FEAR FACTORY - Köln

21.12.2015 | 10:19

04.12.2015, Essigfabrik

Wie schnell 20 Jahre vergehen können...

Als die Industrial-Pioniere FEAR FACTORY mit der Nachricht um die Ecke schossen, dass sie mit ihrem 1995er Meilenstein die Städte unsicher machen wollen, war die Freude enorm groß. Zum 20-jährigen Jubiläum dieses Magnum Opus‘ präsentieren sich Bell und Co. in absoluter Topform, wie man jüngst an "Genexus" erkennen konnte. Das Album gehört sicherlich in die Top 5 ihrer Diskographie, doch Platz 1 belegt nach wie vor "Demanufacture". Und selbst der Busunfall in München vor einigen Tagen kann FEAR FACTORY auf der Siegestour nicht aus der Bahn werfen.

Wenn wir nur vom Namen ausgehen, gibt es für FEAR FACTORY wohl keine geeignetere Location als die Essigfabrik in Köln. Und wenn wir uns an diesem Freitagabend dort so umschauen, dann ist wirklich Jeder in freudiger Erwartung, sich von der "Demanufacture"-Abrissbirne umnieten zu lassen. Interessanterweise sind die meisten Zuschauer in den Mittdreißigern, durften also in ihrem Jugendalter diese Industrial-Metal-Revolution damals genießen. Ein paar kühle Bierchen und zwei interessante Vorgruppen trennen uns von der Darbietung. Also Vorhang auf für eine einmalige Show.

Doch bevor das Musterbeispiel eines genreperfekten Albums bestens dargeboten wird, entert zunächst DEAD LABEL aus Irland die Bretter der Essigfabrik. Mit einem anfänglich enorm wuchtigen Sound gibt das Trio Vollgas und weiß die Gunst der Stunde zu nutzen. Zwar hat die Band mit "Sense Of Slaughter" erst ein Album auf der Habenseite, doch zum einen wird das neue Album nicht mehr lange auf sich warten lassen, zum anderen wird die schmucke Mixtur aus melodischem Todesstahl und knackigem Metalcore gut in Szene gesetzt. Obwohl es draußen ein wenig voller wird, gefällt es den Anwesenden vor der Bühne anscheinend recht gut. Anders kann ich mir die interessierten Blicke und klatschenden Hände nicht erklären.

Auch ONCE HUMAN weiß ähnlich zu überzeugen. Nach angenehm kurzer Umbaupause ist es Zeit für die zweite Band am heutigen Abend, die von Frontdame Lauren Hart angeführt wird und mit dem ehemaligen MACHINE HEAD-Klampfer Logan Mader auch prominentes Personal in den Reihen hat. Ebenfalls grob in die melodische Death-Metal-Schublade gesteckt, zeigt der Fünfer von Beginn an, wo der Frosch die Locken hat. Das Debüt "The Life I Remember" hat erst wenige Wochen auf dem Buckel, entsprechend aktuelles Liedgut hauen uns die Amis vor den Latz. Auch hier ist die Essigfabrik positiv angetan zum einen von der sympathischen Frontdame, zum anderen von den wuchtigen Songs, zu denen sich gen Ende hin auch das MACHINE HEAD-Cover 'Davidian' gesellt. So darf sich die Rheinstadt noch vor FEAR FACTORY im Gesang und Chor versuchen, ehe 'Time Of The Disease' den Vorhang für ONCE HUMAN schließt.

Doch dann schlägt endlich die Stunde der Wahrheit: Nach kurzem Intro keift Burton "This Is Demanufacture" ins Mikro und die Essigfabrik kennt kein Halten mehr. Es wird gebrüllt, es wird gemosht, hier ist Bewegung in der Bude. Der Frontmann ist heute sehr gut bei Stimme, weiß sowohl in seiner unnachahmlich brüllenden Art als auch in den leicht melodischen Zügen durchaus zu brillieren und gibt dem eh schon kraftvollen Auftritt den nötigen Zunder.

Dino setzt zum 'Demanufacture'-Riff an, die Essigfabrik jubelt, es ist vollbracht: Songs wie 'Self Blast Resistor', 'New Breed', 'Body Hammer' oder 'Pisschrist' teleportieren jeden Anwesenden zurück in den 1990er Jahre, als "Demanufacture" das erste Mal seine Runde drehte. Meine Herren, was gibt sich FEAR FACTORY heute Mühe, das mutige Unterfangen entsprechend atmosphärisch und detailgetreu in Szene zu setzen. Ob nun 'Replica' die Fäuste recken lässt oder manche zu 'Dog Day Sunrise' tanzen, die Entscheidung, mit diesem Referenzwerk auf Tour zu gehen und Köln zu beglücken, war goldrichtig. Der Sound ist eine Wucht, hätte zwar ein klein wenig lauter sein können, doch das ist in Anbetracht der kochenden Stimmung nebensächlich. FEAR FACTORY triumphiert heute auf ganzer Linie und setzt "Demanufacture" ein weiteres Denkmal. Keine unnötig komplizierten Ansagen, hier gibt es Industrial Metal – auf gut Deutsch gesagt – mitten ins Gesicht!

Doch jedes Referenzwerk geht irgendwann dem Ende entgegen und die Furchtfabrik aus Kalifornien hat noch lange nicht genug: Mit 'Soul Hacker', 'Dialectric' und 'Regenerate' gibt es gleich drei "Genexus"-Kostproben, die nicht nur auf Platte, sondern auch am heutigen Abend mit offenen Armen empfangen werden. Nachdem das aktuelle Bollwerk einige Wochen auf dem Buckel hat, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass es sicherlich ein bärenstarkes Album geworden ist, sodass es nicht verwundert, dass FEAR FACTORY heute dieses Songtrio zum Besten gibt.

Daneben sorgt der 'Edgecrusher' vom ebenfalls phänomenalen "Obsolate"-Scheibchen sowie der erste Song vom Debüt 'Martyr' für das I-Tüpfelchen auf einen Abend, der sicherlich viele zum Schwärmen bringt. Eine ausgepowerte, aber sichtlich zufriedene Band schaut in ebenfalls ausgepowerte, aber sichtlich zufriedene Zuschauergesichter, die sich mit der Gewissheit von ihren Helden verabschieden, dass das Album nicht besser zur Schau hätte gestellt werden können.

FEAR FACTORY kam, sah und siegte auf ganzer Linie, der glasklare Sound und entsprechende Reaktionen aus dem Publikum spielten Burton, Dino und Co. sichtlich in die Karten, doch auch was die Jungs daraus gemacht haben, ist aller Ehren wert. Nicht nur "Genexus" hat gezeigt, dass mit FEAR FACTORY anno 2015 immer noch zu rechnen ist. Auch die "Demanufacture"-Geburtstagsshows sorgten dafür, dass sich nicht nur die Kölner Halle in ein Tollhaus verwandelt hat. Das war bockstark, meine Herren! Chapeau!

Redakteur:
Marcel Rapp

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