FOREIGNER - Ulm

07.07.2019 | 10:26

06.07.2019, Kloster Wiblingen

Samstagabend: Die Landmädels gehen schwofen.

Eine wahre AOR-Institution, das ist FOREIGNER. Seit 42 Jahren, so sagt Kelly Hansen, Frontmann der Band seit 2005, nach dem gesundheitsbedingten Ausstieg Lou Gramms, doch wenn man der Biographie glauben darf, musiziert das einzige verbliebene Gründungsmitglied Mick Jones bereits seit 44 Jahren unten diesem Banner. Das ist Rockgeschichte pur, eine der Topbands aller Zeiten mit über 80 Millionen verkauften Alben und über zwei Dutzend Chart-Hits. Das schöne Kloster in Ulm-Wiblingen bietet dafür einen ansprechenden Rahmen, auch wenn der Innenhof mit den üblichen Getränke- und Essensständen sich nur durch die einrahmenden Gebäude von einer anderen Konzertlocation unterscheidet.

Der Einlass ist ungewöhnlich entspannt, die Security und das Personal äußerst freundlich und gelassen. Vor ein paar Tagen war PUR hier gewesen, ausverkauft mit 6500 Gästen, da war das Ganze sicher stressiger. Doch heute ist das Konzert bestuhlt, sodass nur 2500 Tickets verkauft wurden. Schon beim Betreten des Klosterinnenraumes fällt natürlich das Durchschnittsalter der Gäste auf. Klar, die 42 Jahre, um mal bei Hansens Zählung zu bleiben, der mit dem Release des ersten, selbstbetitelten Albums beginnt, gehen auch am Publikum nicht spurlos vorüber. Deswegen sicher die Bestuhlung. Als Resultat ist die Veranstaltung sehr ruhig und leger, die 2500 Menschen haben mehr als ausreichend Platz.

FOREIGNER ist aktuell auf zwei Arten unterwegs, einmal als Rockband im klassischen Sinn, einmal aber auch mit Orchester, denn im letzten Jahr konnte die Band mit "Foreigner with the 21st Century Symphony Orchestra & Chorus" hoch in die Album-Charts steigen. So ist auch der heutige Abend ein Konzert mit massiver Soundunterstützung von Streichern, Bläsern und vor allem zwei Solo-Musikern mit Cello und Violine, alle vom russischen IP Orchestra, die der britisch-amerikanischen Musikkollaboration einen gewaltigen Klangschub geben. Wobei das schon beinahe ein Overkill ist. FOREIGNER spielt sowieso bereits mit drei Gitarristen und einem Keyboarder, beziehungsweise zwei und zwei, wenn Mick Jones von den Saiten auf die Tasten wechselt, jetzt kommt noch das Orchester hinzu. So komplex ist die Musik FOREIGNERs ja nun wirklich nicht.

Aber der Sound ist vom ersten Moment an großartig und gibt der Band recht. Ein Einstieg mit Orchesterovertüre und dann mit 'Blue Morning, Blue Day' und 'Cold As Ice' kann natürlich auch kaum schief gehen. Aber das ist Programm, die Konzertreise heißt "The Hits On Tour" und so darf man auch genau das erwarten. Bei 'Cold As Ice' hält es die Besucher nicht mehr auf den Sitzen und fortan scheinen die Stühle zumeist eher zu stören. Vielleicht wäre es da besser gewesen, hinten ein paar Stuhlreihen aufzubauen und das Konzert ansonsten unbestuhlt zu absolvieren. Dann hätten auch noch mehr Gäste reingepasst, denn immerhin kostet die billigste Karte 55 Euro, die teuerste 101 Euro. Das ist schon ganz schön happig und hat eventuell auch den einen oder anderen abgeschreckt, allerdings sind alle anderen Stopps der Tour preislich ähnlich gelagert.

Der Band dürfte das egal sein, jedenfalls haben die Musiker sichtlich Spaß an ihren Hits und rocken mit Verve unsterbliche Melodien ins Publikum. Selbst bei einer Akustik-Einlage lässt die Stimmung kaum nach, wobei eine Akustik-Einlage, wenn man sonst eigentlich mit dem Orchester eine echte Wand aufbaut, kontraproduktiv wirkt. Zur Geltung kommt das Orchester vor allem, wenn die Band ihm richtig Raum gibt wie vor den Songs 'Urgent' und 'Juke Box Hero', bei ersterem darf Mick Jones ein schönes Gitarrensolo beisteuern und natürlich wird die Band bei beiden Liedern von Bläsern unterstützt. Kelly Hansen verpasst bei 'Juke Box Hero' beinahe seinen Einsatz, aber das die anwesenden Fans sind sowieso textsicher. Sonst habe ich den EIndruck, dass das Orchester zwar schön aussieht, aber den Sound der Band nicht nachhaltig ändern und beim Publikum eher Nebensache ist.

Apropos Publikum. Es ist Samstagabend, das Gewitter hat sich verzogen, die Damen vom Lande gehen auf die Piste. Um mich herum sind wenige Familien, einige Paare, ein aufgedrehter Vater mit einem Kind in Kindergartenalter, das ihm schlapp um den Hals hängt und des Erzeugers Tanzeinlagen wohl deutlich lieber gegen Decke und Kissen eintauschen würde, und diverse Gruppen Damen, die dem Teenageralter seit einem oder mehr Jahrzehnten entwachsen sind. Mädels night out. Mit Aperol Spritz oder was man da so trinkt, zu den Balladen wiegend, zu den Rockern klatschend und bei dem einzigen ungewöhnlichen Song verwundert schauend. Denn die Band spielt 'The Flame Still Burns', den Mick Jones mit einer Geschichte ankündigt, dass er nämlich für einen Film namens "Still Crazy" in fünf Tagen acht Lieder schreiben sollte. Darunter war auch dieses Lied, dass 2018 als Single für den Record Store Day neu veröffentlicht wurde. Kennen die Damen nicht, nach 1990 oder so war Musik, FOREIGNER und Rock wohl keine Priorität mehr. Doch sonst gibt FOREIGNER dem reifen Publikum auch genau das, denn der neueste Song abgesehen von 'The Flame Still Burns' stammt aus dem Jahr 1987.

Einen Wermutstropfen gibt es allerdings in dieser ansonsten sehr gelungenen Performance der Band: Nach vierzehn Liedern und etwa neunzig Minuten ist Schluss. Die Band hat bis auf den einen genannten Song nur Hits gespielt, stimmt, allerdings hätten es davon ruhig noch ein paar mehr sein dürfen. 'White Lie' und 'Rain' aus dem heute ignorierten Album "Mr. Moonlight" waren in Deutschland in den Charts gewesen und 'Head Games' und 'Break It Up' hätten sicher auch eine gute Figur gemacht. Auf der Tour wurde bisher auch 'Long, Long Way From Home' gespielt und letztes Jahr 'Starrider'. Und trotz des Tourtitels hatte ich insgeheim ein bisschen auf 'Can't Slow Down' vom einzigen Studioalbum der Band mit Kelly Hansen am Mikrophon gehofft. Mit dem Orchester im Rücken bekamen die Musiker auch ein paar Pausen, sodass ich durchaus noch mehr erwartet habe. Das Fazit ist daher: toller Auftritt, ein bisschen kurz. Zumal bei dem Preis der Eintrittskarten. Wobei die Konzerte der Band auch ohne das Orchester nicht billiger oder länger sind.

Aber viel wichtiger ist, dass es den Damen der Alb gefallen hat und den leicht alkoholisierten, schräg kreischenden Versionen von 'I Want to Know What Love Is' auf dem Parkplatz nach zu urteilen, hat FOREIGNER heute vor allem viel richtig gemacht und einige waren auch nachher noch sehr "hot blooded".

Setliste: Blue Morning, Blue Day; Cold As Ice; Waiting for a Girl Like You; That Was Yesterday; Say You Will; The Flame Still Burns; Double Vision; Feels Like the First Time; Fool for You Anyway; Dirty White Boy; Urgent; Juke Box Hero; I Want to Know What Love Is; Hot Blooded

Übrigens: FOREIGNER ist noch auf Tour und in Mainz wurde der Auftritt gerade in eine größere Location verlegt. Es gibt noch Tickets!

Redakteur:
Frank Jaeger

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