HATEBREED und NAPALM DEATH - Bochum

26.11.2014 | 23:19

13.11.2014, Matrix

Der Höhepunkt allen Gebrülls.

HATEBREED und NAPALM DEATH: Das ist eine Tourzusammensetzung, die ich mir in schöneren, nicht unbedingt trockenen Träumen ausgemalt habe, von der ich aber niemals glaubte, dass es sie jemals geben wird. Als ich das (virtuelle) Tourplakat dann ein erste Mal gesehen habe, war ich der festen Überzeugung, mein Bewusstsein wäre immer noch in der Tiefschlafphase gefangen. Erst mit der Zeit realisierte ich, was hier auf mich zukommen wird: Zwei Führer ihrer Sparten sowie gigantische Live-Bands mit charismatischen Frontmännern - und vor allem einmaligen Schreihälsen. So richtig aktuelle Alben gibt es keine, irgendwelche Neuigkeiten auch nicht; also ohne weitere Umschweife in die Matrix Bochum. Let the music do the talking!


Es ist kaum zu fassen, aber die ersten Töne des Abends werden direkt von der vierköpfigen Legende aus Birmingham, England, kommen. Na gut, die andere, etwas kleinere, aber für die krachigen Teile der Szene nicht weniger wichtige Legende: NAPALM DEATH. Wie kann eine so gealterte Band eigentlich immer noch derartig Ärsche treten? Bereits beim Opener wird klar, dass Barney Greenway mal wieder nicht die passende Dosis Ritalin in den Arm gehauen bekommen hat, dass Shane Embury erneut die Trophäe "geilste Frisur des Abends" abräumen wird und dass Drummer Danny Herrera selbst komplexeste Blastbeats noch zu langweilen scheinen. Nur an der Gitarre ist etwas anders: Mitch Harris wird aufgrund eines familiären Vorfalls von einem Freund der Band (absolut würdig) vertreten.

Auch heute bekommt man das obligatorische und doch immer wieder frische Chaos vor den Latz geknallt. NAPALM DEATH ist kein Anheizer. NAPALM DEATH ist die Hitze. Bereits an dritter Stelle wird 'Suffer The Children' gezündet – da lassen sich die Jungs im Moshpit lassen nicht zweimal bitten. Barney brüllt die Bude zusammen, wie einfach nur er es kann: Seine Stimme ist so unglaublich rau, voll und voluminös, dass ich vor Ehrfurcht fast erstarre. Sein Wechsel zwischen Genie und Wahnsinn ist stets nur ein Songanfang oder -ende entfernt. Die Messages sind einfach, simpel, fast schon selbstverständlich, aber bei einer Band wie NAPALM DEATH weiß man, dass es hier ausnahmsweise mal keine leeren Worthülsen und Pseudobekenntnisse zur irgendetwas sind. Die Herren verstehen sich als politische Musiker - und das merkt man auch.

Dazu nutzt die Band, dank der geringen Spielzeiten einzelner Nummern, quasi ihre gesamte Diskographie und ballert sich im gefühlten Sieben-Achtel-Takt durch ein famoses Set. Solange es diese Gruppe gibt, sind alle anderen, stilistisch ähnlich gelagerten Kapellen nur Lückerfüller bis zum nächsten NAPALM DEATH-Gig bzw. zur kommenden Platte der Engländer: Kniet nieder! Als die Band die Bühne verlässt wurden viele Songs gespielt und es ist eine gewisse Zeit vergangen. Ich habe ehrlich gesagt jedes Gefühl für Genaueres verloren. Waren das nun 30 oder 70 Minuten? Egal. Geil war es in jedem Fall.

Im Prinzip ist man jetzt schon fix und fertig, bedient, zufrieden, glücklich, vermatscht: Der Heimweg wäre eine nicht unlogische Konsequenz. Mit der Energie, welche Jamey Jasta mit seinen Hassbrüdern mal wieder von Sekunde null an auf die Bretter bringt, hätte einen HATEBREED jedoch vermutlich eigenhändig wieder vor die Bühne getragen. Es dauert keine zehn Sekunden, da steht im vorderen Drittel nahezu keiner mehr in zwei Meter Reichweite zu seinem vorherigen Platz. Zu den Klängen von 'Honor Never Dies' wird der Schlauch der Matrix binnen kürzester Zeit in ein kuscheliges Schlachtfeld verwandelt. Jasta guckt sich das Treiben an, brüllt sich (überragend und unvergleichlich) die Seele aus dem Leib – und strahlt dabei wie ein Honigkuchenpferd. Verdammte Axt, wie macht der das?

Durch all die Härte der Musik, durch all die ausgetauschten blauen Flecken im Moshpit, durch all diese Präsenz als harte Jungs dringt etwas hindurch, was mit nichts anderem als Leidenschaft, Hoffnung und, ja, Liebe bezeichnet werden kann. Wie heißt es in 'Live For This' so schön? "If you don't live something / You'll Die For Nothing / Live For This!" HATEBREED lebt es. Jeden Atemzug, jede Sekunde. Und das steckt an. Man kann und will gar nicht anders, als diesen Stil mitzuleben. Entweder etwas weiter hinten, wo man ein jedes der Tough-Guy-Worte mitbrüllt, als wäre es aus der eigenen Feder, oder weiter vorne, wo mehr Schränke als bei IKEA zu finden sind.

"The Divinity Of Purpose" ist inzwischen nicht mehr neu, weshalb alle Veröffentlichungen im aktuellen Live-Set ziemlich gleichberechtigt nebeneinander stehen. Dabei stellt man immer wieder mit Erstaunen fest, dass ungefähr die Hälfte der Songs Kracher sind, denen man guten Gewissens das Attribut "Hit" verleihen kann. Das Ergebnis: Mit Ausnahme von zwei, drei kleineren Pausen bei älteren Tracks steht die Matrix durchgängig Kopf. Der Sound ist für Bochumer Verhältnisse extrem klar, druckvoll und laut, die Band könnte nicht besser eingespielt sein und im Publikum sind sogar die Glatzköpfe bis in die Haarspitzen motiviert. Die Band hat inzwischen hunderte Shows gespielt, bei denen es richtig zur Sache ging, freut sich aber ganz offensichtlich jedes Mal aufs Neue über jeden einzelnen Menschen, der zu ihrer Musik abdreht. Authentisch, fannah.

Nachdem fast zwei Dutzend (!) Songs durch sind, beenden 'I Will Be Heard' und 'Destroy Everything' standesgemäß ein Konzert, das ausschließlich verschwitzte, erschöpfte, aber zutiefst glückliche Fans zurücklässt. Schwer vorstellbar, dass irgendein Besucher nach einem solchen Abend auch bloß noch ein Fünkchen Wut im Bauch spürt. Eine bessere Therapie als die heute Brüllsitzung mit Jasta, Greenway & Buddies gibt es auf dieser Welt nicht.

Redakteur:
Oliver Paßgang
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