Euroblast-Festival 2019 - Köln

18.10.2019 | 17:05

27.09.2019, Essigfabrik

Das Euroblast-Festival lockt erneut - unter dem passenden Slogan "Festival For Progressive Music" - über drei Tage mit den Headlinern THE HIRSCH EFFEKT, BETWEEN THE BURIED AND ME und CAR BOMB in die Kölner Essigfabrik. Aber natürlich ist das nur die Spitze des Eisbergs...

Das Euroblast-Festival ist uns immer ein ganz besonderes Anliegen, die drei Tage musikalischer Ausnahmezustand wollen wir uns auf keinen Fall mehr entgehen lassen. Das Euroblast 2019 (27.09.-29.09.2019) wartet mit den Headlinern THE HIRSCH EFFEKT (Tag 1), BETWEEN THE BURIED AND ME (Tag 2) und CAR BOMB (Tag 3) auf, aber wie immer ist dies nur die Spitze des Eisbergs, denn es gibt wieder viel zu entdecken! Aus der Kölner Essifabrik berichtet erneut das Trio Infernale Oliver Paßgang, Christian Stricker und Jakob Ehmke (Text), für die Fotos danke ich Felix Paur und Richard Lutz. Los geht's!

Das Euroblast-Festival 2019 steht unter dänischen Flagge, zumindest kommen verhältnismäßig viele Bands aus dem Nachbarland (nebst Frankreich, versteht sich). So auch SIAMESE (ehemals SIAMESE FIGHTING FISH), die mit ihrem lockeren, melodiösen, teils sehr poppigen Alternative Prog hervorragend in das Line Up passen. THE INTERSPHERE und DEAD LETTER CIRCUS, mit denen sie gerade touren, sind gute Paten. Verfeinert wird der tolle Cocktail durch einen Geiger mit stilvoller Joker-Geige. Sänger Mirza wirbelt über die Bühne und freue sich, als langjähriger Festivalbesucher, endlich selbst auf der Bühne zu stehen. Zu Recht! Highlight ist der Track 'Bananas', der teils stark nach MICHAEL JACKSON klingt und vom DEAD LETTER CIRCUS-Gitarristen Luke begleitet wird. Selbst Bananen werden verteilt, danke.

 

SUNBEAM OVERDRIVE kommt aus Frankreich und fährt einen beinahe simplen, psychedelischen Prog-Sound, der zwar nicht mit Kabinettstückchen lockt, aber tierisch groovt! Der Sound ist leider etwas undifferenziert und mit Störgeräuschen durchsetzt, sodass ein Teil der Musik untergeht.


KLONE schafft es vom ersten Ton an, die Zuhörer in eine andere Welt zu entführen. Der atmosphärische Post-Prog wird punktgenau gespielt, der transparente Sound bringt jeden Ton gut zur Geltung. Sänger Yann kann mit seiner klaren, prägnanten Stimme für einige Gänsehautmomente sorgen. Das gefällt mir live definitiv um Einiges besser als auf Platte und hätte gern auch zur Abendstunde gebracht werden können statt zum Kaffee. Aber nichtsdestotrotz: Das war schön!

 

Das Euroblast-Festival nimmt jetzt erst richtig Fahrt auf, denn "Hausband" UNEVEN STRUCTURE spielt auf. Und die Franzosen kamen, spielten und siegten, mon dieu! Obwohl man auf vier Mann geschrumpft ist, wird hier eine vorgezogene Headliner-Show durchgezogen, dass einem die Ohren schlackern. Der Sound ist glasklar, Drummer Arnaud spielt unglaubliche Grooves, Matthieu am Gesang beweist einmal mehr, dass man im Klar- und gutturalem Gesang Profi sein kann, wow! Das Publikum dankt mit Mosphits und den ersten Crowdsurfen. Das war wirklich Headliner-Status! Die Vorfreude auf das am 18.10. erscheinende neue Album "Paragon" steigt!

 

ANIMA TEMPO hat nach 2016 den weiten Weg aus Mexiko erneut auf sich genommen, um turbulenten Frickel-Metal mit neoklassischen Soli unters Volk zu bringen, die wieder in Scharen kommen. Der Sound ist leider etwas matschig, doch sie werden ordentlichst abgefeiert, die Band selbst freut sich ebenfalls wie Bolle, wieder auf dem Euroblast aufzutreten. Gespielt werden Songs vom 2016er-Album "Caged In Memorys", was definitiv ein heißes Eisen ist, aber langsam wird es Zeit für den Nachfolger!

 

Oben geht nach UNEVEN STRUCTURE die Djent-Party mit KADINJA weiter, die heute ihr 90er-Metal-Cover-Album "DNA" veröffentlicht haben, entsprechend eröffnet man das Set mit 'Hot Dog' von LIMP BIZKIT - natürlich im Djent-Stil. Dieses Schicksal teilt auch KORNs 'Falling Away' und MARILYN MANSONs 'The New Shit'. Ich weiß nicht genau, ob mir das gefällt. Besser als das Original ist es sicherlich nicht, zumal führt mir KADINJA vor Augen, wie alt ich schon bin, na danke. Da gefallen die eigenen Songs deutlich besser, die ebenfalls zum Besten gegeben werden. Der Sound ist zwar nicht optimal, man kann nicht alles verstehen, doch die Franzosen liefern ihre irre schnellen Stakkato-Pattern ordentlich ab. Oliver möchte noch erwähnen, dass das China-Becken schwer missbraucht wurde.

[Jakob Ehmke]

 

Was packen die australischen Eltern ihren Kindern eigentlich in die Babymilch? Irgendwie muss es doch einen Grund dafür geben, warum gerade aus Down Under so viele geniale Progressive-Rock-Bands kommen. DEAD LETTER CIRCUS bildet da mit seinen atmosphärischen Alternative Rock eigentlich keine Ausnahme. Der etwas ruhigere Bruder von KARNIVOOL hat heute ein kleines Problem. Entweder liegt es am Soundmann oder dem Sänger selbst, aber während der Rest der Band astrein durch die Boxen wummert, geht der Gesang von Kim Benzie fast total unter. Und so geht die gesamte Performance leider ein wenig den Bach runter. Bleibt nur zu hoffen, dass der Soundmann einen schlechten Tag erwischt hat und wenn es das nächste Mal heißt: Manege frei für den DEAD LETTER CIRCUS, sie einen würdigen Gesamtsound bekommen.

[Christian Stricker]

 

Bei WHEEL geht es wörtlich rund. Die Sidestage platzt dermaßen aus den Nähten, dass man sich fragen muss, ob das Euroblast nicht mal langsam eine größere Location braucht. Der Sound ist fantastisch, die Finnen sind verflixt gut eingespielt, wahrscheinlich auch dank der vergangenen Tour mit SOEN (äußerst passendes Package). Ja, ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass mir WHEEL besser gefällt als eben gehörte DEAD LETTTER CIRCUS. Ganz klar, diese Band muss auf die Hauptbühne!

[Jakob Ehmke]

Der Wahnsinn, den die Hirsche vor zwei Jahren abgeliefert haben, ist auch in diesem Jahr noch in aller Munde - und somit ist es nur nachvollziehbar, dass THE HIRSCH EFFEKT nicht irgendwo im Billing auftaucht, sondern heute headlinen darf. Und interessanterweise wirkt der Gig im Gesamten etwas anders als zuletzt. Nicht dass es weniger Chaos geben würde (das wäre ja auch noch schöner), aber heute fühlt sich das alles ein wenig... pointierter an. Mehr Volumen, mehr Größe, mehr Format möchte man sagen. Die Songauswahl orientiert sich nach wie vor stark am letzten Knaller "Eskapist", welchen das Euroblast gut drauf hat und entsprechend sicher mitsingt, -grölt und -schreit. Der Moshpit wirbelt auch unablässig, aber ehrlich gesagt sind die drei auf der Bühne die mit Abstand wildesten Personen des Raumes. Heilige Mutter Maria! Egal auf welchen Musiker man achtet, man kommt aus dem Staunen nicht heraus; mir hat es in diesem Jahr Basser Ilja besonders angetan. Kontrolliertes Chaos? Wohl eher chaotische Kontrolle. In der zweiten Hälfte des Sets setzt THE HIRSCH EFFEKT einen (aus meiner Sicht perfekt platzierten) Farbtupfer, als sich Drummer Moritz erst einmal von der Bühne begibt, Ilja an das Cello geht und chorale Gesänge in ein Gitarren-Cello-Stück überleiten, welches unausgesprochen Ruhe gebietet. Und das allerbeste daran: Nahtlos wird die Herzzerfetzungsballade 'Datorie' angeschlossen. Ein ganz, ganz großer Moment. Headlinerformat eben. Wow. Dann gibt's aber auch wieder auf die Mütze. Wie auch immer man den Stil beschreiben will (daran möchte ich mich hier weiß Gott nicht probieren) - er sitzt. Und dann ist Schluss. Oder? Als Konzertgänger kann man ja normalerweise sehr gut unterscheiden, ob eine Band nochmal auf die Bühne kommt oder nicht. Hier machen sich viele auf den Weg nach draußen, Licht und Gemurmel in der Halle, und dann kommt der Dreier doch nochmal auf die Bretter. Und Sänger Nils? Hat die Zeit genutzt, um seinen Pyjama anzuziehen. Ernsthaft jetzt. Aber da der Kopf ohnehin komplett auf links gedreht ist, genießt man einfach noch die fast zehn Minuten 'Agitation' und geht dann mit einem Grinsen und die angenehm kühle Nacht hinaus. Der Gig 2017 war ein Ausnahmeauftritt; einer von jener Sorte, die man nicht planen und erst recht nicht kopieren kann. In diesem Jahr durften die Euroblastler dafür einem richtig starken Headliner-Konzert beiwohnen. Wahrscheinlich bin ich nicht der einzige, der sich fragt (und freut), wo das alles wohl noch hinführen mag.

[Oliver Paßgang]

HIER geht es zum Samstag!

Redakteur:
Jakob Ehmke

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