Fuck The Commerce VII - Luckau

09.06.2004 | 11:30

19.05.2004, Mehrzweckanlage

Und hier das Fuck The Commerce, etwas nüchterner betrachtet:

"Die Revolution frisst ihre Kinder" kann man wohl sagen, aber dazu später mehr. Das siebte Fuck The Commerce stand dieses Jahr zunächst unter keinem guten Stern, das Billing stand erst sehr spät fest, zu spät, spärliche Werbung und zeitweilige Gerüchte, das liebgewordene Happening könne gar ganz ins Wasser fallen, ließen erste Zweifel aufkommen, ob denn auch in diesem Jahr alles so glatt wie in den klasse Vorjahren laufen würde. Eher durch Zufall entdeckten wir noch dazu wenige Tage vor dem Fuck im Internet, dass man kurzerhand das Festivalgelände von Neiden / Torgau ins 80 km östlichere Luckau verlegen musste, weil, so die Information, die Besitzer des so treu und liebgewonnenen Geländes in Neiden per Gericht gegen die Fuck-Crew wegen was auch immer prozessierte und gewann, so dass Neiden als Austragungsort wohl für alle Zeit gestorben zu sein scheint. Aber man ist ja flexibel.

Um nicht den Fehler des Vorjahres zu begehen, nämlich am ersten Mittwoch erst gegen Abend einzutreffen und am Einlass unzählige Stunden zu warten, waren wir bereits mittags in Luckau und konnten uns auf dem riesigen, völlig baum- und schattenfreien Gelände auf planer, steiniger Wiesenfläche bei starkem Wind unser Zelt sturmfest neben dem Auto verankern. Welch weise Entscheidung, sollte doch auch der Wettergott später Böses im Schilde führen. Die bekannten Gesichter der Vorjahre trafen ebenso nach und nach ein, was ein Garant für ausgelassene Partystimmung hätte sein sollen, aber nicht war, da uns Petrus von Freitag bis Sonntag unablässig in Zelt und Suppe pisste und die Stimmung allgemein erheblich drückte. War am Donnerstag wenigstens noch ein stückweit Sonne zu sehen, wurde es Freitag dann aber derartig kalt, das die Fuck-Besucher mumiengleich in Decken, unzähligen Shirts, Pullover und Jacken gewickelt scheinbar mehr heißen Kaffee statt Bier übers Gelände trugen. Brrrrr, wie ekelhaft. Aber dafür konnten ja die Fuck-Macher nichts, die trotz der kurzfristigen Verlegung ihr Möglichstes machten. Gab es in den Vorjahren wenigstens noch Festivalzeitungen mit dem Spielplan, so gab es dieses Jahr dergleichen gar nichts. Viele Besucher hatten von den Verlegungen, Verschiebungen und Ersatzbands schlicht nie etwas mitbekommen, keine Aushänge - und wenn, nach wenigen Minuten geklaut - keine Tafeln, kaum Hinweise, was die Stimmung merklich trübte. Auch so manche Band stellte sich eben nicht vor, sondern gurgelte ein munteres "Hi! We are Gurgelgurgelknurzzzzz", aha! Super! Bei allem bereits erwähnten Durcheinander erscheint es nicht verwunderlich, dass nur ca. 2500 Leute und damit etwa 1000 weniger als letztes Jahr anwesend waren und angesichts des Wetters bereits Freitag nacht die ersten Besucher die völlig entnervten Sturmsegel strichen. In keinem Jahr habe ich so wenige Fotos geschossen wie in diesem Jahr, was angesichts des Wetters und des eher unattraktiven Billings auch kein Wunder war. Wenig Licht und viel Schatten also.
Mein fünfter Fuck-Bericht fällt daher etwas kürzer aus als gewohnt, die Euphorie der letzten Jahre scheint nunmehr annähernd aufgebraucht zu sein, so dass ich nicht weiß, ob ich nächstes Jahr wirklich wieder dabei sein möchte. Das einstige Ansinnen "Fuck The Commerce" erscheint zweifelhaft, nimmt man die gestiegenen Verpflegungspreise als Indiz für Kommerz, die, so Kult-Hähnchenbrater Krause, vor allem an den erhöhten Standmieten für die Versorger lägen. Was soll das?! Ein lausiges Billing bei lausigem Wetter und lausigen Preisen verspricht kein Garant für gute Laune zu sein. Aber Krause bleibt dennoch Kult, was die zahlreichen "Keine Pause ohne Hähnchen Krause"-Shirts im Publikum zeigte. Ohne Krause kein Fuck.

Im Partyzelt, versehen mit der zweiten, kleineren Bühne, fand am Fuck-Mittwoch das erste Programm statt, dass durch die deutschen Deather CORVIN völlig okay, aber nicht gerade spektakulär eröffnet wurde.

Die aufstrebenden MY DARKEST HATE konnten den sehr guten Eindruck ihres kürzlich erschienenen Meisterstücks "At War" absolut festigen und legten eine reife, sehr agile Bühnenperformance hin, die die ersten Metalheads vor der Zeltbühne zum Warmbangen animierte und für gute Stimmung sorgte, auch wenn die Herren Musiker zeitweise dennoch herrlich verstimmt waren, so dass sicher nicht nur mir manche Gänsehaut bereitet wurde. Die Herren bewiesen jedoch genug Haltung und Elan, so dass man darüber problemlos hinwegsehen konnte.

Als Headliner des Mittwochs standen gegen Mitternacht Legende Schmier und seine beiden Schergen Mike und Marc, allen bekannt unter dem Banner DESTRUCTION, auf der Bühne. Die deutsche Thrashlegende legte von Beginn an los wie die Feuerwehr und bot einen absolut gelungen Überblick über (fast) alle Schaffensperioden der Band, nicht zu vergessen Überhits wie etwa 'Life Without Sense' oder 'Mad Butcher', die dankbar, staunend und bangend von der aufgetauten Masse angenommen wurden. Schade nur, dass es vor der Bühne zu vereinzelten und sinnlosen Schlägereien kam.
Schmier, stets um Fannähe bemüht, bangte und poste dennoch ohne Unterlass in seiner schmierigen, rostigen Leder- und Nietenkluft und machte seinem Namen alle Ehre. Hänfterling Mike bearbeitete seine Gitarre absolut zielsicher und mit stetigem Grimmen auf den Lippen und Marcs Drumteppich böllerte auch die letzte Lücke dicht, so dass wohl ein jeder der Anwesenden, nimmt man mal die hohlen paar Schläger aus, über das Stückchen echter Metalgeschichte auf der Bühne erfreut gewesen sein dürften, mich eingeschlossen, wenn auch der Zugabenteil völlig aus meinem alkoholgeschwängerten Bewusstsein ausgelöscht zu sein scheint. Prost!

Der Donnerstag auf der großen Hauptbühne wurde von den ostdeutschen DEATH REALITY, die brutalen Death Metal auf hohem Niveau boten, standesgemäß eröffnet, wenn auch mancher der Jungs rein optisch wohl eher in die Disko- oder Rockecke gehören könnte, ähem und sorry. Soll aber erlaubt sein, denn das, was der junge Fünfer hier bot, machte Geschmack auf mehr und zeigte DEATH REALITY als zurecht bejubelte, aufsteigende, technisch überlegene Newcomer-Band, von der noch viel zu erwarten sein dürfte. Weiter so und beide Daumen nach oben!

Die tschechischen Grinder von DEFLORACE hatten offensichtlich den Schalk im Nacken. Die teils tschechischen Ansagen wurden natürlich von der großen Anzahl tschechischer Banger dankbar angenommen und bejubelt, aber auch sonst wussten die Grinder mit viel politischem, sarkastischem und gorigem Witz ein augenzwinkerndes Highlight abzuliefern, das schlicht riesigen Spaß machte und vor allem musikalisch überaus brutal in allen Magen- und Darmwindungen sägte.

MALEDICTIVE PIGS sind als Band aus dem Cudgel-Stall, die das Fuck ja unter anderem mit auf die Beine stellen, bereits zum zweiten Mal auf der Fuck-Bühne vertreten, dieses Mal allerdings sichtlich gereifter, noch professioneller und ernsthafter. Frontsau Henry, den aufgrund seiner tätowiert-muskulösen Leibesfülle niemand als Feind haben will, hatte die Banger fest im Griff und gurgelte stimmlich herrliche Death-Metal-Grunts in die voller werdende Masse. Basser Ronny als zweiter agiler Mittelpunkt gönnte seinen Nackenmuskeln ebenfalls keine Pause, während sein Bruder Daniel an den Drums wieder mal ein Schauspiel für sich ablieferte. Der Junge hopst beim Spielen ständig auf und ab, sitzt stocksteif hinter seinen Kesseln und rattert dennoch derart präzise, dass man seinem Spiel mit einigem Spaß, aber auch Hochachtung zuschauen muss. Klasse!

Auch JACK SLATER, die neben dem obligatorischen CANNIBAL CORPSE-Cover vor allem ihre neue Scheibe "Metzgore" vorstellten, machten klar, dass man durchaus humorvolle Texte mit technisch hoch anspruchsvollem Brutal Death Metal vermischen kann. Sänger "Das Horn" ist und bleibt das optische Spaßaushängeschild der Band und wusste auch dieses Mal mit reichlich Witz und zerschreddertes Gemüse von der Bühne werfend den sicheren Frontaffen zu machen. Ich finde die Mischung aus Spaß, Sarkasmus und anspruchsvollem Death Metal in der Metalszene jedenfalls einzigartig; Vergleiche sind unmöglich, da die Jungs einfach längst eine ganz eigene Hausnummer geworden sind. JACK SLATER waren es auch, die per Megaphon an ihrem Shirtstand die ganzen Fuck-Tage über morbide, teils augenzwinkernd dämliche Späße übers Gelände schallen ließen, so dass manchem gar so hart Gesottenen ein herzhaftes Lachen entwich.

Die griechischen HOMO IRATUS kannte ich bis dato nur von ihrem sechs Jahre alten Tape "Absence Of Progress", das mich schon damals zu überschwänglicher Euphorie trieb. Um so positiver, dass die sympathischen Südländer nach wie vor brutalen Death Metal mit sattem Groove verbinden, der sowohl in Arme, Beine als auch Nackenmuskeln geht und mit etwas Promotion zum nächsten Underground-Höhenflug in der Metalszene ansetzen könnte.

Nachdem ich ALTAR bierdurstbedingt leider verpasste, war ich dennoch bei den Spaniern von WORMED wieder zugegen, die einmal mehr brutalen Death Grind ablieferten, aber in Sachen Performance noch etwas unsicher erschienen. Die Spanier konnte man in den folgenden Tage immer wieder in der Menge auf Tuchfühlung mit den Fans erleben, so zeigten sie sich im Gespräch sehr sympathisch und wussten so einiges aus der sonst eher unbekannten spanischen Metalszene zu berichten. Nette Jungs.

Das Festivalhighlight in diesem Jahr waren neben NASUM definitiv SKITSYSTEM, die bezeichnenderweise ebenso wie NASUM eben keinen Death Metal spielen, worauf dieses Jahr der Fokus bei der Bandauswahl lag. Im vergangenen Jahr war es zuviel Grind, dieses Jahr eben leider zuviel brutaler US-Style Death Metal. Folgerichtig war das Fuck dieses Jahr ja auch als Death Metal Open Air angekündigt worden, wobei diese Bezeichnung eigentlich falsch ist. Ist nur brutaler Death Metal auch Death Metal? Was ist mit den Heerscharen an melodischen Death-Metal-Bands, von denen keine eingeladen wurde? Kein bisschen erfrischender Thrash, sieht man mal von DESTRUCTION ab, kein Black Metal wie wenigstens ab und zu in der Vergangenheit, nein. Meist gab es nur brutalen Death Metal oder eben Grind zu hören und zu sehen, mit Ausnahmen wie SKITSYSTEM und NASUM, die schon aufgrund der willkommenen Andersartigkeit als Highlights aufblitzten. SKITSYSTEM legten ein derartiges HC-Crust-Blitzgewitter an Aggressionen hin, dass im Circle Pit vor der Bühne ernsthafte Verletzungen befürchtet werden konnten. SKITSYSTEM grunzten, kreischten und brüllten sich die Seelen aus den tätowierten Leibern, so dass mir ein wohliger Schauer nach dem anderen über den Rücken lief. Weltklasse! Egal ob man die Songs der Singles, der hammerfetten Alben "Gra Värld / Svarta Tankar" oder "Enkel Resa Till Rännstenen" ins Volk prügelte: Gute Stimmung war stets garantiert, so dass die Schweden-Crusties, stilecht mit verklebt verlotterten Dreadlocks ausgestattet, allein die weite Reise nach Luckau wert waren, auch bei allem Mist, der die Tage danach folgte. SKITSYSTEM sind die vertonte Gewalt schlechthin! Wow!

Nachdem Europa von der Fuck-Bühne verschwunden war, sollte die Bühne mit GORATORY, BRODEQUIN und INCANTATION nun in amerikanischer Death-Metal-Hand liegen. GORATORY, mir bis dato völlig unbekannt, spielten als drittletzte Band des Abends, obgleich ich mich frage, warum?! Hatten wir heute nicht schon bekanntere Bands viel früher auf der Liste stehen? Hab ich da was verpasst? Technisch auf alle Fälle interessant, verspielt und gekonnt, mit dem ein oder anderen erfrischenden Break, holzten die Amis niveauvollen, aber nicht gerade außergewöhnlichen Brutal Death Metal herunter, der dennoch gebührend gewürdigt wurde.
Wo bei GORATORY die Songstrukturen noch als solche erkennbar waren, ließen die angeblichen Kult-Deather von BRODEQUIN selbiges völlig vermissen. Das Schlagzeug, brutal laut in den Vordergrund gemischt und mit einer hellen Snaredrum versehen, die einem nach zwei Minuten bereits ein Schädel-Hirntrauma verursachte, kloppte derart besinnungslos stupide wie eine Nähmaschine immerfort gerade durch, dass mir mehr nach Kotzen als nach Bangen zumute war. Vom Bass war außer Brummen nichts zu vernehmen, die Gitarre war ein einziger, überschallartiger Brei aus Nichts und Kollege Sänger ging mir zum einen wegen seiner typisch amerikanischen Hochnäsigkeit, vor allem aber aufgrund seines sagenhaft schlechten, unglaublich eintönigen Grundbrummens dermaßen auf die Eier - einfach unglaublich schlecht! Da hat ein Staubsauger mehr Höhen, Tiefen und Abwechslung drin!
Weil man Scheiße nicht höher stapeln kann, durften INCANTATION dann zum Abschluss des Abends meine Stimmung völlig versauen. Nichts von Kultstatus, Fannähe, Spielwitz. Einfach sinnloses, aber technisch anspruchsvolles Geballer ohne Sinn und Zweck. Mögt ihr auch schießen wie ihr wollt, den Feind getroffen habt ihr nicht. Lausig ohne Ende und scheiße noch dazu, da waren mir die unbekannten GORATORY noch am liebsten, weil wenigstens ein leises Aufkeimen von Abwechslung zu vernehmen war. Ich scheiße ab heute auf alle angeblichen Kult-Statusdinger wie auf die von BRODEQUIN oder INCANTATION. Scheiße bleibt Scheiße und GORATORY haben heute den zweifelhaften amerikanischen Sieg, aber nicht den Endsieg, nach Hause getragen.

Ziemlich angepisst vom Vortag spielte auch das Wetter bei meiner schlechten Stimmung gebührend mit, so dass ich mich glatt über mich selbst wunderte, warum auch immer die dänischen IODINE meiner Stimmung wieder zuträglicher waren. Vielleicht, weil die Jungs einfach ehrliche Häute sind, "nur" das spielen, was sie können, nämlich groovenden Death Metal, Zurückhaltung üben und nicht die oberlässige Sau rausließen. Gut, die ein oder andere Unsicherheit hier und da, eine Schwankung und ein Fehlerchen mögen verziehen sein, für die erste Band des Freitags aber dennoch kein schlechter Fang. Immerhin blieben mir IODINE besser im Bewusstsein als die holländischen PLEURISY, von deren Auftritt ich trotz Anwesenheit und Nüchternheit einfach kein einziges Bild mehr vor dem geistigen Auge habe. Wie ausgelöscht. Dann kann’s nur Death Metal gewesen sein, oder? Auch VISCERAL BLEEDING zockten Death Metal. Punkt. Nicht mehr.

Der Regen kam, es wurde kälter, die Leute vor der Bühne weniger, schließlich gab es den heftigsten Guss überhaupt, so dass vor der Bühne nichts mehr ging! Was tun? Langerhand verzögerte man den Ablauf gewaltig und baute alles Equipment von der Hauptbühne ab und auf der Zeltbühne wieder auf, um die deutschen Asi-HC-Cruster von ACCION MUTANTE spielen zu lassen, die einen sehr fetten und guten Eindruck hinterließen. Mit doppeltem Grunz- und Brüllgesang, vorgetragen von zwei beeindruckenden Frontsäuen mit noch beeindruckenderer Haar-oder-was-auch-immer-Dreadlock-Pracht kam trotz Wolkenbruch draußen beste Stimmung auf. Crust, HC, Punk, wie man es nennt: ACCION MUTANTE kam die Verlegung des Festivals auf die kleinere Zeltbühne nur gelegen. Die Nähe zum Publikum entwickelte sich zum unschlagbaren Pluspunkt für eine räudig geniale Show, die Lust auf die Scheiben der Jungs und viele weitere Konzerte machte.

Ärgerlicherweise verpasste ich im Anschluss IMMORTAL RITES, von denen man derzeit ja nur Gutes liest, sehr schade, aber Nahrungsaufnahme muss auch mal irgendwann sein. Die schwedischen GENERAL SURGERY jedenfalls habe wohl nicht nur ich lange Zeit für völlig verschollen geglaubt, um so erstaunlicher dass die Herren auf der Zeltbühne eine fette, blutige Aggro-Nummer hinlegte, die sich gewaschen hatte und die kürzlich veröffentlichte Split-Single mit FILTH ebenfalls nur Positives für die Zukunft verspricht. In Arztkittel gekleidet sahen die Jungs zwar eher aus wie die kleineren Brüder von mighty HAEMORRHAGE, waren aber nicht weniger blutig besudelt. Sänger Grant McWilliams wirkte während der ersten Songs überaus nervös, zitterte gar wie Espenlaub und hatte mehr als Mühe, sich die Ohrenstöpsel aus den ebenfalls blutverschmierten Hosentaschen zu ziehen. Sein harmonizerverfremdeter Gesang wirkte allerdings bisweilen etwas eigenartig, weniger Effekt wäre manchmal durchaus mehr gewesen. Auch die Gitarren zeigten sich eher verschwommen und undifferenziert, was aber den enthusiastischen Reaktionen des dankbaren Publikums keinen Abbruch tat. Ohnehin zeigte sich, dass die Stimmung, wohl aufgrund der winterlich-regnerischen Zustände draußen, bei Auftritten auf der Zeltbühne stets enthusiastischer waren, als vor der Hauptbühne.

Ein Höhepunkt und völlige Überraschung für mich waren sicherlich DISGORGE aus Mexiko, die bisher wohl eher dadurch auffielen, zu den geschmacklosesten Coverdesignern überhaupt zu zählen. Auf der Bühne jedoch gab es eine tiefschwarze Death-Grind-Harke, die US-amerikanische Gitarrenfinesse, schwarzmetallische Magie à la KRISIUN und typisch mittel-südamerikanischen Grind zu einer Melange verband, der sich niemand entziehen konnte. Misst man die Kopfumdrehungen der drei eher schmächtigen Mexikaner in Metern, so haben die Jungs auf der Fuck-Bühne einen wahren Marathon hingelegt, den keine andere Band auch nur annährend zu übertreffen wusste. Ohne Pause Headbanging in extremster Form! Grandioses Spektakel einer perfekt eingespielten Band, die das Publikum sicher und geradezu magisch im Griff hatte. Überwältigend!

Nachdem der Regen den Bangern auf dem weitläufigen Gelände eine kurze Pause gewährte, entschloss man sich leider wieder alles auf die Hauptbühne zu verlegen, was wiederum eine Stunde Verzug bedeutete. Der Zeitplan war ohnehin völlig aus den Fugen geraten, so dass man fast von Glück reden kann, dass die Tschechen NEGLIENT COLATERAL COLLAPSE kurzfristig und unangekündigt einfach von Freitag nachmittag auf Samstag verlegt worden waren, sonst wäre es bis zum Headliner NASUM wohl Morgengrauen geworden!

Zunächst aber standen BENEDICTION, als neuntes Weltwunder angekündigt, auf der Hauptbühne. Warum Weltwunder? Nachdem die Briten bereits die letzten zwei Fucks kurzfristig absagten, war man dieses Mal wohl eher vorsichtig, sich mit diesem wahrhaft großen Namen abermals ankündigungstechnisch in die Nesseln zu setzen. Aber BENEDICTION kamen, sahen, siegten aber nicht wirklich. Was ist auch von dieser einstmals großen Band außer dem Gitarristenduo Rew / Brookes übrig geblieben? Nicht viel, außer großen, übermächtigen, und in dieser Formation nicht mehr glaubhaft spielbaren Songs von Götteralben wie "Subconscious Terror", "The Grand Leveller" oder der EP "Dark Is The Season", dessen Titeltrack wohl der langsamste Song auf dem Fuck überhaupt war, aber nicht weniger freudig aufgenommen wurde. Das Wort "überschwänglich" ist sicherlich fehl am Platze, konnten die Briten doch die anfängliche Euphorie nicht über die gesamte Spielzeit retten, so dass der Auftritt gegen Ende immer mehr verflachte, obwohl der Sänger stets sympathisch bemüht war das Publikum bei Laune zu halten. Schade, aber gewiss nicht schlecht.

DIVINE EMPIRE überraschten mich im Anschluss trotz der diesjährigen Brutal-Death-Metal-Ausrichtung des Fucks dennoch positiv, wussten sie doch die Fans ordentlich grimmig anzustacheln und zur Bewegung zu animieren. Stichwort Bewegung: Keine Band des diesjährigen Fucks schaffte es auch nur annährend ähnliche Bewegungen im Publikum zu erzeugen, wie bei den vergangenen Fucks schon bei manch früh spielender Band, was als weiteres Indiz für die Witterung, aber auch für die nicht gerade herausragende Besetzung des Festivals sprach. Dennoch spielten DIVINE EMPIRE ihre erste Show in Europa absolut hochklassig, perfekt und überaus tight. Der Dreier machte Druck ohne Ende, die Wechselbrüllerei machte gewaltigen Eindruck und die vorgestellten Songs des bald erscheinenden neuen Albums machten riesig Laune. Das nächste Album wird ein Killer, vorausgesetzt man schafft es, derart positive Vibes wie die beim Fuck auf auch Platte zu bringen. Hut ab!

Dass NASUM mittlerweile Kult sind, bestreitet niemand, was schon daran deutlich wird, dass sich selbst zu spätester Stunde - die Uhr hatte drei morgens übersprungen - noch so viele Überschall- und Grindfanatiker vor der Bühne einfanden. NASUM haben den Grindcore auf seltsame Art und Weise neu erfunden und auf ein neues, angesichts der Geschwindigkeit und Intensität kaum noch spielbares Niveau gehoben. Die Schweden rund um Miezko, gutgekleideter Frontmann und gefragter Produzent, spielten, als wäre es ihre letzte Show, noch dazu völlig apathisch, psychisch durchgeknallt und bei aller Herumalberei derart präzise, dass wohl so mancher Musiker im Publikum des Nachts am liebsten sein Instrument hätte verbrennen wollen. Hinweg über alle drei Alben "Human 2.0", "Inhale / Exhale" und "Helvete" entfachte man einen Feuersturm der Urgewalt, der nur offene Münder zurückließ. Unsere Kinder werden sicherlich einmal ehrfurchtsvoll lauschen und uns bewundern, wenn wir einmal von Kultauftritten wie diesen erzählen. "Echt, du hast die damals gesehen?!" So oder so ähnlich jedenfalls.
Was im Übrigen in Kollege Basser gefahren war, kann man kaum beschreiben, er spuckte und rotzte unentwegt wie ein Kamel! Zu Beginn immer schön runter in den Fotograben, so dass meine Stiefel und die Jacke so manchen Rotz abbekamen. Ich hoffe, ich kann mich nachträglich noch gegen Tollwut impfen lassen?! Der Sabber lief im unentwegt in den Bart; die Augen weit aufgerissen versprühte er soviel Wahnsinn wie kein anderer Musiker es auf dem Fuck vermochte. Unglaubliche Leistung einer unglaublichen Band, die wie verlorene Söhne empfangen wurden!

Der Samstag begann zunächst wieder einmal mit Death Metal. SEEDS OF SORROW aus Österreich versprühten dabei weitaus mehr Klasse als auf ihrem kürzlich veröffentlichten Silberling "Immortal Junkies". Junkies? Der Sänger wies nicht nur einmal darauf hin, dass er Geld habe und ihm Drogen sehr willkommen seien, ähem. Guter Start in den Tag.

Dass die deutschen MEATKNIFE einen gehörig kranken Humor bzw. einen an der Waffel haben, dürfte bereits im Vorfeld so manchem aufgefallen sein. Auf der Bühne dann fieses Porno-Grunz-Grindgekloppe mit wechselnden Vocals. Vor allem der 150 Kilobrocken am Gesang rülpste so einiges weg, hätte aber in seinem unappetitlich bedruckten Shirt und der nicht zu verachtenden Speckwampe nicht ehrlicher und schmutziger für diese Art Musik rüberkommen können. Grind ohne besondere Auffälligkeiten, akzeptabel aber nicht herausragend.

NEGLIENT COLATERAL COLLAPSE sollten also den ausgefallenen Gig vom Vortag nachholen. Hätten mich meine tschechischen Kumpels nicht darauf hingewiesen, hätte ich das gar nicht gecheckt, denn wie so typisch für dieses Jahr wusste eigentlich niemand auf dem Gelände, wann wer wo und ob überhaupt spielt. Ebenso wurde kein Wort darüber verloren, warum eigentlich Bands wie BIRDFLESH oder ABSCESS, auf die sich so mancher freute, nicht beim Fuck spielten. Na ja, ich will gewiss nicht über die Veranstalter abkotzen, um Gottes Willen, ich denke die Crew versuchte aus den ungünstigen Umständen wirklich das Beste herauszuholen und arbeitete hart. Derart rotieren sehen habe ich die Jungs im örtlichen Festivalbüro die letzten Jahre jedenfalls nicht. Trotzdem fand man auch hier stets ein offenes Ohr und wurde selbst im größten Trubel noch mit einem Lächeln empfangen, danke! Professioneller Ruhepol war im Übrigen einmal mehr Deutschlands beste Festival Security bzw. Ordner Crew. Die Jungs im Graben, am Einlass etc. sind einfach Weltklasse: ruhig, freundlich, gelassen, aber bestimmt. Da konnte echt nix passieren, ebenfalls danke!
Zurück zu den Tschechengrindern: Sieht man mal davon ab, dass Kollege Gitarrist dringend ne Kleidungsstil- bzw. Farbberatung nötig hätte und sich angesichts der unkontrolliert geil psychotischen Bewegungen und Sprünge mal auf einen Riss in der Schüssel untersuchen lassen sollte, war´s gutklassig, aber nichts Außergewöhnliches.

Die Holländer PYEMIA kamen, wie sollte es anders sein, mit technischem Death Metal daher, der zwar schön, gut und bla bla war, aber am vierten Festivaltag immer noch dieselbe Art von Death Metal beinahe ohne Abwechslung ertragen zu müssen, zehrt einfach an Lust und Laune, was überhaupt nicht an den Holländern lag, sondern am Billing selbst.

Deren Landsmänner von CLITEATER legten sich mit ihrer Art Death Grind ebenfalls ordentlich ins Zeug, aber angesichts der nachmittäglichen Zeit, Kälte und Dauer des Festivals haben die paar Dutzend Bangenden auch nicht gerade das Feuer geschürt. Gut gefallen hat mir auf alle Fälle der Sänger, immer schön publikumsnah, stimmlich sehr eigen und brutal sowie optisch mit den übergroßen Ringen in den Nippeln auch nicht unspektakulär anzuschauen.

So ganz und gar nicht schwedisch hauten die Schweden von SPAWN OF POSSESSION ihre amimäßige Death-Metal-Keule ins Rund, machten einen höchst aggressiven Affentanz, waren überdies gut und tight eingespielt, so dass eigentlich kaum Wünsche offen blieben. Ich freue mich jedenfalls, die Jungs in Kürze in Italien noch mal spielen zu sehen.

Nachdem die Schweizer REQUIEM akzeptabel an mir todesmetallisch vorbeiröchelten und die Portugiesen HOLOCAUSTO CANIBAL im Ärztekittel ihre technische Death-Metal-Keule an den Mann zu bringen versuchten, zeichnete sich nachgehend wenig Positives ab. Vier amerikanische Bands am Schluss des Festivals. Die besten Plätze für die Bessermenschen (?) von Übersee also, aha. Warum Amibands immer am Schluss spielen müssen, hat sich mir noch nicht so ganz erschlossen, so waren LITURGY nichts anderes als BRODEQUIN mit zusätzlichem Sänger, also eine ebensolch unspektakuläre Mogelpackung mit genauso langweiliger Highspeedbretterei wie schon BRODEQUIN. Braucht kein Schwein.
Währendessen waren die wirklichen Helden des Fucks auf dem Zeltplatz bzw. auf der zuführenden Straße anzutreffen. Vor zeitweise mehreren hundert Leuten (!!!), und damit mehr, als gerade vor der Bühne standen, tobten sich drei Jungs an Gesang, Gitarre plus 5-Watt-Verstärker und Miniaturschlagzeug an Metalklassikern aus und ließen mitten auf der Straße ein Feuerwerk der guten Laune ab, die sowohl Pogo, Banging und Crowdsurfen auslöste, wohlgemerkt in einem unglaublichen Pulk von bestens gelaunten, strahlenden Metalheads, die sich allesamt vor Lachen und Freude kaum halten konnten. Das ist wahrer Underground und Kommerzfick, haha.

PROPHECY überraschten mich dennoch sehr positiv. Der Sänger, eigentlich mehr der kleine Kampfzwerg und Hänfterling, brachte die Menge richtig fett zum Kochen, vor der Bühne tobte ein brutaler Mob in einem gigantischen Circle Pit und übelster Pogo-Schlacht! Immer nen coolen Spruch auf den Lippen heizten er seine Hintermannschaft und die gierige Meute vor der Bühne ordentlich an, so dass es satten US Death Metal, technisch sauber und mit Groove und Finesse zu hören gab, der aufhorchen ließ. Auch wenn mir das optische Bild des Fünftklässlers nicht aus den Augen will, macht aber nichts.

Der Regen zwang alle Beteiligten einmal mehr zurück auf die Zeltbühne, logischerweise dauerte alles wieder eine kleine Ewigkeit, bis dann endlich MASTER auf die Bühne konnten, die ja eigentlich nur noch Paul Speckmann plus X sind. Dieses Mal hatte der wie immer gut brüllende Basser Paul nur einen Gitarristen und abermals einen neuen Drummer im Gepäck, die sich redlich Mühe gaben, alten Gassenhauern von Scheiben wie "On The 7th Day God Created Master" oder "Collection Of Souls" Leben einzuhauchen, was auch mehr als akzeptabel gelang. Ebenso lang wie Paules Bart erschien mir allerdings auch die Setlist, so dass sich nicht nur bei mir nach einer Weile dann auch Langeweile einstellte. Die coole, räudige Oldschool-Nummer haben MASTER ja drauf, aber dieser Witz wird auch recht schnell zäh und langweilig.

Zum krönenden Abschluss hatten wir die Ehre nach sieben Jahren Abstinenz OBITUARY auf einer deutschen Bühne wieder begrüßen zu dürfen. Das Comeback sollte ein furioses Feuerwerk geben, wobei man vom Debüt "Slowly We Rot" und Zweitling "Cause Of Death" angefangen, über das wohl beste Werk "The End Complete" bis hin zu "World Demise"-Krachern etc. etc. die wirklich heftigste Setlist vor dem Herrn überhaupt zusammen schweißte. Leider hatten die Jungs aus Florida mit immensen Soundproblemen zu kämpfen, die Herrn Peres dazu animierte, wie ein Rohrspatz über die Mischer herzuziehen und die unschuldigen Monitorboxen mit Tritten zu traktieren. Überhaupt waren die Jungs überaus aggressiv drauf. Trotz ausfallenden Boxen, ausfallender Gitarre, Mikroproblemen etc. spielte die Band förmlich um ihr Leben und brachte das gesamte verdammte Zelt bis in die hinterletzte Reihe derart zum Kochen, dass ich nach zwei Songs im Fotograben Reißaus nahm. Die herunterfallenden Crowdsurfer und Diver waren einfach verdammt gefährlich, die zahlenmäßig stark vergrößerte Crew im Bühnengraben leistete ebenfalls härteste Schwerstarbeit um die menschlichen Fluggeschosse irgendwie einzufangen. Nach einer kleinen Zugabe wollten OBITUARY allerdings nicht mehr, versprachen aber bald wiederzukommen und im Sommer ein neues Album im Gepäck zu haben, was mehr als nur Gutes verspricht, wenn man sieht, wie viel Leben die Jungs den alten Krachern einhauchen konnten und vor allem, wie genial einzigartig und brutal noch immer Johns Stimme klingt. Allen West an der Gitarre zuzusehen ist ebenso immer noch ein sympathisches Schauspiel für sich. Schön, das erlebt haben zu dürfen, ohne Scheiß!

Als die letzte Nacht später und später wurde, hielt sich wirklich noch ein kümmerlicher Rest im Zelt auf, der bereit war, die süddeutschen TOTENMOND mit ihrer Anwesenheit zu beglücken. TOTENMOND machte aber weder Spielzeit noch anwesende Menge überhaupt irgendwas aus, der Hatecore-Dreier zog einfach sein Ding durch - dunkel, morbide, aber immer noch mit einem Scherz auf den Lippen bzw. dem Schalk im Nacken. Fortwährende Rauchschwaden und schwindendes Licht umgaben das Schlachtfeld nur zu trefflich. Am Sound wurde nochmals ordentlich gedreht, so dass man mit Fug und Recht sagen kann, dass TOTENMOND die lauteste und dröhnendste Band auf dem Fuck waren. Den Schluss verpassend lag ich nach einigen Songs dann doch lieber im Zelt um für die weite Heimreise fit zu sein, kam aber zunächst null in den Schlaf, weil TOTENMOND unglaublich dröhnten, wenn nicht gar bis Polen, haha. So muss sich das anfühlen, unweit der Frontlinie den Schlaf im Schlachtengetümmel zu suchen. Eine fast schlaflose Nacht, die mit Ohrenstöpseln im Schlafsack gerettet werden konnte.

Mein Fazit bleibt dasselbe: Wenig Licht und viel Schatten! Vom einstigen antikommerziellen Ruf ist nicht viel geblieben, außer meist unbekannteren Bands an unverständlichen Billingpositionen und einer nervigen, amerikanischen Billingdominanz. Underground durch ein durchwachsenes Billing verkaufen zu wollen, halte ich für etwas arm. Für die kommenden Jahre muss mehr an Preisen, Bands und Abwechslung getan werden. Schätzungsweise 1000 Leute weniger als letztes Jahr bedeuten schon einiges oder nicht? Wenn das so weiter geht, hat man in zwei Jahren wieder die einstige Größe der ersten beiden Fucks erreicht und wir dürfen uns auf ein nettes Festival mit 400 Besuchern freuen, dann wird’s wenigstens wieder Underground und kann sich "Kommerz" schon gleich gar nicht mehr leisten. Vielleicht bekommt der Pizzamann ja dann Geld, weil er sich erbarmt, für die paar Hungrigen seine Pizza anzubieten? Man verzeihe mir meinen Sarkasmus, aber Ehrlichkeit muss einfach sein, allein um das Ding Fuck The Commerce vielleicht doch noch zu retten. Schleimerei macht nichts besser. Bis nächstes Jahr!? Alles Gute!

(Dirk Wettlaufer - met@llic.de/ Iron Pages)

Redakteur:
Henri Kramer

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