GEOFF TATE, HEADLESS, MARK DALY: Das ganze Gedankenverbrechen live - Augsburg
02.04.2023 | 21:3628.03.2023, Spectrum
Ach, ist das schön: Livemusik, das Spectrum und Geoff Tate!
Langsam wird es wieder zu einer Gewohnheit, Konzerte zu besuchen. Trotzdem ist dies mein erstes im Jahr 2023 und es fühlt sich gut an. Zumal ich mal wieder in dem schönen Club Spectrum in Augsburg Musik genießen kann. Also nichts wie hin und als wir kurz nach halb acht eintreffen, hören wir schon laute Töne von innen.
Moment mal, das Konzert sollte doch erst um 20 Uhr beginnen! Nichts wie rein, denn da steht bereits Mark Daly auf der Bühne. Der irische Rockmusiker macht einen schnörkellosen Rock mit einem deutlichen Grunge-Einfluss und einem Schuss Rock 'n' Roll, zu einer Melange vermischt und mit Metal und einer Prise AEROSMITH abgeschmeckt. Dazu eine internationale Band aus zwei US-Amerikanern und einem Schotten, eine halbe Stunde Spielzeit und Spaß in den Backen. Dabei ist zu erwähnen, dass der Gitarrist James Brown heißt und natürlich gefragt wird, wie er sich fühlt. Okay, ein Sparwitz, aber wir sind ja auch zum Rocken hier. Mark und seine Truppe spielen den Raum durchaus warm und machen einen sehr guten Eindruck, auch wenn das Ganze musikalisch sicher nicht besonders originell ist. Zwischendrin kommt noch eine Coverversion namens 'Lydia' von der Band HIGHLY SUSPECT, die ich aber auch nicht kenne, so gesehen fügt sich das Lied gut ein. Nach sehr unterhaltsamen dreißig Minuten geht der Ire von der Bühne, nicht ohne den Fans noch die neue EP ans Herz zu legen, die ich mir gleich mal zulege. Auch wenn 15 Euro für eine EP mit vier Liedern recht teuer ist. Egal, es zählt die Qualität, nicht die Quantität, und die Band hat es sich verdient.
Setliste: Gotta Run; Crying Shame; Peace Of Mind; Addicted To The Throne; Lydia; Nothing To Lose; Don't Look Back
Es gibt heute aber noch eine weitere Vorgruppe. Die Kapelle nennt sich HEADLESS und ist mir ebenfalls unbekannt. Kollege Noah schaut nach und verkündet, da wäre ein Sänger dabei, der schon mal bei einem gewissen Yngwie Malmsteen gesungen hätte: Göran Edman. Oh, gut, denke ich, Göran hat eine Top-Stimme, auch wenn er zumeist nur bei Bands aus der zweiten Reihe am Mikrophon gestanden hat. Schon nach etwa fünfzehn Minuten Pause geht es los, aber leider ist der Sound jetzt schlechter und... nun, das Lied ist irgendwie mit gebremstem Schaum unterwegs. Göran ist aktiv, irgendwie wie aufgezogen, aber er scheint für den gesamten Rest mitrocken zu müssen, denn die übrigen Musiker wirken wenig motiviert. Das passt aber zu dem Opener 'Risin' Up'. Meine Güte, ist das langweilig. Mit dem folgenden 'Misdirection' kommt mehr Schwung in die Bude, aber richtig gut ist das auch nicht. Erst mit 'No Happy Ending' kommt ein mitsingbarer Refrain ins Spiel, das Lied aber ist auch mehrere Minuten zu lang. Und dass der vierte Song dann 'Langeweile' heißt, hilft auch nicht. Göran bemüht sich nach Kräften, das Publikum zu motivieren, aber selbst die guten Passagen gehen unter in einem Sumpf von mittelmäßigen Rocksongs. Dabei enthält 'Langeweile' starke Passagen, 'Woman In White' lässt so etwas wie Drive erahnen und die ELEGY-Coverversion 'Visual Vortex' nimmt mich dann zum ersten Mal wirklich mit. Das Aufregendste am Gig ist dann das brillante Riff des Rausschmeißers 'Melt The Ice Away'. Auch dieser Song ist zu lang, aber trotzdem, ein sehr cooles Riff. Ich bin froh, als der Auftritt vorbei ist. Das war leider nichts für mich. Für QUEENSRYCHE-Fans sei noch gesagt, dass auf dem 2013er Album "Melt The Ice Away" Scott Rockenfield an den Drums zu hören ist. Ich habe reingehört, er rettet das Scheibchen für mich aber auch nicht. Bleibt völlig langweilig bis auf wenige Momente.
Setliste: Risin' Up; Misdirection; No Happy Ending; Langeweile; Frame; Woman In White; Visual Vortex; Melt The Ice Away
Man fragt sich, warum Geoff Tate diese beiden Bands mit auf Tournee genommen hat. Das Rätsel löst sich, wenn man weiß, dass der Gitarrist James Brown, Bassist Jack Ross und Schlagzeuger Daniel Laverde nicht nur für Mark Daly spielen, sondern auch in Geoff Tates Band musizieren. Dazu kommt noch der schottische Leadgitarrist Kieran Robertson, der bereits bei TIL DEATH DO US PART, der Band von Geoffs Tochter Emily, spielte. Okay, aber was ist mit HEADLESS? Ja, die auch, nur eben nicht heute Abend, die HEADLESS-Gitarristen Dario Parente und Walter Cianciusi werden auf Geoff Tates Webseite ebenfalls als Bandmitglieder seiner Truppe geführt. Ist wohl eher eine Kumpeltour, auch wenn ich nicht weiß, wozu er mehrere mögliche Ersatzgitarristen benötigt.
Aber nach etwa dreißig Minuten Pause kommt dann der Headliner auf die Bühne und zwar in Form der Band, die bereits mit Mark Daly gespielt hat, plus besagtem Leadgitarristen Kieran Robertson. Vom ersten Moment an scheinen die Burschen Spaß zu haben, vor allem Kieran post und rockt das Haus! Wenn man nicht wüsste, dass hier heute Abend eine mehr oder weniger glorifizierte Coverband den Ausnahmesänger Geoff Tate unterstützt, man würde offenen Mundes dastehen und die Musiker für ihre Kunst abfeiern. So feiern wir sie eben dafür ab, dass sie das Album großartig auf die Bühne bringen und dabei mitreißend Spaß haben.
Natürlich richten sich nach den Intros alle Augen auf Tate, als er zu 'Revolution Calling' die Bühne betritt. Weiterhin mit kahlem Schädel, tätowiert, Lederjacke. Soweit alles wie zuletzt gewohnt, eventuell ein wenig fülliger geworden. Ja, warum sollte es dem Sangesmeister anders gehen als mir? Als Geoff dann zu singen beginnt, ist alles andere aber nebensächlich, denn er ist fantastisch bei Stimme! Jetzt fällt auf, wie gut auch die Musiker sind, denn nun beginnt eine gute Stunde purer Magie! Wir wissen alle, dass sich auf "Operation Mindcrime" ausschließlich unsterbliche Hits befinden, sodass klar ist, dass musikalisch eigentlich nicht viel anbrennen kann, denn der Abend steht unter dem Motto 35 Jahre "Operation Mindcrime". Aber man weiß ja nie, wie die Band ohne weitere Originalmusiker das Ganze auf die Bretter bringt, doch heute sind alle Zweifel unnötig. Ja, das ist absolute Spitzenklasse. Zumal die Band sich auch sonst nicht zurückhält, auch wenn natürlich Bandleader Tate immer Platz gemacht wird, aber ansonsten hat man fast den Eindruck einer echten, funktionierenden Band statt einer Unterstützungskapelle für eine der besten Stimmen im Metalbusiness.
Das Publikum geht ebenfalls voll mit. Erst nach 'Suite Sister Mary' gibt es die erste Pause und Geoff begrüßt das Publikum. Geoff wirkt sehr sympathisch, offen, nahbar. Nach all den Jahren, in denen wir alle auch seine andere Seite kennenlernen konnten, scheint er seine Ruhe gefunden zu haben. Jedoch nicht musikalisch, denn 'The Needle Lies' nimmt nach nur wenigen Worten die Geschichte wieder auf und leitet die zweite halbe Stunde ein, die ein wahrer Triumphzug ist und von den etwa 200 Anwesenden gefeiert wird. Zwar kommen die Chöre und Keyboards vom Band, aber das macht in diesem Fall überhaupt nichts.
Doch noch ist nicht Schluss. Mehrere alte Lieder runden den Auftritt ab, alles von "Empire" oder früher, wobei wieder einmal klar wird, dass Geoff und ich von den gleichen Scheiben andere Lieblingslieder haben. 'Silent Lucidity' muss wohl sein, war ja die erfolgreichste Single der Jungs. Aber 'Jet City Woman' hätte ich sofort gegen 'Best I Can' getauscht und 'Take Hold Of The Flame' gegen jeden anderen Song von "The Warning". Tja, so können Geschmäcker verschieden sein. Doch auch danach kommt die Band noch einmal zu einer Zugabe auf die Bühne. Was man denn spielen solle, fragt Geoff, doch die geschrienen Antworten sind nicht zu verstehen. Also fragt er nochmal anders, nämlich danach, wie weit man mit dem letzten Lied zurückgehen solle in der Diskographie? Mit gespieltem Unglauben sagt er "All the way?" und es folgt 'Queen Of The Reich'.
Ein würdiger Rausschmeißer für einen gelungenen Abend mit 90 Minuten Tate in großartiger Form. An ein paar Stellen in den Songs geht er heute mit der Stimme runter statt hoch, aber das tut den Liedern tatsächlich gut und gefällt mir viel besser. Ich denke, so gereift und in dieser Verfassung ist er möglicherweise in der besten Form überhaupt. Eigentlich müsste er das Programm direkt auf ein paar Festivalbühnen bringen, damit niemand vergisst, dass "Operation Mindcrime" eine Göttergabe ist. Danke für's Erinnern, Geoff!
Setliste: Anarchy-X; Revolution Calling; Operation: Mindcrime; Speak; Spreading The Disease; The Mission; Suite Sister Mary; The Needle Lies; Electric Requiem; Breaking The Silence; I Don't Believe In Love; Waiting For 22; My Empty Room; Eyes Of A Stranger; Anarchy-X; Silent Lucidity; Jet City Woman; Take Hold Of The Flame; Empire; Zugabe: Queen Of The Reich
- Redakteur:
- Frank Jaeger