FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE - Potsdam

16.09.2005 | 18:44

14.09.2005, Nikolaisaal

"Man könnte sich fragen, warum wir heute ein Akustik-Konzert in Potsdam spielen, wo doch gerade ganz Berlin im Rahmen der Popkomm feiert." Nun, offensichtlich gab es trotzdem genügend Menschen, die es sich lieber mit FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE im gut gefüllten Nikolaisaal gemütlich machen wollten, statt sich in der Hauptstadt unters Party-Volk zu mischen. Ganz davon abgesehen, dass die Hannoveraner schon immer ein Garant für energievolle und extrem publikumsnahe Shows waren. Aber würde dies auch akustisch funktionieren? Ja!

Zumal ein Teil des Back-Katalogs geradezu prädestiniert dafür ist, in dieser Form umgesetzt werden. Bei Songs wie 'Bar Des Boulistes', 'Hello And Goodbye', 'Rainy April Day' oder 'My Little World' herrschten schon immer die eher leisten Töne vor. 'Time To Wonder' war im Balladen-Programm die größte Überraschung, denn lediglich von Kontrabass und Keyboard begleitet, war es schlichtweg zum Heulen schön. Andere Stücke wie 'Cry It Out', 'When I'm Dead And Gone' oder 'Dancing In The Sunshine Of The Dark' rockten aber auch in der "abgespeckten" Version noch gewaltig. Kaum wieder erkannt habe ich hingegen 'Kick It Out', denn der Live-Kracher wurde in ein frisches Blues-Gewand gesteckt, das ihm sehr gut zu Gesicht stand. Das einzige, was ich bei dieser Fülle von Hits ein wenig vermisst habe, war 'Radio Orchid', der FURY-Hit schlechthin.

Aber warum eigentlich "abgespeckt"? Neben Gero Drneks warmem Keyboard-Sound und Christian Deckers monströsem Kontrabass beeindruckte vor allem die Vielzahl der zum Einsatz gekommenen diversen akustischen Gitarren und anderen (Saiten-)Instrumenten. Auch Saxophon-Töne kamen in "Pure Love" zum Einsatz. Das ganze garniert mit Kai Wingerfelders ausdrucksstarker Stimme und schönen Background-Vocals sämtlicher FURYs (ganz toll auch das A-Capella-Stück vor Beginn der eigentlichen Show) und inszeniert vor vier stets effektvoll beleuchten Lichtsäulen im Bühnen-Hintergrund.

FURY wären allerdings nicht sie selbst, wenn sie nicht auch einen Akustik-Gig mit ihrem typischen Humor würzen würden. Dabei scheuten sie nicht davor zurück, sich selbst lächerlich zu machen, und setzten sich zu 'Nada Es' riesige Mexikaner-Hüte auf, wobei sich Gero selbst dann nicht von seiner Basecap trennen mochte und sie einfach auf der Spitze des Strohhutes platzierte. Aber vor allem die Sprüche, mit denen sich unter anderem Gitarrist Christof Stein-Schneider (der mit der herrlich tiefen Stimme à la Schauspieler Ben Becker) und Sänger Kai Wingenfelder zwischen den Songs duellierten, hatten etwas von einer Improvisations-Comedy-Show und würden an dieser Stelle vollständig zitiert den Rahmen eines Konzert-Berichts sprengen. Kleine Kostprobe: Christof schaute sich im Nikolaisaal um, bemerkte die riesigen weißen Knubbel an der Wand und brummte "Diese große Raufasertapete macht mich ganz nervös." Nach einer Pause: "Habt ihr die als Kind auch immer von den Wänden gekratzt? Also die Wand über meinem Bett war nach 'ner Weile glatt."

Somit lösten sie das Problem des fehlenden Publikum-Kontakts, denn die verbalen Bälle, die sich die Jungs gegenseitig zuwarfen, landeten auch mal bei ihren Fans und wurden von dort fast ebenso wortwitzig zurückgegeben. Irgendwie saßen halt alle mit FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE in einer Art Wohnzimmer und feierten dort eine ziemlich spontan wirkende Jam-Session ihrer größten Hits.

A propos Wohnzimmer: Trotz überdimensionaler Raufasertapete fühlte sich Christof sichtlich wohl. Das Rauchverbot interessierte ihn keinen Deut und er steckte sich munter einen Fluppe nach der anderen an. Da konnte man richtig neidisch werden... Denn der Haken bei solchen Akustik-Konzert ist halt, dass die Gäste schön brav auf ihren Sitzen bleiben sollen, nichts zu trinken bekommen und die Nikoktin-Süchtigen unter ihnen früher oder später unter mittelschweren Entzugserscheinungen leiden. Zwei von diesen Aspekten versuchte Christof, der Sprücheklopfer, abzuhelfen, indem er demjenigen, der bei 'Cry It Out' am besten auf seinem Stuhl hüpft, eines seiner drei Biere versprach. Nütze aber nichts, denn bis zur ersten Zugabe traute sich keiner so recht, seine gepolsterte Sitzgelegenheit zu verlassen. Erst nachdem man sich sowieso schon für die Standing Ovations erhoben hatte, blieben die meisten stehen, und FURY belohnten dies durch drei Zugabenblöcke im Rahmen dieser über zweistündigen Show.

Falls ihr also noch Gelegenheit haben solltet, auf eines der bis Ende September angesetzten Akustik-Konzerte zu gehen, kann ich dies nur wärmstens empfehlen. Denn eine solch gelungene Mischung aus spontaner Slapstick-Comedy und handgemachter Rockmusik bekommt man nicht alle Tage ... Won't forget this day, liebe FURYs!

Setlist:

Around My World In 80 Days
Milk And Honey
Bar Des Boulistes
Out On The Weekend
Candle In Your Window
Cry It Out
Afternoon In The Cemetery
Kick It Out
Generation Got Its Own Disease
Nada Es
Fly, Sadness Fly
Hello And Goodbye
Time To Wonder
Pure Love
When I'm Dead And Gone
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Welcome To The Other World
Rainy April Day
Won't Forget These Days
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Goodbye So Long
Eleonore
Trapped Today, Trapped Tomorrow
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My Little World
Down There

Redakteur:
Elke Huber

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