Hammerfall/Stratovarius - Berlin

05.12.2005 | 21:19

04.12.2005, Huxleys Neue Welt

Traditioneller Metal und die deutsche Hauptstadt passen nicht zusammen? Von wegen! HAMMERFALL müssen an ihrem letzten Tourtag in Berlin sogar kurzfristig die Location wechseln, da das kuschelige Kesselhaus wohl doch etwas zu pessimistisch gebucht wurde. Leider lässt es sich aber nicht vermeiden, dass einige Fans erst vor (dem falschen) Ort von dieser Änderung erfahren und bei der Ankunft in Huxleys Neuer Welt (quasi fast am anderen Ende der Stadt) nur noch die letzten Klänge von STRATOVARIUS mitbekommen.

Denn die Finnen dürfen um 20.15 Uhr als erste auf die mit zwei großen Videoleinwänden dekorierte Bühne. Die auf den Plakaten angekündigte dritte Band SHAKRA hat die Tour nämlich vorzeitig verlassen, weshalb HAMMERFALL und STRATOVARIUS angeblich längere Sets spielen.

Mit dem Ohrwurm 'Hunting High and Low' steigen STRATOVARIUS temporeich in ihre ca. 60-minütige Show ein und präsentieren sich gewohnt professionell. Insbesondere bei dem mit einem edlen schwarzen Samthemd bekleideten Timo Kotipelto sitzt jede Geste und jede Pose, aber auch der im Jogging-Dress weniger hübsch anzusehende Timo Tolkki inszeniert seine Gitarren-Soli mit einer gewissen routinierten Dramatik. Doch wirken selbst die vermeintlichen Improvisationen wenig spontan. So baut Tolkki in 'Forever' ein auf der Akustik-Klampfe intoniertes 'Freude schöner Götterfunken' sowie eine Sirtaki-Melodie ein, und Keyboarder Jens Johansson lässt vor dem finalen 'Black Diamond' den Weihnachts-Klassiker 'Silent Night' ertönen. Lediglich Neuzugang Lauri Porra am Bass rennt mit einem Dauergrinsen über die Bühne und schafft es sogar gelegentlich, Gitarren-Meister Tolkki kurz aus der Reserve zu locken. Auch das spaßige Video zu 'Father Time' geht offenbar auf seine Kappe: Über einem Blatt mit der Aufschrift "Stratovarius" kreist an einem Bindfaden ein Hammer, im Wechsel mit einer Szene, wo Lauri evil posend ein Papierherz (in Anspielung auf 'Hearts On Fire' von HAMMERFALL) mit einem Feuerzeug in Flammen setzt. Seltsamer finnischer Humor...zu dem auch der Plüsch-Elch am Schlagzeug gut passt. Die restlichen Songs werden von stimmungsvollen Bildern und vereinzelt auch richtigen Videoclips untermalt, und 'United' mit einer Anti-Kriegs-Botschaft und einem Plädoyer für die Menschenrechte versehen.

Optisch liefern STRATOVARIUS somit eine ansprechende Show, bei der aufgrund ihrer fehlenden Spontanität jedoch der Funke nicht so recht überspringen will. Da helfen selbst die Mitsing-Spielchen nichts.

Setlist:
Hunting High And Low
Speed of Light
Kiss of Judas
SOS
Maniac Dance
Destiny
Forever
United
Father Time
Eagelheart
Black Diamond

HAMMERFALL sind eigentlich auch nicht gerade ein Ausbund an Spontanität, denn es gibt wohl kaum eine Band dieses Genres, die das Synchron-Metal-Posing besser beherrscht. Trotzdem bringen sie ihre stets leicht überdrehte, aber sehr spielfreudige Show dermaßen energiegeladen rüber, dass sie das Publikum schnell auf ihre Seite ziehen. Und auch wenn sie ihre besten Songs meiner bescheidenen Meinung nach schon geschrieben haben, halten sie in Sachen aufwändiges Bühnenbild seit Jahren ein konstantes, wenn nicht sogar leicht ansteigendes Niveau. Eine an das Cover des letzten Studio-Outputs "Chapter V: Unbent, Unbound, Unbroken" (von dem natürlich auch einige Songs zum Besten gegeben werden, die mir jedoch leider nicht alle geläufig sind) angelehnte Eisberglandschaft füllt die Bühne, deren höchste Gipfel (bzw. die darin integrierten Plattformen) gerne zur ausgiebigen Selbstdarstellung genutzt werden. Gut dosierte Pyroeffekte und künstliche Schneeschauer zu Beginn und Ende der Show umrahmen Hits der Marke 'Riders On The Storm', 'Renegade' und 'Let The Hammer Fall'. Letzteres wird von Sänger Joacim Cans für ausgiebige "Oh Oh"-Mitsingspielchen genutzt. "I need three more to be satisfied!" Kriegt er locker - und belohnt die feiernde Menge mit einem "You're doing fucking great for a Sunday!" und der unvermeidlichen Bandhymne 'Hammerfall'. Die Gitarristen Stefan Elmgren und ein erstaunlich lockerer (und ohne sein albernes Kettenhemd der letzten Tour vor fast drei Jahren sogar richtig menschlich aussehender) Oscar Dronjak liefern sich zusammen mit Bassist Magnus Rosén stetig wechselnde Posing-Duelle: Aufstellung in einer Reihe und dann die Instrumente im Takt vor - zurück - vor - zurück. Yeah, das sind HAMMERFALL, wie wir sie lieben! Der gute Magnus scheint übrigens sein nicht weniger albernes Haarband endlich in die Mottenkiste gepackt zu haben und präsentiert uns seine Lockenmähne in voller Pracht. Dafür führt er eine etwas absonderliche Modenschau auf, bei der jedes neue Oberteil (drei oder vier dürften es insgesamt sein) noch mehr glitzert als das Vorherige.

Auch Schlagzeuger Anders Johansson erhält seine fünf Minuten Ruhm in Form des obligatorischen, aber sehr humorvoll inszenierten Drum-Solos, während vor seinem Instrument eine Feuerwand lodert.

Die bis hierhin perfekt umgesetzte Show bekommt einen kleinen Knacks, als aufgrund eines technischen Gitarren-Defekts von Stefan Elmgren ausgerechnet 'Glory To The Brave' nach nur wenigen Sekunden abgebrochen wird. Allerdings legen die Schweden mit 'Legend Reborn' und 'At The End Of The Rainbow' gleich zwei amtliche Bretter nach und freuen sich wie die Schneekönige, dass sie an diesem Abend vor ihrem bisher größten Publikum in Berlin spielen dürfen. "Heavy Metal is not dead", stellt ein glücklicher Joacim Cans fest. Und warum? Wie wir alle 'Blood Bound' sind. Na denn...

'Heeding The Call' bildet den letzten Song vor der Zugabe, in der 'Templars Of Steel' mit dem allseits bekannten "ihr seid doch bestimmt lauter als die Leute in xy"-Spiel gespickt wird. Auf 'Hammer of Justice' und 'Steel Meets Steel' folgt als wirklich allerletzter Song des Abends 'Hearts On Fire', und nach ca. 90 Minuten Spielzeit versprechen HAMMERFALL, mit dem nächsten Album im Gepäck ganz sicher wiederzukommen. Was wir doch mal schwer hoffen wollen!

Redakteur:
Elke Huber

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