FIVE FINGER DEATH PUNCH, PAPA ROACH, ESKIMO CALLBOY, DEVIL YOU KNOW - Frankfurt am Main
21.11.2015 | 19:2313.11.2015, Jahrhunderthalle
Die Headliner von Morgen? Die nächsten METALLICA? Alles verblasst angesichts der Ereignisse von Paris an diesem Abend.
Vorbemerkung: Natürlich überschatten die schlimmen Ereignisse von Paris diesen Konzertbericht und lassen jegliche Art von Lob oder Kritik im Nachhinein unwichtig erscheinen. Trotzdem möchte ich in dieser Nachsicht bewusst die Musik in den Vordergrund stellen und auf etwaige Querverweise, gekünstelte Wortspielereien oder hohle Phrasen verzichten, die niemals auch nur im Ansatz das Geschehene einfangen oder gar greifbar machen können. Danke.
Die Metalgemeinde ist im Herbst 2015 nicht wirklich zu beneiden. Praktisch jeden Tag ist ein weiteres musikalisches Schwergewicht auf der Straße und spielt in einer Arena in der Nachbarschaft. Verwunderlich aber, dass trotzdem fast alle Großveranstaltungen ausverkauft sind – wahrscheinlich auf Kosten der kleinen Bands, die sich unglücklicherweise genau in diesem Zeitrahmen vor die Tür trauen und nun in den jeweiligen Sandwiches drohen, unterzugehen. Am Tag der Anschläge in Paris, von denen die meisten Konzertbesucher erst in der Nacht oder am nächsten Morgen erfahren, sind jedenfalls FIVE FINGER DEATH PUNCH, PAPA ROACH, ESKIMO CALLBOY und DEVIL YOU KNOW in der bis auf den letzten Platz gefüllten Frankfurter Jahrhunderthalle zu Gast. Die Erwartungen sind hoch, werden doch Zoltan und seine Kollegen bereits als die kommenden weltweiten Superstars angepriesen. Auch bei mir herrscht eine Vorfreude und Anspannung, die ich schon seit vielen Jahren nicht mehr gespürt habe. Ich erwarte nicht weniger als ein Spektakel und einen musikalischen Sturm, der alles und einfach jeden danieder walzt. Baue ich da etwa Druck auf? Und wie!
Unfassbar. Da ist der Konzertbeginn schon für 19:00 Uhr angekündigt und trotzdem müssen die Amis von DEVIL YOU KNOW sogar noch eine Viertelstunde früher auf die Bühne. Eine Unart, die im Business leider allzu oft verbreitet ist. Darüber hinaus sind die Kalifornier mit einem sehr schlechten Sound gestraft. Der Gesang von Howard Jones (ex-KILLSWITCH ENGANGE) geht komplett unter und wird sogar von den Backings von Bassist Ryan Wombacher (BLEEDING THROUGH) übertönt. Diese soundtechnische Schieflage ändert sich leider bis zum Schluss des Sets nicht. Trotzdem macht es das Quartett sehr ordentlich und bekommt vom sich langsam füllenden Auditorium dafür anerkennenden Applaus. Statisch dagegen ist die Bühnenpräsenz der Herrschaften, die keine zusätzliche Energie entfacht und Songs wie 'Seven Years Alone', das brachiale 'Consume The Damned', 'The Way We Die' oder das abschließende 'Shut It Down' nicht wirklich unterstützt. Das ist verwunderlich, stehen neben den beiden oben genannten mit Francesco Artusato (ALL SHALL PERISH) und John Sankey (unter anderem FEAR FACTORY) noch weitere namhafte Musiker auf den Brettern. Da wäre deutlich mehr drin gewesen. So ist der Spuk nach nur etwas mehr als zwanzig Minuten ohne größere Langzeitwirkung bereits wieder beendet.
War das Publikum bei DEVIL YOU KNOW bereits auffallend jung, fällt der Altersschnitt bei den kommenden ESKIMO CALLBOY noch einmal dramatisch gen Volljährigkeitsgrenze. Vor der Bühne ist nun deutlich mehr los. Alle wollen eine mächtige Metal- und Trancecore-Party feiern und das deutsche Sextett bietet dafür die passende musikalische Untermalung. Aber auch hier ist der Gesamtsound eher bescheiden und beide Sänger verlieren sich irgendwo zwischen fetten Grooves und brachialen Breakdowns. Dem Publikum gefällt es trotzdem, man springt, klatscht oder schmeißt die Arme synchron von der einen auf die andere Seite. Anscheinend bin ich aber nicht nur der einzige Langhaarige in der Halle (Kommentar meines Begleiters: "You are totally overdressed"), sondern auch einer der wenigen, der dem Treiben auf der Bühne nicht ganz so viel abgewinnen kann. Vielleicht bin ich auch einfach zu alt für diese Art von Musik. Das ist mir zu viel Chaos, zu viel irgendwas. Auf jeden Fall haben die Fans ihren Spaß an Songs wie 'Crystal' oder 'Best Day'; und auch hier ist bereits nach 25 Minuten Schicht im Schacht.
Jetzt schnell noch ein Bier holen und dann gute Plätze für PAPA ROACH sichern. Ehrlich gesagt, kenne ich von den Amis nur ihre beiden Hits ('Last Resort' und 'Broken Home') und habe an den nun folgenden Auftritt keine allzu großen Erwartungen. Und vielleicht ist genau das der Grund, warum ich so positiv überrascht werde. Nicht nur haben Jacoby, Jerry, Tobin und Tony viel mehr Platz als die beiden Vorgängerbands auf der Bühne, sondern auch die Musik knallt endlich deutlich mächtiger aus den Boxen.
Von Beginn an hat das Quartett die nun sehr zahlreiche Meute im Griff (Kreischalarm!), das Publikum zeigt sich (auch bei den vielen neuen Stücken) enorm textsicher und die Band... sie rockt. Das habe ich so in dieser Form nicht erwartet. Songs wie 'Between Angels And Insects', 'Kick In The Teeth' und 'Where Did The Angels Go' oder neuere Stücke wie 'Face Everything And Rise', 'Warriors' und 'Fear Love Hate' knallen amtlich und machen die siebzig Minuten recht kurzweilig. Während die Kalifornier auf 'Broken Home' gänzlich verzichten, muss 'Last Resort' am Ende natürlich sein. Doch Hoppla, der Song fällt gegenüber den vorangegangenen Darbietungen sogar irgendwie ab. Einbildung? Wie auch immer, zeigt es mir jedenfalls sehr deutlich, dass PAPA ROACH nicht unbedingt nur auf ihre Hits limitieren werden sollten. Die Band kann definitiv mehr.
Mehr kann vor allem auch FIVE FINGER DEATH PUNCH; zumindest sind die Erwartungen dementsprechend. Nun ist auch jedes noch so kleine Fleckchen in der Jahrhunderthalle gefüllt und die Amis spannen uns mit einem längeren Umbau gleich mal so richtig auf die Folter. Aber dann ist es soweit: Licht aus, Spot an – und schon tönt 'Lift Me Up' durch die Boxen. Doch der Start ist holprig. Sowohl die Band hat Anlaufschwierigkeiten, auch der Sound lässt überraschend zu wünschen übrig. Er bessert sich im weiteren Verlauf, wird aber nicht die Qualität wie bei PAPA ROACH erreichen.
Trotzdem feiert die Masse. Zoltan Bathory steht gefühlt mehr im Publikum als auf der Bühne und Frontmann Ivan Moody dirigiert nach Herzenslust. Mit 'Hard To See', 'Never Enough' und 'Got Your Six' feuern die Jungs aus allen Rohren und unterziehen den Gebäudekomplex einer wahren Belastungsprobe. Das Publikum verwandelt die Halle in ein Fußballstadion, die Anfeuerungsrufe sind gewaltig. Die Band legt nach. Das BAD-COMPANY-Cover 'Bad Company' und die neue Hymne 'Jekyll & Hyde' schrauben noch einmal das Energielevel nach oben. Doch es schleichen sich schon jetzt erste Ermüdungserscheinungen ein. Natürlich ist das Dargebotene amtlich und rockt wie die Hölle, aber irgendwie wirken die Bühnenshow zu statisch und die Musikanten ein wenig zu routiniert. Die Bühnenaufbauten sind unspektakulär und auf ein pyrotechnisches Feuerwerk verzichtet das Quintett komplett.
Ich hatte erwartet, dass 5FDP die Hölle entfacht und mir gefühlt ständig mit beiden Füßen ins Gesicht springt, doch sie wirken mir etwas zu selbstsicher, etwas zu kontrolliert. Nach einem coolen Schlagzeugsolo von Jeremy Spencer erscheint Ivan Moody nicht nur in einem Deutschland-Trikot und holt ein paar handverlesene Personen aus dem Publikum auf die Bühne, sondern es bildet sich beim anschließenden 'Burn MF' auch ein mächtiger Moshpit in der Hallenmitte. Respekt.
Im Anschluss daran nehmen sie die Fahrt raus. 'Wrong Side Of Heaven' wird komplett in einer Unplugged-Version dargeboten, während bei den folgenden 'Battle Born' und 'Coming Down' zumindest teilweise die gesamte Band wieder mit am Start ist. Die Handbremse ist jedenfalls recht lange angezogen und es fällt ihnen sichtlich schwer, den Hebel noch einmal umzulegen. Obwohl musikalisch danach mit 'Burn It Down', 'Under And Over It' und dem abschließenden 'The Bleeding' noch einmal die Keule ausgepackt wird, will der Funke nicht mehr so richtig überspringen. Als sich FIVE FINGER DEATH PUNCH unter verdientem Applaus verabschiedet, frage ich mich, ob vielleicht meine Erwartungen einfach zu hoch waren? Die Schuhe, in denen wir sie bereits jetzt in Richtung Festivalheadliner von Morgen marschieren sehen, scheinen noch eine Nummer zu groß. Das Potential dazu hätten sie auf jeden Fall. Vielleicht war aber auch einfach an diesem Abend alles eben ein klein wenig anders als sonst.
Setlist: Lift Me Up, Hard To See, Never Enough, Got Your Six, Bad Company, Jekyll & Hyde, Drum Solo, Burn MF, The Agony Of Regret, Wrong Side Of Heaven, Battle Born, Coming Down, Burn It Down, Under And Over It, The Bleeding
- Redakteur:
- Chris Staubach