GAMMA RAY - Langen
30.03.2010 | 00:1822.03.2010, Neue Stadthalle
Auch ohne Henjo setzen GAMMA RAY ein Highlight in Langen.
Strange! Man steht nichtsahnend in Vorfreude auf den Headliner im Innenraum und bekommt solch elitäre Sprüche um die Ohren geballert wie den durch einen GAMMA RAY-Fan in Extase geschmetterten "Der Ramma Gay auf seinen Langen schielt, wenn GAMMA RAY in Langen spielt". Auweia.
Hansen und Co. sind seit eh und je ein Garant für metallische Kurzweil in Perfektion: Mucke, die durch ihr breit gefächertes Spektrum zeitlos ist. Beherzte Performances, für die die Hansestädter bekannt sind und auch geliebt werden. Und letzten Endes eine Fannähe, die ihresgleichen sucht. All das bescherte GAMMA RAY die Leaderposition im deutschen Power-Metal-Zirkus. Doch seit einiger Zeit scheint der GAMMA-Hype etwas abzuebben. Anders ist es für mich nicht zu erklären, dass die Halle in Langen wenn überhaupt nur halb voll ist. Ist ja mal ganz schön, auch in der ersten Reihe ein Konzi locker zu genießen, aber wirkliche Stimmung kommt so natürlich nicht auf. Okay, Langen war ein Nachholkonzert, das eigentlich für den Donnerstag der Vorwoche terminiert war und aufgrund von Henjos Augen-OP verschoben werden musste. Aber dass dem Ruf der Hamburger zum Stelldichein vier Tage später dann so wenige folgen ...?
Apropos Nachholgig: Der eigentliche Opener SECRET SPHERE musste aufgrund anderer Verpflichtungen die Segel streichen, und so macht man aus der Not eine Tugend und lässt den Co-Headliner FREEDOM CALL einfach doppelt so lang spielen. Man kann zu den Trällerilsen sagen, was man will. Sie machen ihr Ding - kitschig-schmalzige, am Reißbrett konstruierte Ohrwurmware von der Stange - ausgesprochen gut und mit viel Enthusiasmus. Heißt: Man muss diese Band nicht lieben. Man muss aber schon honorieren, dass FREEDOM CALL bereits seit über einer Dekade existieren und in dieser Zeit einige Alben rausgebracht haben, die ihre Hörerschaft durchaus verzücken konnten, zumindest hat es für mich in Langen den Anschein. Der Merchandise-Umsatz bei FREEDOM CALL ist gefühlsmäßig größer als beim Headliner. Seeeeeehr viele Metaller tragen deren Logo.
Die Setlist besteht an diesem Abend sowohl aus Klassikern ('Freedom Call', 'Hunting High And Low', 'Metal Invasion', 'Land Of Light') als auch neuen Schoten ('Hello Mr. Evil'). Dabei kommt Chris Bay häufig an seine Grenzen, umgeht seine nicht gerade stramme Sattelfestigkeit aber gekonnt. Die Band ist in Spiellaune, die mehrstimmigen Vocals sitzen einwandfrei, und die Menge honoriert den summa summarum lockeren Gig mit mächtigem Jubel und feiert die Band regelrecht ab. Mr. Bay steht am Ende ein dickes V ins Gesicht gemeißelt, und so trennen sich die Wege mit geteiltem Glück, auch wenn das nicht wirklich meine Welt ist.
Aber jetzt: GAMMA RAY kommen, sehen und siegen. Zumindest musikalisch wie auch optisch. Die maue Besucherkulisse sei mal ausklammert. Viele haben sich das Maul zerrissen über das Cover der neuen Scheibe "To The Metal": Airbrush-Scheiße, Kindergarten-Painting, was man nicht so alles lesen musste. Eines bleibt festzuhalten: Gerade durch diese Technik kann das Backdrop viele verschiedene Stimmungen erzeugen. Mal stehen die Mopeds im Vordergrund, und es sieht aus, als bretterten sie gleich von der Bühne. Mal hat es den Anschein, als stürzten sich die Dämonen gleich auf Dan Zimmermann. Die Lichteffekte machen es hier in Verbindung mit der Airbrush-Technik möglich, dass je nach Farbfacette einzelne Details des Covers im Vordergrund stehen. Das ist sehr geil gemacht und erinnert mich an MAIDEN-Großtaten der Achtziger, wenn auch in deutlich kleinerem Rahmen. Dazu kommt die grandiose Bandchoreographie. Derjenige, der soliert, postiert sich vorne in der Mitte. Der Rest verpisst sich auf die Podeste links und rechts neben dem Schlagzeug. Das macht was her, weil die Bühnengröße permanent ausgenutzt wird, und es ist zudem noch ziemlich professionell arrangiert. Nicht zu vergessen die Musik, die selbstredend erste Sahne ist. Zwar schon lange nicht mehr bahnbrechend, aber voller Herzblut von vier Ausnahmekönnern vorgetragen. Apropos vier: Für Henjo springt heute Abend ein Kerl namens Kasperi Heikkinen ein, der abgeht wie Schmidts Katze und nicht den geringsten Anlass zur Trauer aufgrund von Henjos Abwesenheit gibt. Sorry, Henjo.
Gerade die neuen Songs wie 'Empathy', 'Deadlands', 'To The Metal' und das grandiose 'No Need To Cry' funktionieren prächtig, die Klassiker der Marke 'Rebellion In Dreamland', 'Gardens Of The Sinner' und 'Send Me A Sign' triumphieren sowieso. Einen wirklichen Qualitätsunterschied macht man zwischen den alten und den neuen Songs nicht aus, und so kann man GAMMA RAY einmal mehr ihren Sonderstatus zugestehen, auch wenn sie das Rad nicht mehr neu erfinden und sich eigentlich selbst kopieren. Enttäuschend ist für mich nur das Fehlen des neuen Oberknallers 'Rise'. Scheiße, diese Doublebass-Ekstase hätte ich gerne live gehört.
Sei's drum: Auch mit fadem Beigeschmack, was die Stimmung betrifft, rocken GAMMA RAY frisch und fidel die Stadthalle Langen. Die Setlist ist astrein, der Sound glasklar und druckvoll. Die Band spielt sich den Arsch ab, und optisch ist die GAMMA RAY-Show ein Glanzlicht. Bleibt also festzuhalten, dass ich mir die hanseatische Spaßmaschine auch zukünftig gerne anschauen werde. Bis zum nächsten Mal!
- Redakteur:
- Alex Straka