wand ein, bei der jeder Stein ganz bewusst gesetzt wurde. Die drei Gitarren klingen, als wären sie zu einer einzigen verschmolzen. Vor allem die zähen, teils doomigen Stellen sind daher nicht weit vom Post Metal entfernt. Der Effekt: Der Klang ist schlichtweg mächtig. Immer wieder gibt es gigantische Grooves mit genau so gigantischen Refrains. UNEVEN STRUCTURE weiß wie kaum eine andere Band des Festivals um den Aufbau und das Entladen von Spannung und hinterlässt genau deshalb einen mehr als bleibenden Eindruck. Ein ganz, ganz starker Gig, meine lieben Leute.

[Oliver Paßgang]

Dann tritt der allmächtige THE ALGORITHM aus Frankreich auf. Am Anfang war Elektro. Klar! Kenne ich von zu Hause. Aber so? Nee, doch nicht. Da steht zwar ein Laptop und auch ein Schlagzeug ist vorhanden. Aber die tragbare Workstation für seine Liveauftritte liegt irgendwo zwischen Keyboard und UFO. Nach leichten anfänglichen Soundschwierigkeiten geht es denn in sehr guter Klangqualität und mit irren, experimentellen Sequenzen musikalischer Berechnungen weiter. Tausende von Knöpfchen und Tasten gilt es quasi im Alleingang zu bedienen. Ein bisschen Dubstep, ein bisschen Elektro, ein bisschen Metal, ein bisschen von allem eigentlich und doch harmoniert es perfekt auf der Bühne. Auch wenn der Rhythmus keine Minute gleich bleibt, so tanzen und hüpfen alle in der Halle euphorisch mit. Partystimmung vom Feinsten. Als es zum Track 'Will_Smith' geht, ziehen alle im Publikum ihre Will Smith-Masken auf (Foto links), die zuvor am Eingang verteilt wurden und feiern zu Fieps- und Piepstönen. Ganz ohne Gesang, aber dafür mit Bits und Bytes geht es elektronisch-metallisch weiter: Zum Abschluss noch ein ganz neuer Song. Still stehen ist nicht möglich und ich lasse mich von der Menge mitreißen.

[Yvonne Päbst]

Abriss! HEART OF A COWARD hat sich zur Aufgabe gesetzt, die Menge in Ekstase zu versetzen, was der Band ausgesprochen gut gelingt. Der aggressive Djent/Deathcore zieht viele vor die Bühne: Es gibt riesige Circlepits, Moshpits, selbst für eine (oder waren es mehr?) Wall of Death sind sich die Fans nicht zu schade. Auch wenn ich die Sitz- und Springspielchen etwas albern finde, muss ich den imaginären Hut vor dem Auftritt der Engländer ziehen. 'Psychophant' hinterlässt endgültig nur noch Schutt und Asche, Staub und Knochen. Wahnsinn!

[Jakob Ehmke]

Der vorletzte Auftritt des diesjährigen Euroblasts ist nahezu der gleiche wie der vorletzte Auftritt der 2013er Ausgabe. Kein Wunder, beidesmal steht MONUMENTS (Foto links) auf der Bühne. Aber auch wenn in der Zwischenzeit ein (sehr ordentliches) neues Album das Licht der Welt erblickt hat, wirkt hier alles sehr vertraut. Das ist allerdings so positiv wie eben möglich zu verstehen. Für mich ist und bleibt MONUMENTS die Blaupause des Djents schlechthin. Die Riffs und Grooves sitzen hier einfach. Es gibt sicherlich Bands, die technisch noch versierter sind und auch solche, die ein breiteres Spektrum aufweisen, aber es gibt wenige, die all diese Elemente so punktgenau einsetzen wie MONUMENTS. Die große Spielfreude um den (inzwischen etablierten) Frontmann Chris Barretto ist greif- und spürbar. Da werden Ausfälle problemlos überbrückt und vorhandene Zeiten umso mehr genutzt. Diese Band hat noch einiges vor. Aus meiner Sicht zündet das "Gnosis"-Material live etwas besser als jenes vom aktuellen Output, der Gig wirkt in sich jedoch absolut rund. Im letzten Jahr hat MONUMENTS zwar noch etwas mehr abgeräumt, aber das soll den diesjährigen Auftritt nicht schmälern. Feines Konzert gen Ende.

[Oliver Paßgang]

SIKTH (Foto rechts) ist eine Legende. Musikalisch: Einzigartig. Nach fünfjähriger Pause hat die Band um die beiden Sänger Justin Hill und Mikee Goodmann wieder zusammen gefunden und zelebriert dies mit einer großen Reunion-Tour - die sie erstmals (!) nach Deutschland und aufs Euroblast Festival führt. Was soll ich sagen? Was die folgenden 60 Minuten folgt, ist der vertonte Wahnsinn, das Chaos, das nochmal alles von den Hirnwindungen abverlangt und das Letzte aus den ausgelaugten Körpern rausholt. Egal welchen Song ihrer beiden Alben die Engländer spielen, es ist ein Volltreffer, die Meute ist hungrig nach SIKTH und andersrum! Das Konzept mit den beiden Sängern geht spätestens live voll auf, der glasklare und druckvolle Euroblast-Sound tut sein übriges, um die Show zu einem unvergesslichen Moment werden zu lassen. Letztes Jahr stand MESHUGGAH auf der Bühne, heute SIKTH - damit hat das Euroblast zwei der wohl einflussreichsten Bands des modernen Progressive Metals auf das Festival gebracht. Ja, hier werden Progressive-Metal-Träume war - hoffentlich noch viele Jahre mehr!

[Jakob Ehmke]

Damit geht ein weiteres Euroblast-Festival zu Ende - schade eigentlich, hier könnte ich noch eine Weile bleiben. Die Organisation war toll, die Atmosphäre familiär, die Preise bei den Essständen waren ok (es gab Suppe/Sandwich/Crèpes/Burger (auch vegan)), an die Getränkemarken, die die Essigfabrik spontan eingeführt hatte, musste man sich allerdings erstmal etwas gewöhnen. In Prinzip aber keine schlechte Idee. Es gab auch wieder gut frequentierte Stände für Musiker (z.B. Ibanez). Der Sound war wieder erstklassig (so druckvoll und transparent ist jedes Konzert eine Ohrenfreude), die Stimmung entspannt und ausgelassen. Auch der Sound auf der Sidestage war diesmal ausgewogener als letztes Jahr. Kritisch anzumerken ist noch, dass sich die Bands zunehmend zu sehr auf Technik verlassen, ein Laptop war quasi immer mit auf der Bühne, was aber oft zu vielen kleinen Verzögerungen führte. Ich möchte ich stellvertrend für das POWERMETAL.de-Team dem gesamten Euroblast-Team auf die Schulter klopfen, das war wieder phänomenal!

[Jakob Ehmke]

HIER geht's zur Bildergalerie! Viel Spaß!

Wer das Festival unterstützen möchte, kann hier spenden: http://www.gofundme.com/euroblast

Redakteur:
Jakob Ehmke
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