Heavy Metal - nix im Scheddel...? Nr. 53 - Leipzig

30.03.2005 | 13:27

24.03.2005, Moritzbastei

Ob aus Traditionsbewusstsein oder nicht - als Leipziger Mettler geht's einmal im Monat zum "Scheddel", da kann man einfach nix verkehrt machen. Und wenn sich eine Band wie HATE SQUAD nach längerer Abstinenz mal wieder die Ehre gibt, dann ist das natürlich erst recht ein Grund. Dennoch ist die Veranstaltung etwas dünn besucht, gerade im Vergleich zur DARK SUNS-Releaseparty vier Wochen zuvor, dem Spaß tut das allerdings keinen Abbruch.

Der Startschuss fällt mit den Berlinern von ORPHAN HATE. Die bezeichnen ihren Stil auf dem aufgehängten Banner gleich mal als "Metalfusion" und wenn man der musikalischen Darbietung lauscht, dann scheint das gar nicht mal so weit hergeholt. Die Hauptstädter liefern eine technisch erstklassige Leistung ab, die den intensiven Death Metal gleich auf ein viel höheres Niveau hebt. Auch die Leadsängerin kann stimmlich voll überzeugen, lediglich ihre Ansagen sind manchmal ein Griff ins Klo. Die Songs laufen gut rein, weil sie neben Brutalität auch durch Ausgefeiltheit und Melodik überzeugen können. Insgesamt kommen ORPHAN HATE sehr stark rüber, vor allem weil ihre Mucke sehr eigenständig und recht anspruchsvoll ist. Wie später zu erfahren ist, haben sie sogar direkt nach dem Gig einen Plattenvertrag bekommen, was die Stärke der Show wohl eindeutig untermauert.
(Stephan Voigtländer)

Es ist ein echter Ballerscheddel an diesem Donnerstag vor Ostern in der Moritzbastei zu Leipzig. Denn gleich am Anfang mit ORPHAN HATE so einen kräftigen Death Metal mit typischen SLAYER-Riffs zu erleben, dass ist schon eine feine Sache. Dazu noch die erst 19-jährige Sina Niklas am Mikro, die mit einem Organ röhrt, als hätte sie seit dem ersten Tag ihres Erdendaseins laufend an Zigarren genuckelt, um sich danach eine Flasche Jack Daniels über die zerkratzten Stimmbänder zu schütten. "Metalfusion" nennt das Quintett aus Berlin seinen Stil, die melodischen Metalcore-Anleihen lassen ahnen, warum ORPHAN HATE sich diesen weitreichende Umschreibung für ihre Musik ausgedacht haben. Viel, viel Potenzial, was in dieser Band steckt...
(Henri Kramer)

Was anschließend bei den JAPANISCHEN KAMPFHÖRSPIELEN aus dem schönen Krefeld abgeht, kann mich absolut nicht begeistern. Für mich klingt das einfach nach uninspiriertem Geschredder ohne jegliche Identität. Man ist zwar hörbar bemüht um Abwechslung in den Songaufbauten, aber richtig hängen bleiben will das Ganze trotzdem nicht. Ich will an dieser Stelle zwar nicht verschweigen, dass es einigen Leuten recht gut zu gefallen scheint, die absolute Tollheit im Publikum bricht jedoch nicht aus. Inhaltlich gibt's ein Grindcore-Gewitter mit Death-Metal- und leichter Punk-Schlagseite und seltsamen Texten ('Zieh die Jacke falschrum an', 'Verbrennt euer Geld', 'Verpackt in Plastik') auf die Lauscher. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich hätte mir eher noch eine Band vom Format von ORPHAN HATE gewünscht, denn die JAPANISCHEN KAMPFHÖRSPIELE sind einfach überflüssig.
(Stephan Voigtländer)

In der Tat wirken die JAPANISCHEN KAMPFHÖRSPIELE nach ORPHAN HATE etwas lahm. Okay, die zwei Sänger Bony und Paul können abwechselnd recht markant kreischen und schreien, doch das Gemisch aus Grindcore und Death Metal mit Rapper-Attitüde will nicht dauerhaft zünden, zu zerfahren wirken die meisten Songs. So bleiben eher die zum Teil krampfhaft komischen Zwischenansagen von Bony in Erinnerung - ob Bemerkungen wie "Wir sind Kommerz" oder "Verbrennt euer Geld" jeder im Publikum so witzig findet, sei einmal dahingestellt. Vor der Bühne jedenfalls brüllen einige Fans jeden Song mit und versuchen in der Pause noch lauter zu grunzen als die beiden Frontmänner der JAPANISCHEN KAMPFHÖRSPIELE. So fühlt sich Bony schließlich gemüßigt zu sagen: "Heute hat der Osten gerockt!" Aha...

Nun betritt ein Mann die Bühne, der die fernöstlichen Krachmaten aus Deutschland sofort vergessen macht, der allein mit seiner Dynamik den gesamten Saal fesselt: HATE SQUAD-Sänger Burkhard Schmitt bangt, rennt, kniet, tobt, schreit, verausgabt sich. Dem Typ ist sichtlich anzumerken, wie sehr er sich freut, mit seiner Band wieder auf den Bühnen der Republik zu stehen - in Leipzig zum Beispiel hat das Hass-Geschwader das letzte Mal vor zehn Jahren gespielt. Es scheint eine schwere Zeit gewesen zu sein, als HATE SQUAD danach ab 1997 im komatösen Zustand vor sich hindümpelten. So widmet Burkard einen der neueren Songs an die Menschen, "die versucht haben mich fertig zu machen" und schreit danach seine gesamte Wut heraus. Die Hits des Gigs liegen freilich bei den Stücken des Klassikers "I.Q. Zero" - dessen Titelsong und das überragende, am Ende immer schneller ballernde 'You're Not My God' werden von den etwa 200 anwesenden Fans frenetisch abgefeiert. Am Schluss wirft sich Burkhard todesmutig in die Massen, lässt sich tragen und abfeiern. Dieser Mann ist wieder aufgelebt und HATE SQUAD sowieso...
(Henri Kramer)

Wie schön, dass HATE SQUAD wieder zurück sind. Nach der längeren Pause brachte man ja bereits die Comeback-Scheibe "H8 For The Masses" unter's sehnsüchtig wartende Fanvolk und konnte dafür zumeist exzellente Kritiken einfahren (im Gegensatz zu den sehr konträren Reaktionen auf das dritte Album "Pzyco!"). Und auch auf dem Livesektor sind die Jungs nach wie vor eine Macht. Da wird ein erstklassiges Thrash-Inferno rausgerotzt und da die neuen Songs den Klassikern wie 'I.Q. Zero' in nichts nachstehen, kann ohne Unterbrechung abgescheddelt werden. In dieser Form gehören HATE SQUAD definitiv zum Besten, was der Thrash-Sektor in Deutschland zu bieten hat.
Wenn man sich einmal anschaut, dass alte Recken wie KREATOR wieder Hammeralben raushauen und auch etwas jüngeren Bands wie beispielsweise DEW-SCENTED endlich der große Wurf zu gelingen scheint und man dazu eben solch ein gelungenes Comeback wie das von HATE SQUAD feiern darf, dann muss man wohl das Wort "Thrash-Revival" in den Mund nehmen. Wie auch immer, HATE SQUAD kommen auf die Bühne, sehen die Fans und zerstören die Moritzbastei... Große Klasse, solche Bands braucht das Land!
(Stephan Voigtländer)


Scheddel-Infos und bisherige Berichte gibt es hier:
http://www.powermetal.de/tour/festival.php?id=787

Redakteur:
Stephan Voigtländer

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