Fury Fest - Le Mans (F)
27.07.2005 | 16:2001.01.2000, Circuit des 24 Heures du Mans
Das musikalisch extremst Festival des Sommers: SLAYER meets DISSECTION meets IMMOLATION meets ENSLAVED...
Am Ende findet für das Fury Fest selbst die französische Lokalpresse vom Ort des Festivals keine rechten Worte mehr und verwechselt in ihrem Bericht MOTÖRHEAD und NAPALM DEATH. Es sind aber auch zu viele Bands, als dies ein armer Lokalreporter wirklich managen könnte. Für die Fans ist das verlängerte Drei-Tages-Wochenende mit rund 90 Bands dagegen eine Grenzerfahrung ganz anderer Art: Bangen bis auch der letzte Nackenmuskel kläglich um Erbarmen schreit, die Veranstalter müssen Masochisten sein...
Auch in finanzieller Hinsicht trauen sich die Macher des Fury Fests was: Schon im letzten Jahr schlugen 200 000 Euro Miese zu Buche. Dieses Jahr soll es nicht besser gewesen sein, wie ein französischer Metaljournalist weiß: Die Veranstalter hätten wohl ihr Sicherheitskonzept zu spät eingereicht, lange stand das Festival deswegen auf der Kippe, so dass nicht rechtzeitig Karten zum Preis von rund 100 Euro verkauft werden konnten. Am Ende kommen trotzdem rund 30 000 Leute, um den ”24-Stunden-Autoring” in Le Mans in Grund und Boden zu rocken. Das Wetter spielt auch mit, obwohl am Donnerstag vor dem Fest alles anders aussieht: Wie aus dem Nichts ballen sich Wolken zusammen und schicken etwa eine fulminante Stunde lang apokalyptischen Platzregen und Hagel hervor. Ansonsten bleibt der Sonnenschein aber strahlend, die drei großen Hallen, in denen die Konzerte stattfinden, heizen sich schnell auf. Zum ersten Mal zu beobachten bei LENG TCHE in der kleinen "Velvet-Stage"...
(Henri Kramer)
LENG TCHE aus Belgien dürften ja nun mittlerweile auch dem letzten wahren Grindcore-Fan ein Begriff sein. Da sie schon als zweite Band am Freitag an der Reihe sind, scheint es reichlich unklar, ob sich das frühe Aufstehen wohl lohnen wird. Auf jeden Fall! Schöner fetter und vor allem abwechslungsreicher Grindcore mit netten Groove–Passagen kracht über den Fans zusammen. Auch der neue Frontmann hinterlässt einen sehr soliden Eindruck. Zudem haben sich die Jungs mit ihren neuen Songs musikalisch durchaus weiterentwickelt – gerade die neueren Sachen stoßen auf gute Resonanz bei den Zuhörern. Wie für die neue LP "Process of Elimination" gilt für den Liveauftritt das Prädikat ”Sehr empfehlenswert!”.
(Sebastian Walkoviak)
Nach diesem ersten musikalischen Tritt in die Fresse ein kurzer Blick über das Gelände. Noch kurz bis vor Beginn des Fury Fests arbeiten die Leute hier an einem möglichst reibungslosen Aufbau. Wer will, kann zu dieser Zeit völlig unbehelligt von Security-Posten über das Gelände peilen – niemand interessiert sich dafür. Alle Streckenposten scheinen zu dieser Zeit vor dem eigentlichen Festivaleingang zu stehen, wo sich schon eine Meute aus Fans gesammelt hat – alle kommen vom etwa 300 Meter entfernten Campingplatz in zeltunfreundlicher Hanglage. Ein paar von ihnen sind schon jetzt durch Alkohol und andere Drogen völlig aufgeheizt. Ein Typ steigt auf das Dach eines Kassiererhäuschens, animiert die Fans zu undifferenzierten Schreien. Dann lässt er seine Hosen herunter und springt in die Massen. Sauber. Bald darauf öffnen die Tore. Geländerundgang.
(Henri Kramer)
Alle drei Musiziertempel beim Fury Fest gehören zu einem Ausstellungsgelände in der Nähe des 24 Stunden-Autorings, in denen es an diesem Wochenende mal keine hochgezüchteten PS-Monster zu bestaunen gibt. Die kurzen Entfernungen dazwischen laden dementsprechend zum gemütlichen Pendeln ein, falls man seinen Musikhorizont mit Unbekanntem erweitern möchte - führen aber auch zu einem mächtigen Stau nach jedem Haupt-Act des Tages. Für klimatisierte Messeveranstaltungen konzipiert, gelangen die Lüftungsanlagen an diesem warmen Juniwochenende auch recht schnell an die Grenze der Belastbarkeit und lassen die Schar der geneigten Zuschauer öfters in einer Wolke aus Schweiß, Alkohol- und Rauchwarendunst stehen. Wer will, kann ja rausgehen…
(Thomas Fritzsch)
Doch lieber rein, in Richtung Forum-Bühne, die mehreren tausend Leuten Platz bietet. Mit ihrer runden Form und dem riesigen, geschwungenen Dach wirkt sie auf den ersten Blick durchaus sympathisch. Leider ist die Akustik das reinste Grauen. Von den großflächigen Wänden hallen wirre Echos herab und machen es verdammt schwer zu identifizieren, was die Band auf der Bühne denn nun tatsächlich fabriziert. So etwa BEECHER. Sie versprühen den vagen Eindruck, dass sie gar nicht so übel sein dürften. Optisch kommt bei den Manchesteranern besonders der Sänger sehr agil rüber. Aggressiver, etwas vertrackt wirkender Krach lullt ein – nur leider verschwinden die musikalischen Details in dem widerhallenden Lärm. Zur Belohnung für das Durchhaltevermögen der Fans wachsen beim letzten Song plötzlich richtig schicke Weltuntergangsgitarrenleads aus dem Soundbrei hervor. Na immerhin. Der nächste Weg führt zur Hauptbühne, die nicht wesentlich größer als die Forumbühne ist, optisch langweiliger wirkt und weniger atmosphärisch erscheint, da sie niedriger und dadurch schlechter einzusehen ist. Dafür hat sie aber gewisse Vorteile in Sachen Sound. Die Combo, die da gerade zockt, soll laut Plan AFTER FOREVER sein, manch einer im Publikum ist auch fest überzeugt davon, hehe. Allerdings wäre es verwunderlich, wenn die Holländer tatsächlich ihrer hübschen Frontfrau den Laufpass gegeben haben sollten, um fortan mit einem langbezopften, bellenden Sänger die Gefilde des Metalcore zu erobern. Nach reichlicher Umfragerei sagt schließlich der Tontechniker, dass es sich hier um die einheimischen THE ARRS handelt. Nun ja, sind ganz okay, haben ordentlich Dampf in den Kesseln, die Mucke ist hüpftauglich, aber nicht sonderlich originell.
Danach ist Neugierde angesagt: Die wohl fast völlig unbekannten UNCOMMONMENFROMMARS kommen. Aber schon nach wenigen Sekunden ist klar, dass die Band weit weniger interessant ist als ihr Name. Nix freakiges, abgedrehtes, einfach nur flotter 0815-Punk mit Kinderlied-Tralala. Völlig belanglos. Und die Typen haben nicht mal ansatzweise Ähnlichkeit mit Marsmännchen. Keine Verwendungsmöglichkeit für Freaks.
(Sabine Schönfelder)
Fast zeitgleich spielen SIKHT Metalcore. Die beiden Sänger können sich dabei nicht durchringen, auch einmal mit unterschiedlichen Stimmen zu singen. Trotzdem geht die Musik gut ab, denn die Melodien sind schön und nachvollziehbar, sich in Richtung LINKIN PARK orientierend. Wer aber nun gerade SIKHT in dem expandierenden Metalcore-Markt freiwillig dauerhaft in seinen CD-Player legt, weiß zwar nur ein Plattenlabelboss, aber für eine nette Zwischen-Ohr-Mahlzeit sind die Engländer allemal gut. Nun die Ami-Punk-Hardrocker von AMEN: Der Albtraum für jede Sicherheitscrew vor der Bühne, springt doch der übergewichtige und leicht vermufft aussehende Bandleader Casey Chaos während des Gigs einfach in den Fotograben und von dort in Richtung Fans. Der Rest des Gigs ist netter Rock-Punk, versehen mit leichtem Schweden-Sound. Der wird vor einem riesigen Amerika-Banner zelebriert, das in der Mitte ein Pentagramm trägt. Die Frage, ob AMEN George W. Bush als Präsident gut finden, erübrigt sich dadurch... Ja, die politische Stoßrichtung bei diesem Festival ist klar, links schlägt das Herz.
(Henri Kramer)
Rüber zur Forum-Stage: In klassischer Vier-Mann-Besetzung geben die Belgier von ARKANGEL dort ihren Thrash-beeinflussten Hardcore zum Besten, welcher am ehesten vom kahlköpfigen, basecap-bewehrten Sänger optisch umgesetzt wird. Seine hohe, raue Stimme erinnert aber schon fast an schwarzmetallische Kunst. Die Musik wirkt trotz guter klarer Basslinien und eingestreuten Melodieparts der Gitarre im Wechsel mit hardcoretypischen Stampfrhythmus wenig einprägsam, wird aber von vielen hüpfend abgefeiert.
(Thomas Fritzsch)
Zwischenstand: Vor allem der erste Festivaltag ist geprägt von zahlreichen Verschiebungen und Absagen. Dies betrifft insbesondere die kleine Velvet-Stage. Anhand einer Notiz an der Hallentür erfahren die Fans die aktuellen Spielzeiten. Cool, CULT OF LUNA spielen doch nicht parallel zu MY DYING BRIDE! Da kaum jemand den unauffälligen Zettel gesehen zu haben scheint, ist es zunächst ziemlich leer, als JESU auf die Bühne gehen. Eindringliche Feedbackorgien verzieren die zentnerschwer heranwalzenden Songs, dazwischen dezenter, nahezu zarter Gesang. In seiner massiven, konsequenten Monotonie erinnert das Ganze in etwa an NEUROSIS, erreicht aber nur stellenweise deren Magie. Viel zu beobachten gibt es auf der Bühne nicht, also genügt es, sich gemütlich in eine Ecke zu setzen und in den atmosphärischen Schrägklängen zu schwelgen.
(Sabine Schönfelder)
Anders auf der Forum-Stage: WALLS OF JERICHO betreten dort pünktlich 17.25 Uhr die Bühne. Gespielt wird Metalcore, und wer hier wie üblich einen Mann am Mikro erwartet, der hat sich getäuscht. Hier trällert eine mit Piercings und Tattoos völlig zugehackte Frau. Die Stimme ist freilich etwas gewöhnungsbedürftig und auf die Dauer wohl auch etwas anstrengend - man könnte sie als ”extravagant” bezeichnen... das Schlagzeug und die Zupfinstrumente gehen jedenfalls mächtig ab, Power von Anfang bis Ende.
Nun zum Thema Legenden... SICK OF IT ALL , 15 Jahre Bandgeschichte und noch kein bisschen müde. Lou und seine Jungs spielen nach wie vor den Saal in Grund und Boden. So auch wieder an diesem sonnigen Freitag in der großen Halle am ’24 h Circuit du Mans’. Agil wie eh und je fegt die Band geschlossen über die Bühne. Leute, haltet eure Basecaps fest, die fegts vom Kopf bei dem hammergeilen Sound, der hier gespielt wird.
(Bianca Schneider)
Naja. Anderswo gehen Fragespiele los. Wer ist das? Sie sind tight, sie sind, wie die vielen weiblichen Fans in der ersten Reihe zeigen, auch recht schnuckelig - und sie rocken wie die großen Symphoniker der Hölle. Antwort: ANOREXIA NERVOSA. Die Franzosen nehmen ihre Heimat im Sturm. Besonders der dünne Sänger Mr. Hreidmarr steht im Mittelpunkt der Fanaugen: Wie entfesselt springt er über die Bühne, gibt sich stampfend den Takt vor für seinen Kreischgesang. Die Band ist samt und sonders dezent geschminkt, die Blässe steht ihnen gut. Dazu kommt die Musik, dieser wahnsinnig schnelle und pompös inszenierte Keyboard-Black-Metal, dessen Synthie-Melodien und Choralgesänge besonders laut zu Wahnsinnshymnen wie ‘Sister September’ erklingen. Das Publikum geht ab, feiert. Ganz anders muss es früher gewesen sein. Ein Fan erzählt, dass ANOREXIA NERVOSA wegen ihres Gothic-Styles zum Teil schon von Die-Hard-Black-Metal-Fans von der Bühne verjagt wurden. Doch beim Fury Fest feiern sie einen Triumphzug, der Frontkreischer Hreidmarr noch drei Tage später trunken-glückselig schwärmen lässt, wie geil der Gig war. Recht hat der Knabe - und bald überfallen ANOREXIA NERVOSA endlich Deutschland auf einer langen Tour... Durst!
(Henri Kramer)
Auch wenn Frankreich ein Vorreiter der gemeinsamen europäischen Währung ist, verlässt man sich an diesem Wochenende auf das bewährte Bon-System. Wenigstens reicht damit einmal Anstehen am Tag - beim Bonerwerb. Ein Bon - ein Euro, zwei Bons - ein Bier mit magerem 0,33l-Inhalt. Wie gewonnen, so zerronnen, wenigstens besteht nicht die Gefahr, einen schalen Schluck in den Hals zu schütten.
(Thomas Fritzsch)
In der Zeit, in der 999 schon aufrechten Punk produzierten, waren die meisten Festivalgänger noch ”Quark im Schaufenster”. Alter schützt vor Wahnsinn nicht und so zocken 999 auch 2005 die Velvet-Stage ordentlich durch. Die Punk-”Opas” brauchen wohl keine Medizin - nur ihren Punk mit einer ordentlichen Portion Küstenrock vermischt und schon sind die morschen Knochen vergessen: Und dann springen sie wie junge Beach-Boys über die Bühne...
(Markus Mirschel)
Gleich darauf folgt eine Erkenntnis: Mike Patton hat einen gewaltigen Schuss, das zeigt er mit seiner FANTOMAS-Show ganz deutlich. Eine Riesenschlagzeugburg ist quer zum Bühnenrand aufgebaut, gegenüber steht der Meister an einem Keyboard und einem Mischpultregler, um von dort aus live ein paar Klang-Experimente durchzuführen, die von einem Gitarristen der am selben Abend spielenden MELVINS unterstützt werden. Zwischendurch singt Patton mit seiner seit seligen FAITH NO MORE-Zeiten immer noch genialen Stimme - er atmet laut ins Mikro, er quiekt, er schreit, er singt, alles auf einmal. Das Drumherum entstehende Sound-Chaos ist eine Mischung aus Oper, Rock, Groove und Noise, immer ohne Rhythmus. Buschtrommeln sind zu hören, am Ende sogar ein Kuckucksuhrengeläut. Die Menge feiert, viele verlassen aber auch die Main-Stage. Egal, wer auf durchweg experimentale Klänge abfährt, der erlebt beim Fury Fest mit FANTOMAS sein Evangelium. Amen.
(Henri Kramer)
Ja, ich! (GFZ)
Später dann sehnsüchtiges Warten auf CULT OF LUNA. Nachdem man sich die Füße ein Weilchen platt gestanden hat, kommt die Ansage, die Band wäre nicht vor Ort und würde heute nicht mehr spielen. Enttäuschung macht sich breit, gepaart mit einer vagen Hoffnung auf einen morgigen Auftritt der kultigen Mond-Schweden.
(Sabine Schönfelder)
Tags darauf die Aufklärung: CULT OF LUNA spielten doch. Und niemand wusste es. Die Veranstalter hatten laut Aussage der Band die Musiker auf dem Pariser Flughafen vergessen. So mussten sie sich von Paris aus ein Taxi für 700 Euro nehmen. Auch andere Bands berichteten von solchen Aktionen, alleine über die teureren Anfahrtskosten müssen die Veranstalter ordentlich viel Kohle verloren haben. Zurück zu den Klängen.
(Henri Kramer)
Balalaikamusik als Intro? LACUNA COIL? Ja, denn die Forum-Stage ist voll und Sprechchöre fordern Christina & Co. auf die Bühne. Als hätten sie nur auf diese Aufforderung gewartet, stürmen LACUNA COIL in die Scheinwerfer, umringt von Melodien der beiden letzten Alben ”Comalies” und ”Unleashed Memories” wirkt alles rockiger als in den letzen Jahren. LACUNA COIL haben ihre Liveperformance nicht revolutioniert, aber mit der Ruhe ist es vorbei. Christina und Andrea schwingen die Köpfchen mit dem Publikum im Duett, denn bei Songs a la ‘When A Dead Man Walks’ oder ‘Swamped’ fühlt man sich eingeladen. Mit zwei neuen Songs wollen LACUNA COIL das neue Album schmackhaft machen, welches im Herbst erscheinen soll. Wenn sie es schaffen, die Livepower nach französischer Art auf diese Scheibe zu kopieren, ist die halbe Miete schon bezahlt.
(Markus Mirschel)
Nun geht es um Feindbilder: Wenn George W. Bush nicht wäre, Jello Biafra hätte gar nichts zu erzählen. Die in die Jahre gekommene Punkikone von den DEAD KENNEDYS singt heute für die ebenfalls legendären MELVINS und hat sich als Thema den amerikanischen Präsidenten herausgesucht. Er erklärt dem Publikum, warum er immer Druck machen muss gegen die Entscheidungen der Herrschenden, dass ihr Präsident Jacques Chirac auch nur am Irakkrieg nicht teilnahm, weil das Volk so dagegen war. Passend dazu trägt Biafra ein T-Shirt mit dem Spruch ”Demokratie, die wir bringen”, unter dem ein Flugzeug Bomben wirft. Der Irak bleibt Dauerthema, zwischen den langen Ansagen tönen Klassiker der MELVINS und DEAD KENNEDYS aus den Boxen, besonders ‘California über alles’ kommt richtig gut. Trotzdem, ein wenig altmodisch wirkt der Gig dennoch, obwohl Biafra trotz seines Alters immer noch agil und voller Energie über die Bühne sprintet. Das Publikum zumindest grölt und feiert, selbst in den nächsten Tagen laufen Unterhaltungen über den Gig auf ein Fazit raus: Richtig cool, die ollen Hits von damals einmal live zu hören...
(Henri Kramer)
Tja, welche Band würde die Lücke zwischen zwei Urgesteinen am besten füllen? MILLENCOLLIN jedenfalls nicht. Nach der manifestierten Political Correctness eines Jello Biafra wirkt ihr Gute-Laune-Fun-Punk einfach nur deplaziert, aber beim Fury Fest ist eben eine bunte Mischung angesagt. Tiefhängende Instrumente der Basecap tragenden Gitarristen, ein glatzköpfiger Sänger – MILLENCOLLIN sehen aus wie Schweden, sind aus Schweden und spielen Gitarrenpop wie viele schwedische Bands. Gemixt mit leichten Surf- oder Skate-Punk-Einflüssen und ständig dargebotenen dreistimmigen Refrains entsteht eine schunkelkompatible Partymucke für jede laue Sommernacht. Skater scheinen demzufolge auch die angesprochene Zielgruppe zu sein, denn nach denen wird sich mit der Ansage ”…any skaters here?” explizit erkundigt. Aber da MILLENCOLLIN eh der Meinung sind, sich auf einem Popfestival zu befinden, reicht die Zeit bis ANTHRAX auch noch gut für ein, zwei Bier außerhalb der Halle – Prost!
(Thomas Fritzsch)
Obwohl sie noch immer regelmäßig Alben veröffentlichen, haben MY DYING BRIDE sich auf dem Live-Sektor ziemlich rar gemacht, da man sich verstärkt privaten Dingen wie arbeiten gehen und Häuslein kaufen widmete. Umso erfreulicher ist es, sie heute endlich mal wieder auf der Bühne sehen zu können. Weil Drummer Shaun auf unbestimmte Zeit wegen einer Verletzung spielunfähig ist, hat man zur Aushilfe den blutjungen John von THE PROPHECY engagiert. Vor seinem ersten Gig ist er verständlicherweise extrem nervös, aber er schlägt sich wacker und die zwei-drei kleinen Patzer verzeiht man ihm gerne. Wie sich schon bei sämtlichen vorhergehenden Bands in dieser Halle feststellen ließ, sind die Soundverhältnisse hier alles andere als optimal. Dementsprechend sind meine Erwartungen runtergeschraubt - zu Recht. Dass dieser Auftritt dennoch zu einem wahren Fest für Genießer doomig-romantischer Klänge wird, liegt an der unerreichten Qualität und Einzigartigkeit dieser Band und der immer wieder fesselnden, charismatischen Performance vor allem von Sänger Aaron. Sonderlich gesprächig ist er auf der Bühne zwar nicht, aber es geht hier ja auch nicht um plattes Entertainment. Sondern um große Gefühle. Gleich zum Einstieg zaubern die sechs Briten dem Publikum mit dem Uralt-Juwel 'The Trash Of Naked Limbs’ eine Gänsehaut vom Feinsten auf den hitzegeplagten Leib. Anschließend kommt 'The Whore, The Cook And The Mother’ erstmalig zu Bühnenehren. Dann seliges Dahingleiten bei 'My Hope The Destroyer’. 'The Cry Of Mankind’ ist ohnehin so etwas wie ein Hit, wenn man dieses banale Wort bei einer Band wie MY DYING BRIDE überhaupt in den Mund nehmen darf. Mit seinen extremen Wechseln von beklemmender Ruhe und verstörendem Sturm ist 'She Is The Dark’ einer meiner persönlichen Faves. 'Catherine Blake’ und 'The Prize Of Beauty’ vom aktuellen Album perfektionieren die Setlist...
(Sabine Schönfelder)
Aaaaaaaaaaaah. Zum krönenden Abschluss beendet MY DYING BRIDE-Sänger Aaron den Tag mit einem Song für alle Bands, die vor seiner Göttercombo gespielt haben: ‘The Forever People’ ist ein Gedicht zur Nacht, eine Ode an diesen ersten, schon so genialen Festivaltag. Hörend fliegen, träumend... da können auch die eigentlichen Häuptlinge des Abends nix mehr dran ändern. Oder doch?
(Henri Kramer)
ANTHRAX geben in klassischem Line-Up sämtliche Knaller der früheren Alben zum Besten. Viel hat sich in den verstrichenen zwanzig Jahren nicht geändert, zumindest nicht an Joe Belladonnas Frisur. Den Reigen eröffnet nach obligatorischem Intro 'Among The Living’, und sofort kommt Bewegung in den Pulk vor der Bühne. Die Temperatur steigt in diesem Konglomerat aus schwitzenden Leibern, welche sich auf die musikalische Zeitreise in die achtziger Jahre begeben. Nahtlos wird mit 'Caught In A Mosh’, 'In The Madhouse’ und 'Medusa’ angeknüpft. Lediglich die Kollisionen mit inflationär auftretenden Crowdsurfern, welche 'Antisocial’ auch mal mit entblößtem Hinterteil recht wörtlich nehmen, bringen zurück in die harte Realität. Da wünscht man sich doch einen Red Bull, mit dem sich Joe Belladonna zwischen den Songs fit hält. Als dann bei 'Cry For The Indians’ zum Circle Pit aufgerufen wird, eskaliert das Geschehen - Schweißströme aller Länder vereinigt euch. 'I’m The Law’ - mit dieser Klarstellung verabschieden sich die Mosh-Veteranen, verneigen sich artig und entlassen die Fans zur Abkühlung in die Nacht oder an die Bar.
(Thomas Fritzsch)
Wow. Ein Tag, der schon einmal klarmacht: Kein Kindergeburtstag, das hier in Frankreich. Hicks...
(Henri Kramer)
- Redakteur:
- Henri Kramer