Flotsam & Jetsam/Abandoned - Frankfurt
12.03.2008 | 08:1005.03.2008, Nachtleben
Zunächst muss ich einmal sagen, dass ich es extrem ungeschickt finde, wenn man an einem Wochentag gleich vier Bands auf das Publikum loslässt. Nicht nur, dass der Zuhörer bereits vor der Hauptband nicht mehr richtig aufnahmefähig ist, sondern auch die Spielzeiten bleiben dadurch logischerweise überschaubar (vor allem vom Headliner). Nicht zu vergessen, dass die Hauptattraktion gar erst so spät auf die Bühne geht, dass der Großteil der arbeitenden Bevölkerung bereits vor dem regulären Ende die Heimreise antreten muss. An diesem Abend habe ich mich zumindest dazu entschlossen, etwas später im Nachtleben aufzuschlagen, um noch genügend Energie für das Quintett aus Phoenix zu haben. Leider fielen dadurch natürlich die ersten beiden Bands, NON-DIVINE und IZEGRIM, unter den Tisch.
Ich komme gerade rechtzeitig, als die Darmstädter ABANDONED ihr Set beginnen. Dabei präsentieren uns die sympathischen Thrasher natürlich einen Querschnitt ihrer beiden bisherigen Scheiben und halten das Tempo für diesen Abend schon einmal gehörig hoch. Ob nun 'Too Blind To See', 'Holy Terror', 'Sands Of Time' oder 'Take The Spell", die Band prügelt sich erbarmungslos durch ihr Programm, versprüht dabei jederzeit gute Laune und liefert die perfekte Hintergrundmusik für jedes Nackenmuskeltraining. Die gut einhundert Anwesenden fressen den Lokalmatadoren förmlich aus der Hand, obwohl ich sagen muss, dass die eine oder andere Pointe an diesem Abend nicht richtig zünden will. Trotzdem ein gewohnt guter Auftritt.
Die Spannung unter den Leuten ist fast greifbar. Auch ich habe mich mit gemischten Gefühlen zum Konzert aufgemacht, denn einerseits halte ich FLOTSAM & JETSAM für eine sehr gute Band, mit deren Hits ich locker einen gigantischen Abend füllen könnte, die aber oft genug in der Vergangenheit auf das falsche Pferd (sprich die falschen Songs) gesetzt hatten. Würden die Amis gar ausschließlich nur ihr erstes Album "Doomsday For The Deceiver" (immerhin läuft diese Tour ja unter diesem Motto) spielen? Persönlich halte ich ihr Debütalbum für gut, aber richtige Klassiker haben sie erst danach geschrieben ("No Place For Disgrace", "Cuatro").
Um Punkt 23 Uhr fällt der nicht vorhandene Vorhang und FLOTSAM & JETSAM legen direkt mit 'Hammerhead' vom Debüt los. Klasse Sound und Sänger Eric A.K. singt wie zu besten Zeiten. Sofort ist Bewegung unter den Anwesenden, die Band wird nach allen Regeln der Kunst gefeiert. Schon beim folgenden Übersong 'Me' zerstreuen sie meine Bedenken nach einem reinen "Doomsday"-Abend und entführen das Frankfurter Publikum auf eine Reise, die eben bei "Doomsday For The Deceiver" beginnt und bei "Drift" endet. Man könnte fast meinen, die Herrschaften hätten die Setlist von ihren Fans machen lassen, denn mit 'Hard On You', 'Escape From Within', 'No Place For Disgrace', 'Swatting At Flies', 'The Master Sleeps', 'Never To Reveal' und 'Secret Square' packen sie einen Klassiker nach dem anderen aus. Der extrem abgemagerte Craig Nielsen bearbeitet sein Schlagzeug wie ein Tier, die beiden Gitarristen Mark Simpson und Ed Carlson dominieren souverän am Bühnenrand und der etwas chaotisch sympathische Bassist Jason Ward schneidet eine Grimasse nach der anderen oder verabredet sich leicht lallend andauernd von der Bühne aus mit anwesenden Schönheiten. Hauptaugenmerk und gleichzeitig größte Überraschung an diesem Abend ist aber Sänger Eric A.K., der nicht nur gesanglich völlig auf der Höhe ist, sondern auch voller Spielfreude über die kleine Bühne fegt. Wer jetzt behauptet, er hätte aber den einen oder anderen hohen Ton nicht getroffen oder gar nicht erst gesungen, der sollte sich für so viel Klugscheißerei lieber schämen. Vergessen ist auf jeden Fall der in meinen Augen dürftige Auftritt auf dem letzten Bang Your Head!!!, wo das Quintett noch etwas lustlos wirkte. Im März 2008 haben FLOTSAM & JETSAM Bock, zu rocken. Das spürt man und das zahlt ihnen das Frankfurter Publikum auch mit viel Applaus dankend zurück. Leicht schockiert schaue ich jedoch auf meine Uhr als die Band nach genau 50 Minuten bereits die Bühne verlässt. Beugen sie sich damit der Uhrzeit oder doch Ami-Starallüren? Weder noch: Nach kurzem Basssolo überrollen sie uns mit 'I Live, You Die', nur um dann mit 'Doomsday For The Deceiver' noch einen weiteren Klassiker aus dem Ärmel zu schütteln. Das Publikum hat aber auch dann noch nicht genug und holt die Amis noch einmal für 'Smoked Out' auf die Bühne. Mit allem Applaus und "Germany rules"-Bekundungen kommen FLOTSAM & JETSAM dann doch noch auf eine Gesamtspielzeit von 75 Minuten, die an diesem Abend völlig ausreichend waren. Gerne hätte ich noch 'Misguided Fortune', 'Forget About Heaven' oder 'Metal Shock' gehört, aber auch so waren mehr Klassiker dabei als ich je gedacht hätte.
Diese Show hat meine Erwartungen so dermaßen übertroffen, dass ich noch Tage später mit einem Grinsen durch die Gegend laufe. Objektiv gesehen war es ein gutes Konzert mit großartiger Songauswahl: Etwas, was ich, ehrlich gesagt, dieser Band nicht mehr zugetraut hätte. Respekt. Jetzt noch ein gutes Album, eine Neuauflage von "No Place For Disgrace" und FLOTSAM & JETSAM können jederzeit gerne wiederkommen.
Setlist:
Hammerhead
Me
The Master Sleeps
Swatting At Flies
Hard On You
No Place For Disgrace
Forkboy (Coverversion von LARD)
Secret Square
Never To Reveal
Escape From Within
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I Live, You Die
Doomsday For The Deceiver
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Smoked Out
- Redakteur:
- Chris Staubach