GOTTHARD und Y&T - Bochum
22.06.2025 | 12:4623.05.2025, Ruhrcongress
Auftakt der "Stereo Crush"-Tour!
GOTTHARD ist eine mehr als anerkannte Größe in der hiesigen Hardrock-Gemeinde, hat seit Jahren die Top-Positionen in den schweizerischen Charts abonniert und kann sich auch mal erlauben, etwas heftiger auf die Tränendrüse zu drücken. Die treue Fangemeinde ist bis dato jeden Schritt mitgegangen, den Leo Leoni und seine Mannen als Marschrichtung ausgegeben haben. Dennoch ist es seit einiger Zeit offenkundig Usus, neues Material der Eidgenbossen nur für durchschnittlich zu befinden, weil sich die Band immer noch mit ihren legendären Releases messen muss, obschon sich der wesentliche Charakter des GOTTHARD-Sounds kaum verändert hat. Diese Unart ist bei vielen Acts zu beobachten, die schon ein paar Dekaden auf dem Buckel haben und gerne auf ihre Frühphase beschränkt werden. Bei den Jungs aus Lugano, die seit Jahr und Tag - und auch zuletzt auf ihrem neuen Album - Qualität abliefern, scheint dies aber eine besonders populäre Vorgehensweise zu sein, die ich an dieser Stelle mal verurteilen darf. Wer mal in "Stereo Crush" hineingehorcht hat, wird mich hier sicherlich untestützen!
Vor Monaten bereits machte das mächtige Tourpackage mit den Kollegen von Y&T die Runde, die immerhin zu den dienstältesten Musikern im gesanten Business zählen und auch nach 50 Jahren nach wie vor eine Bühne auf links drehen können. Beim heutigen Tourauftakt in Bochum soll es daher natürlich auch ein erstes Kräftemessen geben, denn dass GOTTHARD hier eindeutig den Headliner-Status hat, ist erst einmal nur auf dem Papier festgenagelt!Dave Meniketti darf sich schon vor dem Gig darüber freuen, dass sich das angebotene Shirt zum Bandjubiläum wie geschnitten Brot verkauft, denn wenn man in das Auditorium blickt, das sich schon beim ersten Act richtig ordentlich gefüllt hat, entdeckt man mindestens genauso viele Y&T-Shirts wie Leibchen der schweizerischen Kollegen.
Ginge es heute um ein echtes Duell, könnte man in diesem Punkt kaum sagen, wer denn hier wohl den Tagessieg davontragen würde. Auch im Hinblick auf die heutige Show lässt die Band absolut nichts anbrennen. Ein wunderbares 'Don't Stop Runnin' macht den Auftakt und bringt an vorderster Front alle Fäuste in die Luft, 'Don't Be Afraid Of The Dark' hält die Stimmung direkt mal ganz weit oben, und mit dem grandiosen 'Mean Streak' und einer ausladenden Version von 'Midnight In Tokyo' haben Meniketti und Co. die Halle umgehend im Griff und lassen sie auch nicht mehr aus ihren Klauen. Vor allem der Gitarrist Dave, Frontmann und Hauptsongschreiber, befindet sich in bestechender Form, hat eine schlicht und ergreifend unfassbar starke Bühnenpräsenz und scheint auch im besten Rentenalter nicht gewillt, einen Schritt kürzer zu treten. 'Winds Of Change' und 'Summertime Girls' leiten schließlich genauso energisch das Finish ein, 'Black Tiger' bringt noch mal den Groove in den Fokus, und mit einem fantastischen 'Forever' verabschiedet sich Y&T nach ordentlichen 50 Minuten mit einem echten Paukenschlag von der Bühne und hinterlässt allerorts glückliche Gesichter. Kaum zu glauben, dass GOTTHARD hier noch einen draufsetzen könnte!
Setliste: Don't Stop Runnin'; Don't Be Afraid Of The Dark; Mean Streak; Midnight In Tokyo; Contagious; Winds Of Change; Summertime Girls; Black Tiger; Rescue Me; ForeverDie Herren aus der Schweiz lassen sich im Anschluss ein wenig Zeit, immerhin gibt es eine halbstündige Umbaupause, bevor die große Bühne im Ruhrcongress das dicke Backdrop der Jungs freigibt und die Show beginnt. 'AI & I', einer der Hits der neuen Scheibe, macht den Opener, 'Thunder & Lightning' folgt auf den Fuß, und mit 'Top Of The World' gibt es auch den ersten von vielen Mitsingparts im Angebot. Als GOTTHARD zu einer der größten Hymnen, nämlich 'Anytime, Anywhere' ansetzt, ist der Ruhrpott-Chor erstmals richtig aktiv und frisst Frontmann Nic Maeder aus beiden Händen.
Überhaupt ist es der Sänger, der heute der wahre Aktivposten ist, während sich seine Kollegen meistens darauf verlegen, ihren Part auf der Bühne zu verteidigen und freudestrahlend, aber eben auch manchmal etwas unbeweglich ihren Job zu erledigen. Mastermind Leoni versteckt sich darüber hinaus weitestgehend hinter seiner Matte und lässt meines Erachtens gerade in den ersten Nummern ein wenig den Rockstar raushängen, was sich im weiteren Verlauf jedoch erübrigt. Angesichts seines grundlegend sympathischen Naturells kann man sich allerdings auch nicht vorstellen, dass der Mann irgendwann mal abheben könnte, das nur am Rande.Die Performance ist am heutigen Abend jedenfalls makellos, lediglich der Blick auf die Setliste wirft in der Mitte des Gigs einige Fragen auf, denn - Maeder sagt es selbst - das Problem der Truppe ist, dass sie unzählige Balladen im Portfolio hat und die Fans diese natürlich auch hören wollen. Um hier ein bisschen Einhalt zu gebieten, stolziert der Roadie irgendwann mit einer Tafel auf die Bühne, ein weiblicher Fan aus der Niederlande folgt ihm dorthin und darf dann nach und nach drei Songs von einer langen Liste populärer Softies auswählen. Gut gelöst? Im Prinzip schon, da aber mindestens zwei Drittel des heute dargebotenen Materials eher dem balladesken Spektrum zuzuordnen ist, vermisst man auf der Zielstrecke dann doch ein bisschen den Rock & Roll - auch wenn die Band bei glasklarem Sound eine richtig starke Performance abliefert.
Erst zum Ende hin wird das Tempo noch mal deutlich angeschoben, und nachdem Leoni sich mit einem tollen Gitarrensolo mal selber etwas mehr in Szene gesetzt hat, rollt das Finish mit einer bombastischen Version von 'Lift U Up' an, welche natürlich lautstark mitgesungen wird. 90 Minuten sind herum, und alle wissen, dass hier noch nicht Schluss sein kann. Also gibt es mit 'One Life, One Soul', dem unvermeidlichen 'Hush' und der noch vermissten Hymne 'The Mighty Quinn', heute als 'Quinn The Eskimo' getarnt' noch bockstarke Zugaben, die ein rundum zufriedenes Publikum verabschieden.
Setliste: AI & I; Thunder & Lightning; All We Are; Stay With Me; Remember It's Me; Every Time I Die; Acoustic Jam (Falling, Let It Rain, Angel); Burning Bridges; Anytime, Anywhere; Boom Boom; Top Of The World; Rusty Rose; Heaven; Feel What I Feel; Mountain Mama; Drum Solo; Lift U Up; Zugaben: One Life, One Soul; Hush (Cover); Quinn The Eskimo (The Mighty Quinn) (Cover)Auf dem Weg zum Bochumer Hauptbahnhof lasse ich den Abend schließlich noch einmal Revue passieren und denke vor allem über all die Beobachtungen abseits der Bühne nach. Dass der Altersdurchschnitt jenseits des 50. Lebensjahrs sein wwürde, war zu erwarten, dass eine große Halle wie der Ruhcongress jedoch relativ üppg gefüllt sein würde, hätte ich im Vorhinein nicht gedacht, wenngleich natürlich die für heute installierten Sitzplätze auch die Wahrnehmung getrübt haben könnten.
Ärgerlich finde ich unterdessen jedoch die mehr als stolzen Ticket- und Merchpreise. Wer sich für heute ein Ticket gesichert und auch noch ein Shirt gekauft hat, wird auf jeden Fall einen dreistelligen Betrag ausgegeben haben. Vielleicht ist das heute die gelebte Normalität, aber gutheißen muss man das trotzdem nicht, weil man sich bei der großen Auswahl großartiger Packages ohnehin schon schwer entscheiden kann, wo man sein knapp Erspartes investiert. Glücklicherweise haben beide Bands richtig abgeliefert, daher denkt man über solche Dinge vielleicht nicht so intensiv nach, aber was wäre gewesen, wenn zumindest eine Combo nur eine lustlose Darbietung angeboten hätte? Nun, diese Diskussioon gehört vielleicht an eine andere Stelle, als Denkanstoß soll sie aber dennoch dienen.
Das eigentliche Fazit lautet, dass eine sehr stark agierende Band aus der Schweiz trotz des hohen Balladenanteils mächtig Spaß gemacht hat und ihr Support diese Rolle nur auf dem Papier innehatte und mit einem wundervollen Best-of-Set noch einen draufsetzen konnte. Danke Y&T, danke GOTTHARD, es war mir eine Freude!
Text und Fotocredit: Björn Backes
- Redakteur:
- Björn Backes