HAREM SCAREM, CASSIDY PARIS und SEVENTH CRYSTAL - Aschaffenburg

05.05.2025 | 11:22

29.04.2025, Colos-Saal

Allerfeinster AOR-Melodic-Rock.

Dienstag. Champions-League-Abend auf Prime. Doch auch in Aschaffenburg wird die feine Klinge ausgepackt, nur eben rein musikalisch. Da die Kanadier, die zuletzt vor gut einem Jahrzehnt in Europa waren, auch noch quasi vor meiner Haustür spielen, gibt es für mich als fußballbegeisterten Fan natürlich nur eine Alternative: HAREM SCAREM.

Als ich gerade die Konzerthalle betrete, stehen bereits die Schweden von SEVENTH CRYSTAL auf der Bühne und heizen dem ordentlich gefüllten Klub gleich mal mächtig ein. Das Quintett stellt ihr aktuell drittes Werk "Entity" vor und erntet für ihre kraftvolle Darbietung definitiv mehr als nur Höflichkeitsapplaus. Der Sound rockt angenehm, der Gesang von Krystian Fyhr passt und auch die Melodic-Rock-Melodien bleiben haften. Gute dreißig Minuten, die definitiv Lust auf mehr machen. Vielleicht nicht unbedingt etwas für mein heimisches Wohnzimmer, aber den Bandnamen habe ich mir mal in meinem Großhirn abgespeichert.

 

 

 

 

Zwar hätte ich an diesem Abend nicht unbedingt überhaupt eine Vorgruppe gebraucht, aber auch der Vortrag von CASSIDY PARIS vergeht im Anschluss wie im Flug. Die Band aus Australien drosselt den Härtegrad noch einmal ein wenig, die Klampfen sind nur zu erahnen, und so oder so ist die gesamte Musik ausschließlich auf Frontfrau und Namensgeberin Cassidy Paris zugeschnitten. Diese besitzt zwar eine nette Röhre, schafft es aber in den erneut dreißig Minuten nicht wirklich, der Musik ihren Stempel aufzudrücken. Trotzdem wirbelt sie lasziv über die Bühne und animiert hüftschwingend die Anwesenden zu dem einen oder anderen Mitmachspielchen. Ganz zum Vergnügen des Herrn Papa, der ganz stolz die vier Saiten in der Band seiner Tochter bedient. Muss man auch wollen. Das JOAN-JETT-Cover 'I Hate Myself For Loving You’ rockt und bringt durchaus Bewegung ins Publikum. Nett, aber nicht spektakulär.

Insgesamt muss gesagt werden, dass die Umbaupausen wohltuend kurz gehalten sind und die Lautstärke bei allen drei Bands angenehm moderat ist. Das bin ich kaum noch gewohnt. Die Kanadier HAREM SCAREM scheinen es dann auch wirklich ziemlich eilig zu haben. Kaum habe ich meinen Wasserhaushalt kurz aufgefrischt, da stehen Sänger Harry Hess und seine Mannen bereits auf der Bühne und starten ihr Set mit 'Better The Devil You Know' vom brandneuen Werk "Chasing Euphoria" noch während das Saallicht leuchtet. Da scheint der Einstieg selbst für die Ton- und Lichtcrew arg überraschend gekommen zu sein.

Ich habe mir direkt vor Meister Hess einen Platz ergattert, wundere mich noch kurz über den unerwarteten Freiraum den ich habe, und bemerke dann, dass es vor Gitarrist Pete Lesperance ganz anders aussieht. Hier knäult es sich gewaltig. Dieses "verkannte Genie" ist dann nicht nur musikalisch (krasse Riffs, sehr coole Soloarbeit), sondern auch optisch der absolute Blickfang. Mit seinen weißen Haaren, seiner kantigen Figur und dem lässig aufgeknöpften Hemd sieht er Schauspieler Kris Kristofferson aus der "Blade"-Reihe enorm ähnlich.

Die Band hat das Publikum bereits nach wenigen Noten fest im Griff. Es frisst HAREM SCAREM förmlich aus der Hand. Letztendlich gibt es am musikalischen Vortrag nicht viel zu kritisieren, einzig vielleicht, dass die Band die ersten paar Songs noch irgendwie arg steif agiert, gerade Frontmann Harry wirkt mit und ohne Gitarre schüchtern, was sich im Laufe des Abends aber deutlich bessert. Hier scheint sich die doch sehr karge Live-Präsenz bemerkbar zu machen. Auch findet in der ersten Hälfte eine Kommunikation fast ausschließlich nur untereinander statt, was sich aber auch ändert. Und rein musikalisch wirkt es für mich immer ein wenig befremdlich, wenn weite Teile der Refrains, zumindest zum "Andicken" vom Band kommen. Ist nicht kriegsentscheidend und vielleicht in diesem Genre auch ein Stück weit normal, erzeugt aber weiterhin in mir eine Art Zwiespalt, der noch nicht abschließend intern ausdiskutiert ist.

HAREM SCAREM spult nicht nur souverän das Programm ab und befindet sich dabei auf allerhöchstem Champions-League-Niveau, sondern sorgt auch für reichlich Abwechslung. So darf Schlagzeuger Darren Smith immerhin bei zwei Songs, Gitarrist Lesperance bei 'Boy Without A Clue' und Bassist Mike Vassos beim BRYAN-ADAMS-Cover 'Summer Of '69' für den Hauptgesang sorgen. Echte Teamarbeit. Außerdem bittet die Band bei 'The Death Of Me' Cassidy Paris zum Duett auf die Bühne. Nett. Alles in allem vergehen die gut 75 Minuten auch hier wie im Flug, zumal das Quartett natürlich auch alle seine Hits mit im Koffer dabei hat, wie beispielsweise 'Slipping Slowly Away’, 'Distant Memory', 'Sentimental Blvd.' und die viel umjubelte Zugabe 'No Justice'. Mein persönliches Highlight ist aber die Gänsehautballade 'Honestly', die Harry nicht nur sensationell darbietet, sondern die auch vom eh schon lautstark mitsingenden Publikum noch einmal extra euphorisch gefeiert wird.

Als das Hallenlicht angeht, skandiert der Großteil des Publikums noch minutenlang "Harem Scarem"-Sprechchöre, doch die Band lässt sich leider nicht mehr erweichen, steht aber nach ein paar Minuten für Fotos und Autogramme ganz fanfreundlich zur Verfügung. Ein rundum gelungener AOR-Rock-Abend, den ich so entspannt und qualitativ hochwertig nicht erwartet habe. Während die Millionäre aus Paris in London scheinbar ein großartiges Fußballpiel abgeliefert haben, dürften die Anwesenden im Colos-Saal ihr Kommen ebenfalls definitiv nicht bereut haben.

Setliste: Better The Devil You Know; Hard To Love; Gotta Keep Your Head Up; Stranger Than Love; Distant Memory; Boy Without A Clue; The Death Of Me; Here Today Gone Tomorrow; Mandy; Sinking Ship; Honestly; Garden Of Eden; Sentimental Blvd.; If There Was A Time; Summer Of '69; Slowly Slipping Away; Chasing Euphoria; Zugabe: No Justice

Text & Fotocredits: Chris Staubach

 


Redakteur:
Chris Staubach

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