Heavy Metal - Nix Im Scheddel...? Nr. 38 - Leipzig

03.08.2003 | 05:22

26.07.2003, Tonellis

Der trügerische Titel "Scheddel, die Letzte?" hing wie ein bedrohlicher Schatten über der 38. Ausgabe von "Heavy Metal - nix im Scheddel...?". Würden sie wirklich den Vorhang für immer schließen? Würden sie natürlich nicht, nachdem sich die Veranstaltung nach drei Jahren harter Arbeit so stark etabliert hat. Wie es weiter geht, dazu am Ende des Berichts mehr, zunächst einmal ein paar Worte zur letzten Scheddel-Party vor der großen Sommerpause.
Die Bedingungen für eine körperliche Betätigung, sowohl seitens der Musiker als auch der Zuschauer, waren zwar ziemlich ungünstig, da im Inneren des Tonelli's eine extreme Hitze herrschte und man sich wie in einem stickigen Feuchtbiotop fühlte, was die Besucher recht häufig an die frische Luft drängte. Das hielt die Meisten aber trotzdem nicht davon ab Vollgas zu geben.

Der Scheddel-Marathon begann mit einer Lesung von Till Burgwächter, der sein Buch, die Metal-Satire "Juhr Gait Tu Hewi Mettäl", in Auszügen vorstellte. Dieser frühe Termin war einerseits mit Bedacht gewählt, da dem Vorlesenden durch noch nicht allzu sehr biergetrübte "Scheddel" vollste Aufmerksamkeit der Zuhörer zuteil werden konnte. Andererseits hatten sich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht so viele Menschen eingefunden, so bekam auch der Rezensent nur die letzten fünf Minuten der Lesung mit. Aber es war unübersehbar, dass den Anwesenden das Gehörte durchaus gefiel, wobei sich jetzt keiner lachend auf dem Boden wälzte, sondern vielmehr eine ruhige und gespannte Atmosphäre herrschte, damit man auch ja alles mitbekam. Nur hin und wieder wurde diese durch einige Lacher unterbrochen. Am Ende gab es aber eine Menge Applaus für Till Burgwächter.

Musikalisch sorgten MEN AT ARMS für den Auftakt. Die waren vor anderthalb Jahren schon mal da gewesen, allerdings werden sie vermutlich nicht noch einmal beim Scheddel aufkreuzen, da dies ihr letzter Gig war und die Band sich danach auflöste. Dafür gab es offenbar verschiedene Gründe, auf jeden Fall existieren die MEN AT ARMS momentan nicht mehr.
Bei ihrer Abschiedsshow boten sie ein brutales Brett auf, das nicht so sehr durch Megatempo bestach, sondern vor allem durch die große Brachialität und Intensivität punkten konnte. Der Sänger, der sich mittlerweile etwas längere Haare hat wachsen lassen, bestach erneut durch seine unglaublich aggressive und voluminöse Stimme. Aber so geil sein Geschrei auch war, ich hatte auch das Gefühl, dass der Rest der Band da nur als schmückendes Beiwerk diente, anstatt auch mal selbst Akzente zu setzen. Dadurch limitierte man sich meines Erachtens selbst ein wenig. Dennoch gingen die knackigen Riffs und das heftige Geboller absolut in Ordnung und verursachten eindeutig zu wenig Action im noch sehr zurückhaltenden Publikum, da hätten MEN AT ARMS durchaus mehr Anteilnahme verdient gehabt.

TOTHAMON waren mit Sicherheit die melodischste Band des Abends. Die Truppe aus Leipzig besticht durch ausgefeilte Kompositionen und scheint ein Gespür für gute Hooklines zu haben. Ganz nebenbei knallt man die anspruchsvollen Songs aber auch noch extrem heftig heraus, so dass auch Freunde des gepflegten Haupthaarschüttelns voll auf ihre Kosten kommen. Besonders cool klang der Kontrast zwischen den doch recht melodischen Riffs und dem tiefen Gegurgel des Sängers. Auch die zahlreichen Variationen im Tempo sorgten dafür, dass die musikalische Darbietung niemals auch nur ansatzweise eintönig wurde. Einziger Kritikpunkt ist, dass die Jungs an ihrem Stageacting noch etwas arbeiten sollten, aber ansonsten haben TOTHAMON mich voll überzeugen können.

HARMONY DIES haben sich mittlerweile den exzellenten Ruf in der Szene erarbeiten können zu den top-five der Death Metal-Bands in Deutschland zu gehören. Dazu dürften mit Sicherheit auch die tollen Liveperformances der Berliner ein großes Stück beigetragen haben, denn kaum eine Band aus unseren Gefilden reißt solch ein aggressives und arschtightes Brett herunter. Einfach nur geil! So muss Death Metal klingen. Hinzu kam, dass die Jungs auch noch ohne Rast und Ruhe auf der Bühne herumwilderten und in Sachen Bewegungsdrang dem Publikum vormachten, wie der Hase läuft. Seit elf Jahren macht die Truppe aus der Hauptstadt nun schon die Bühnen unsicher und ich kenne nicht viele Bands, die so gut aufeinander eingespielt sind und live ein solches Feuerwerk entfachen. Ein ultrabrutales Geknüppel der Extraklasse, das bereits einige Energiereserven der Zuschauer verbrauchte und ein absolutes Highlight des noch jungen Scheddel-Abends darstellte.

PROFANITY servierten Death Metal typischer Machart - schnell, brutal und äußerst aggressiv vorgetragen. Das war musikalisch zwar nicht im Mindesten überraschend, kam aber dennoch gut an, da man zu solch einem Gemetzel natürlich wunderbar die Sau rauslassen kann. Besonders der Sänger konnte sich gute Noten verdienen, da er sich seine Stimmbänder regelrecht blutig röhrte. Auch der Rest der Band malträtierte seine Instrumente nach allen Regeln der Kunst um ihnen möglichst brutale Tonfolgen zu entlocken. Zwei Langeisen hat man ja bereits auf dem Konto und ein drittes soll momentan in der Mache sein, auf das man sich angesichts der aggressiven Mugge schon mächtig freuen kann.
Es war eine solide Show, die PROFANITY hier ablieferten, die ich nun zwar nicht überragend nennen würde, die dem Publikum aber genau das gab, was es wollte. Feinste Moshmugge, die perfekt dazu geeignet war sich die letzten Gehirnzellen aus der Birne zu bangen.

Gehirnzellen kann man aber auch auf andere Art und Weise einbüßen, nämlich wenn man dem Alkohol zu sehr zuspricht. Womit wir beim nun folgenden, pausenfüllenden Thema wären: Henri Kramer. Mein geschätzter Schreiberkollege nutzte den Scheddel nämlich um in seinen Geburtstag hineinzufeiern. Nun wurde er von seinen Kumpels überrascht und durfte auf der Bühne sein Geschenk in Empfang nehmen. Und was wäre bei ihm passender als eine neue Leber? Eben, nichts. Also wurde dem verdutzten Trunkenbold eine echte Schweineleber überreicht (die Dinger sind ja ganz schön groß!), ob er sie allerdings schon eingebaut hat, ist mir leider nicht bekannt...

Kommen wir zurück zum musikalischen Geschehen. Als vorletzte Band durften NECROPHAGIST ran und die machten dann gar keine Gefangenen. Old School-Death Metal hieß das Zauberwort und so holzte man schön ursprünglich und roh durch die Gegend. Man ging tight und schnittig zu Werke und die mit treibenden Riffs versehenen Songs sorgten für mächtig Hummeln in Arsch. Dazu kamen furiose Melodien, die dem Highspeedgeknüppel einen beinahe wahnwitzig anmutenden Touch verliehen. Auch der Sänger im PUNGENT STENCH-Shirt lieferte einen hervorragenden Job ab und hatte ständig eine bösartige Grimasse im Gesicht. Tempovariationen gab es bei NECROPHAGIST zwar kaum, aber der räudige Death Metal konnte auch so gefallen. Brutaler und extremer kann man kaum klingen. Auf Grund der wirklich atemberaubenden (im wahrsten Sinne des Wortes) Hitze war das Vergnügen zwar nicht ganz uneingeschränkt, trotzdem war es beachtlich, was NECROPHAGIST unter diesen Bedingungen auf der Bühne boten.

Ich will ehrlich sein, ein wenig sehnte ich das Ende dieses kräftezehrenden Marathons schon herbei; aber halt, erst einmal waren ja noch POSTMORTEM dran. Die haben groovigen bis beinahe rockigen Death Metal am Start und konnten mit ihren kurzen und knackigen Nummern den Anwesenden tatsächlich noch die letzten Reserven herauskitzeln. Man möge mir nachsehen, dass ich zu so später Stunde nicht mehr allzu viele Details mitbekam, woran der Geburtstag des oben genannten, nach wie vor sehr trinkfreudigen, Kollegen durchaus mitschuldig ist. Aber auch die sehr heiße und feuchte Luft machte ein wenig träge und müde.
Jedenfalls verkaufte sich die Band mehr als ordentlich und auch ihnen kann man nicht vorwerfen, dass sie sich trotz der tropischen Temperaturen zurückgehalten hätten. Eines leuchtet mir allerdings nicht so recht ein. Auch wenn POSTMORTEM schon seit zwölf Jahren die Bühnen unsicher machen und auch schon eine beachtliche Reihe an Scheiben veröffentlicht haben, hätte ich die Jungs bei dieser Bandbesetzung trotzdem nicht auf die Headliner-Position gesetzt. Aber sei es, wie es sei - dass auch sie ein brutales Brett herunterreißen können und mit viel Power und Energie zu Werke gehen, war jedenfalls nicht zu übersehen bzw. -hören. Da rockte es an allen Ecken und Enden!

Diese Party gehört mit Sicherheit zu den absoluten Highlights der reichlich dreijährigen Scheddel-Geschichte. Bleibt aber zumindest die Frage, wie es nun weiter geht, da ja mittlerweile klar ist, dass es schon recht bald wieder Scheddel-Konzerte geben wird. Da hätten wir zunächst die Releaseparty von GRABAK am 27.9. und zwei Konzerte, die in der Moritzbastei ausgetragen werden und von DIE APOKALYPTISCHEN REITER (25.10.) bzw. CALIBAN (8.11.) geheadlined werden. Das nächste richtige Scheddel-Konzert findet dann am 27.12. wie immer im Tonelli's statt, wenn die AC/DC-Coverband THE JAILBREAKERS und MAIN MACHINE auf der Bühne stehen werden. Und im neuen Jahr soll dann richtig spektakulär aufgefahren werden, wie Mastermind Ringo ja immer wieder betont. Wir sind gespannt...


Scheddel-Infos und bisherige Berichte gibt es hier:
http://www.powermetal.de/tour/festival.php?id=787

Redakteur:
Stephan Voigtländer

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