Headbangers Open Air - Brande-Hörnerkirchen

09.10.2019 | 19:16

25.07.2019, Der Garten

Dass 22. HOA findet bei bestem Wetter und mit einem sensationellen Line Up statt und ist somit ein absolutes Highlight des diesjährigen Festivalsommers.

Als ich am Samstag in den brennenden Garten gelange, erlebe ich nur noch den Abgang von BÜTCHER. Das sieht nicht nach einer blutleeren Show aus. Auch die von den Musikern selbst verkauften Shirts bekommen teilweise rote Klekse ab, was die meisten Fans aber eher cool finden. Da habe ich wohl was verpasst.

 

Ich freue mich so aber auf SEVEN SISTERS, deren Scheiben ich extrem klasse finde. Dass der leicht verspielte Heavy Metal auch livehaftig wunderbar funktioniert, belegt gleich der erste Song. 'Highway Of The Night' vom ersten Longplayer "Seven Sisters" zeigt, wie gefühlvoll und gleichzeitig mitreißend und spielfreudig das britische Quartett agiert. Frei von jeglichem Metal-Image anderer Bands dieses Wochenendes stehen hier einfach vier Freunde in einer Scheune und machen zusammen Musik, die ihnen gefällt. Im weiteren Verlauf gibt es dann nur noch Songs des aktuellen Langeisens "The Cauldron And The Cross", wobei hier besonders das in zwei Teile geteilte Titelstück für Ohrgasmen sorgt. Die lockeren Ansagen von Gitarrist Kyle McNeill erheitern das zahlreich anwesende Publikum und da auch hier der Sound wieder extrem gut ausgesteuert ist, kann ich von einem rundum tollen Auftritt schreiben. Die Band ist ein weiterer Beweis für traditionell gelagerte Musik, die frisch klingt. Daumen hoch!

Setliste: Highway Of The Night; Blood And Fire; Once And Future King; Turning Of The Tide; The Cauldron And The Cross Part I & II

 

Ich muss gestehen, dass ich TAD MOROSE immer relativ links liegen gelassen habe. Das mag daran liegen, dass ich damals das Debütalbum "Leaving The Past Behind" aufgrund der Pole Position im einstmaligen Leib-und Magen-Magazin gekauft habe und es ziemlich unscheinbar fand. Falsche Ohren zum  falschen Zeitpunkt wahrscheinlich, denn als das Album zur Vorbereitung auf den heutigen Tag mal wieder lief, gefiel es mir recht gut. Amüsanterweise spielt die Band im Laufe ihres Sets allerdings keinen Song dieses Albums. Dumm gelaufen? Nicht ganz, denn das, was da auf der Bühne abgeht, ist sowohl optisch, als auch akustisch ziemlich toll. Schon die beiden Dosenöffner 'I Am Night' und 'Apocalypse', die beiden vom aktuellen Album "Chapter X" stammen, machen klar, dass das Quintett aus Bollnäs voll Bock hat. Allen voran Sänger Ronny Hemlin, der auf der Bühne herumspringt wie ein junger Gott. Dazu singt er extrem kraftvoll und facettenreich, was wunderbar zum mitreißenden Schweden-Metal passt. Sehr dynamisch und gleichzeitig hymnenhaft und hochmelodisch reißen die Songs der Schweden alle Anwesenden schnell mit und auch ich bin schnell von ihrem Auftritt gefesselt. Heute beweist die Band um das einzige Original-Mitglied Christer "Krunt" Andersson (Gitarre), was es heißt, nicht ausschließlich in der Vergangenheit zu leben, denn von den Frühwerken kommt gar kein Song zum Einsatz. Das mag man als eingefleischter Fan sicherlich schade finden, da ich in dieser Beziehung aber relativ erwartungsneutral an diesen Gig heran gegangen bin, erfreue ich mich ganz einfach an den tollen Songs. Hierbei möchte ich ganz besonders 'Babylon' hervorheben. So einen nachhaltigen Ohrwurm hatte ich schon länger nicht mehr. Aber auch 'Anubis' ist in dieser Hinsicht ein echter Knaller. Toller Auftritt!

Setliste: I Am Night; Apocalypse; Beneath A Veil Of Crying Souls; Remain; Unwelcome Guest; Black Fire Rising; Forlorn; Babylon; Within A Dream; Anubis; No Mercy; Matters Of The Dark


Die baskischen Senkrechtstarter THE WIZARDS haben mich beim HELL OVER HAMMABURG-Festival komplett begeistern können und so ärgere ich mich über mich selbst, dass ich einen Teil des Sets mit nebensächlichen Aktivitäten wie Anti-Verbrutzel-Creme nachlegen, Pale Ale testen und Labertaschen verteilen verplempere. Als ich wieder vor der Scheune ankomme, ist dort eine extrem ausgelassene Stimmung zu spüren. Vor und auf der Bühne. Klar, denn die Jungs versprühen auch heute wieder diese animalische Energie, die ansteckend ist. Allen voran ist hier natürlich Frontmann Sir Ian Mason, der mit seiner Schinkengott-Stimme für wohlige Schauer in den Ohren sorgt und sich auf der Bühne räkelt, dass den weiblichen Fans wohl das Herz aufgeht. Der gute Mann hat das Posen auf jeden Fall den großen Hüftschwingern der 80er Jahre abgeschaut. Das Erstaunliche: ich finde es nicht zu einer Sekunde peinlich. Dies mag daran liegen, dass die Songs obendrein auch noch fleischig-feiste Riffs und coole Widerhaken liefern. Dass die restlichen Akteure in der Scheune ihrem Vorturner in Sachen Bühnenpräsenz wenig nachstehen, muss ich wohl kaum erwähnen, oder? Ganz offenbar spielt sich die Band in einen Rausch, der sie komplett in ihre Musik abtauchen lässt. Hingabe ist wohl das Zauberwort. Toll!

 

Wenn es eine Band gibt, auf die ich mich im Vorfeld ganz besonders gefreut habe, dann ist dies tatsächlich das schottische Quintett HEAVY PETTIN. Die Herrschaften aus Glasgow haben mich 1983 mit ihrem Debütalbum "Lettin' Loose" komplett aus den Latschen gekegelt. Ihr melodischer Heavy Metal, der rückblickend an die tauben Leoparden zu deren Hochzeiten erinnert, lief bei mir monatelang rauf und runter. Da mich das Nachfolge-Album in meinem Wahn nach "härter, schneller, böser" zwei Jahre später nicht mehr interessierte, ist heute kaum verzeihbar, aber leider ein Fakt. Wilde Ohren wollten wilde Akkordfolgen. Niemals hätte ich damit gerechnet, diese Band im Jahre 2019 mit einigen Originalmitgliedern einmal live erleben zu dürfen. Allein dafür ein ganz dickes Dankeschön an Thomas und sein tolles Team! Nun aber zum Auftritt an sich: Gleich der fulminante Opener 'Victims Of The Night' macht klar, dass sich jede Vorfreude bestätigen wird. Die Band um Sänger Steve "Hamie" Hayman sprüht über vor Energie und Spielfreude und brennt sofort den Garten ab! Hüftsteif? Selten so gelacht! Original-Klampfer Gordon Bonnar und sein Sidekick Dave Aitken rennen um ihr Leben und posieren wie die ganz Großen, sodass  bereits bei der damaligen Hitsingle 'Roll The Dice' der Gartenchor aktiviert werden kann. Gerade erst warm gesungen geht es mit 'Love Times Love' auch gleich munter weiter im Takt. Es ist nun müßig, zu erwähnen, was noch alles gespielt wird, denn das könnt ihr am Ende lesen. Erwähnen muss ich allerdings noch, dass zwischen den ganzen Knallern vom Debüt auch die Nummern der späteren Alben in einer Livesituation keinen Stimmungsabfall zu verzeichnen haben. Sehr cool. Noch viel cooler ist allerdings, dass als vorletzte Nummer mein ewiger Favorit 'Hell Is Beautiful' erklingt und ich tatsächlich jedes Wort noch mitsingen kann.  "...where they burn up their guitars..." heißt es da und genau dies ist wohl auch das Motto dieses Auftrittes, welcher für mich wohl das Hochlicht des gesamten Festivals darstellt. Ich war vorsichtig erwartungsfroh, aber dies hier übertrifft tatsächlich meine kühnsten Hoffnungen! Ganz, ganz starker Auftritt!

Setliste: Victims Of The Night; Roll The Dice; Love Times Love; Break It Down; Shout It Out; Rock Me; Sole Survivor; In And Of Love; Rock Ain't Dead; Hell Is Beautiful ;Throw A Party

 

Auch wenn viele nun erstaunt die Augenbrauen lupfen werden: Ich habe mir BLAZE BAYLEY nicht angeschaut. Alle Anwesenden sprechen hinterher von einem emotionalen Triumphzug, was mich sehr freut. Da ich aber weder Maiden-Fanatiker bin, noch seine Solosachen besonders gern mag, ist dieser Auftritt - trotz seiner besonderen Setliste - bei mir als geplante Verschnaufpause vor dem zu erwartenden Abriss-Finale geplant.

 

Ob es nun so einen Abriss geben wird, wird sich gleich zeigen, aber die ebenfalls besondere Setliste des anstehenden HELSTAR-Auftrittes lässt so etwas auf jeden Fall in den Bereich des Möglichen rutschen. So soll heute ein "Remnants Of War"-Set ausgepackt werden. Das liest sich extrem lecker und als der Titelsong aus den Boxen kracht, sehe ich um mich herum ausschließlich offene Münder. Der Sound killt aber auch alles! Als wäre die Klangqualität an diesem Wochenende nicht eh schon sehr zufriedenstellend, kann HELSTAR dies tatsächlich noch toppen. Die Gitarren von Larry Barragan und Andrew Atwood drücken so richtig feist, wie man es sich bei dieser Art von Musik wünscht. Obendrein ist die Lautstärke auch genau richtig, sodass einem totalen Genuss nichts im Wege steht. Über die Qualitäten von Sänger James Rivera muss man nichts schreiben. Der Vampirfreak ist auch nach über dreißig Jahren noch bestens bei Stimme, was bedeutet, dass wir 'Conquest' und 'Dark Queen' mit ausgerenkten Hälsen überstehen. Die komplett ausrastende Meute vor der Bühne scheint die Musiker noch weiter anzustacheln, denn vor allem Larry steht offenbar komplett in Flammen! Da kommen weitere Notenfeuerwerke des Geburtstags-Albums als Ventil genau richtig. 'Face The Wicked One' und das hackende 'Evil Reign' sorgen auch bei leicht abgekühlte Sommertemperaturen für komplett verschwitzte T-Shirts.Nach dieser Lehrstunde in Sachen musikalischer Kriegsführung schwingt sich James ins Vampirkostüm und es folgen die jeweiligen Alben-Eröffner von 'A Distant Thunder', 'Nosferatu' und 'The King Of Hell', bevor es mit dem Oldie 'Run WIth The Pack' zu einem grandiosen Abschluss kommt. Auch wenn ich oller Nörgel-Opa auf das Fehlen von 'Angel Of Death' negativ hinweisen muss, gehe ich extrem zufrieden zum Getränkestand um meinen Flüssigkeitshaushalt wieder auszugleichen. Mächtig!

Setliste: Remnants Of War; Conquest; Dark Queen;Face The Wicked; One Evil; Reign King Is Dead; King Of Hell; Baptized In Blood; Run With The Pack

 

Der lange erwartete Headliner des zweiten Tages ist keine geringere Band als das Seattle-Quintett HEIR APPARENT, welches sich in den letzten Jahren mit einem sensationellen Album und einigen tollen Konzerten auf ausgesuchten Festivals glanzvoll zurückmelden konnte. Allerdings war die Band sowohl auf dem Rock Hard Festival wie auch beim KIT nur mit jeweils einer knappen Stunde vertreten, während wir uns heute Abend auf eine lange Headlinershow freuen können. Wie man der Facebookseite der Band entnehmen kann, ist es wohl sogar der längste Gig, den die Band jemals gespielt hat. Schon der Einstieg ist furios, lässt man mit 'Hands Of Destiny' und dem flinken 'The Servant' gleich mal zwei Knaller des Sensationsalbums "Graceful Inheritance" vom Stapel. Auch wenn der Sound arg basslastig ist, kann das meine Begeisterung schmälern. Mit dem ersten Song des großartigen neuen Albums wird es dann erstmals elegisch. Bei 'Further And Farther' zeigt Wundersänger Will Shaw so richtig sein Können. Auch wenn ich ihn schon live bewundern konnte, bin ich auch heute völlig geflasht von seiner Leistung. Weiter im Text geht es mit der aus etlichen Kehlen mitgesungenen Hymne 'We The People', bevor es mit 'One Small Voice' und 'Synthetic Lies' wieder behutsamer wird. Ich bin in der Zwischenzeit ein bisschen weiter nach Hinten gewandert, wo der Sound deutlich besser klingt. Endlich höre ich auch die tolle Gitarrenarbeit von Bandleader Terry Gorle, der wie gewohnt in sich ruhend offenbar in einer eigenen Welt abgetaucht zu sein scheint. Ganz anders sein tieftönender Gegenpol Derek Peace, der zu allerlei Mätzchen und Grimassen aufgelegt ist. Vor allem beim sensationellen Instrumental 'R.I.P.' geht er völlig aus sich heraus und begeistert obendrein natürlich während des gesamten Auftrittes mit extraordinärem Bassspiel. Ganz anders Tastendrücker Op Sakiya, der quasi statisch ab und an auf sein Instrument drückt. Im weiteren Verlauf pendelt die Band gekonnt durch alle drei Veröffentlichungen, wobei man sagen muss, das vor allem die Nummern des Debütalbums besonders herzlich abgefeiert werden. Gesanglich sticht Will allerdings immer bei den ruhigen Titeln ganz bemerkenswert hervor, da er dort sein ganzes Können zeigen kann. War ich zu Beginn des Festivals noch etwas skeptisch, ob so eine "ernsthafte" Band als Headliner auf diesem Festival funktionieren würde – ich erinnere mich an Fates Warning vor einigen Jahren an dieser Stelle – muss ich sagen: Es bleibt erstaunlich voll vor der Scheune. Als dann 'Another Candle' ertönt, ist meine nordische Euphorie komplett verflogen: Die Luftgitarre wird gezückt und alle Gliedmaßen zappeln ekstatisch. Ein Zustand, der sich durch das nachfolgende 'Insomnia' nur minimal verändert. Diese minimale Verschnaufpause ist auch dringend notwendig, denn 'Keeper of The Reign' fordert dem Schreiberling nochmal alles ab, bevor es mit dem sensationellen 'Road To Palestine' noch mal kurzzeitig besinnlich wird.  Es folgt mit 'Tear Down The Walls' DER Klassiker der Band und ich frage mich, was nun noch folgen soll. Überraschenderweise folgen mit 'Decorated' und 'Fifth Season' noch zwei Stücke vom Zweitling "One Small Voice". So werden wir beinahe etwas sentimental in die Nacht entlassen und das, obwohl wir noch gar nicht wissen, dass Will Shaw kurz nach dem Auftritt von der Band trennen wird. Auf dem Gelände wird unter den Anwesenden noch schwelgerisch über das gerade Gesehene philosophiert und wir alle hoffen, dass diese Band uns noch eine ganze Weile erhalten bleiben wird. Ein mehr als würdiger Headliner für eine erneut ganz phantastische Veranstaltung hat uns am Ende eines toll organisierten Wochenendes quasi die Sahnehaube aufs Himbeerereignis gesetzt und so können schlussendlich nur alle Daumen nach oben zeigen.

Setliste: Hands Of Destiny; The Servant; Further And Farther; We The People; One Small Voice; Synthetic Lies; Savior; Master Of Invasion; Here We Aren't; R.I.P.;Young Forever; Dragon's Lair; Man In The Sky; The Door; Crossing The Border; Another Candle; Insomnia; Keeper Of The Reign; The Road To Palestine; Tear Down The Walls; Decorated; Fifth Season

 

Alle Photos von Taina "Petrunella" Keck.

Redakteur:
Holger Andrae

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