Heavy Metal - nix im Scheddel...? Nr. 54 - Leipzig

08.05.2005 | 03:38

30.04.2005, Moritzbastei

Fünf Jahre ohne Pop-Musik, fünf Jahre mit dem fröhlich grinsenden Totenschädel im Logo, fünf Jahre "Heavy Metal - nix im Scheddel" - und die Feier dazu ausgerechnet in der Walpurgisnacht, dem Fest der Hexen. Ob es daran liegt, dass zur Geburtstagsfeier der Tradition gewordenen Leipziger Metal-Reihe weniger Leute als erwartet ihren Weg in die Moritzbastei finden? Oder ist der Grund, dass am selben Abend ein großes und kostenloses Open Air gegen rechte Gewalt am Völkerschlechtdenkmal steigt, bei dem unter anderem SUCH A SURGE auftreten. Wie auch immer, mehr als 250 Leute verschlägt es nicht zum Jubiläum von "Heavy Metal - nix im Scheddel". Dabei ist der Abend mit den Namen UNTAMED, POSTMORTEM, THE EXCREMENTORY GRINDFUCKERS und HANNS MARTIN SLAYER einmal mehr prominent besetzt.

Den Beginn machen UNTAMED, nachdem die Veranstalter durch die Moritzbastei laufen und die Fans in den Konzertraum bitten: "Es geht los." Die Jungs aus Altenburg sind die Antwort des Leipziger Umlands auf MACHINE HEAD, geschickt verbinden sich bei den fünf Jungs Nu Metal, Death Metal und einen Fetzen Crossover. Schick, oder?!

(Henri Kramer)

Jawollja. Sie sind immer wieder gern genommen auf Scheddel-Veranstaltungen, die Moshcore-Jungs von UNTAMED. Sie prügeln sich frisch und fröhlich durch ihre aggressiven Songs und wer zeitig genug da ist, kann zu dieser Abrissbirne schon mal schön in Wallung kommen. Der Auftritt kommt allerdings nur auf Grund der Tatsache zu Stande, dass die eigentlich angekündigten MACBETH offensichtlich Opfer eines Rachefeldzugs ihres Ex-Managers geworden sind. Dieser hat nämlich kurzerhand alle Gigs der Truppe bei den jeweiligen Veranstaltern gecancelt, wodurch die Scheddel-Crew gezwungen war, schnellstens Ersatz herbeizuschaffen. Doch UNTAMED sind halt stets eine gute Wahl, diese Band mit ihrer starken Liveperformance kann man sich einfach immer wieder ansehen.

(Stephan Voigtländer)

Nachdem UNTAMED-Dauerschreihals Christian auch diesmal seinen mit Aufnähern gespickten Kampfanzug vollgeschwitzt hat und das erste Fass Freibier des Abends geleert ist, sind die Berliner von POSTMORTEM dran. Ihr Thrash Metal mit vielen modernen Anleihen im Metalcore kommt beim Publikum ähnlich gut an wie schon zuvor UNTAMED.

(Henri Kramer)

Wie groß der Scheddel mittlerweile geworden ist, zeigt auch dies: Vor anderthalb Jahren fungierten POSTMORTEM noch als Headliner der letzten, groß aufgezogenen, Party vor der Sommerpause, diesmal stehen die Jungs auf Rang drei im Billing. Das ist aber keine Herabwürdigung der Berliner, sondern beweist vielmehr den gewachsenen Stellenwert vom Scheddel.
POSTMORTEMs Darbietung geht jedenfalls voll in Ordnung. Vor allem ihr Sänger zieht mit seinen debil-abgedrehten Grimassen viele Blicke auf sich. Wie schon zuvor bei UNTAMED sind keine größeren Schwächen auszumachen, so dass die Zuschauer voll auf ihre Kosten kommen.

(Stephan Voigtländer)

Trotzdem, das Publikum ist heute wegen einer anderen Band da. Das nächste Fass Freibier steht schon bereit, dann dürfen die EXCREMENTORY GRINDFUCKERS auf die Bühne. Sie propagieren ihre Musik als klare Kampfansage gegen "Black-Metal-Spaßbremsen", halten bei ihrer Coverversion von David Hasselhoffs 'I've Been Looking For Grindcore' Ausschau nach der Logik im Grind, beklagen aufrichtigst 'Es gibt kein Grind auf Hawaii'...

(Henri Kramer)

Was für ein Unterschied: Während das POSTMORTEM-Stück 'Der Totmacher' noch vielsagend mit "Das ist ein böses Stück über tote Leute, oder wie man Leute tot macht" angekündigt wird, haben Ansagen für Songs bei den EXCREMENTORY GRINDFUCKERS eher Klamauk-Charakter. Die Schlager-Verhunze tut nach dem ganzen bösen Metal richtig gut - egal ob 'Im Graben vor mir', 'Hossa Mexicore' oder das geniale 'Wann spielt ihr endlich wieder Grindcore?' als erste Zugabe - diese Band macht aus den ausgelutschtesten Schlagern die schönsten Mosh-Granaten. Wer den nötigen Humor mitbringt, kann hier feiern bis zum Umfallen. Nebenbei ist auch der initiierte Moshpit aller Ehren wert.
Zum Abschluss kommt dann auch noch 'The Final Grinddown' ganz groß und beendet den Gig der paranoiden Schlager-Fetischisten. Aber mal ehrlich: Wer aus einer Stadt wie Hannover kommt (immerhin die Heimatstadt unseres Kandesbunzlers), der hat wohl gar keine andere Wahl, als bei der Schlager-Verarsche zu landen. Für mich jedenfalls sind die GRINDFUCKERS der (un-)heimliche Headliner, da sie massig gute Stimmung verbreiten und nebenbei auch noch richtig saftig abrocken.

(Stephan Voigtländer)

Nicht nur für dich. Es ist einfach famos, was ein alter Disko-Burner wie 'I Like To Move It' in neuem Grindcore-Gewand für Wirkungen auf die Nackenmuskeln entfalten kann. Zudem können die GRINDFUCKERS nicht nur derbe, sondern auch gefühlvoll. "Wir sind ja nicht zum Spaß hier", ruft Sänger Him und spielt kurz darauf sogar Flöte. GRINDFUCKERs sind cool, egal ob als Schriftzug auf den mitgebrachten String-Tangas oder eben selbst auf der Bühne. Es folgt der Grunzwettbewerb, der auch unter der Überschrift "Was Menschen unter Alkohol-Einfluss alles machen" laufen könnte: Einiges!

(Henri Kramer)

Es ist quasi die Neuauflage des letztjährigen Grunzwettbewerbs, bei dem Freiwillige aus dem Publikum ihre Stimmfestigkeit unter Beweis stellen müssen. Leider hat sich diesmal kein weiblicher Teilnehmer gefunden, um den männlichen Probanden mal zu zeigen, wo der Hammer wirklich hängt. Neben einigen durchwachsenen Beiträgen (über die Qualität des Gegrunzes der beiden Rezensenten decken wir hier mal lieber den Mantel des Schweigens) fallen besonders zwei Teilnehmer mit ihrem durchdringenden Gebrüll positiv auf. Klar, dass die beiden zum Finale noch einmal auf die Bühne gebeten werden um den Sieger unter sich auszumachen. Zuvor macht noch ein mysteriöser Typ mit dem sonderbaren Namen "Schlecksau" mit einer sehr eigenwilligen Interpretation von Gegrunze auf sich aufmerksam, was die Zuschauer reihenweise zu entfesselten Begeisterungsstürmen hinreißt. Dieser Kunde gehört in eine Talkshow!

Zurück zum Finale: Nachdem erneut keine eindeutige Entscheidung zu treffen ist, müssen beide gleichzeitig losgrunzen, um zu testen, wer den längeren Atem hat. Hierbei hat die anwesende Jury leider einen klaren Betrugsversuch überhört. Am Ende verliert somit der stimmlich voll überzeugende Dave Gahan-Verschnitt wohl nur auf Grund seiner Kurzhaarfrisur und die rote Scheddel-Jacke, die den Hauptpreis darstellt, geht in den Besitz des Kontrahenten über.
Nun ist es aber höchste Zeit für den Mainact des Abends.

Mit einer SLAYER-Coverband als Grande Finale kann man natürlich nicht viel falsch machen, denn so kommt noch einmal mächtig Bewegung in die zahlreichen herumgeisternden Alkoholleichen. Die Songauswahl beschränkt sich zwar auf die üblichen Verdächtigen - aber hey, wir sprechen hier von SLAYER. Und wer kann bei 'South Of Heaven', 'Dead Skin Mask' oder 'Angel Of Death' schon widerstehen, wenn die Songs beinahe so tight vorgetragen werden, wie beim Original. Bei der ersten Zugabe 'Black Magic' sucht der Sänger allerdings vergeblich nach einem Freiwilligen, der textsicher und mutig genug ist, den Song zu intonieren. Den Schlussgong setzt dann traditionell 'Raining Blood', bei dem dann auch noch die letzten Reserven verbraten werden dürfen (hier tut sich auch der kultige Mr. Schlecksau wieder auf amüsante Weise hervor).
Aber so schön die SLAYER-Cover auch sind, HANNS MARTIN SLAYER bieten trotzdem nicht viel mehr als ein bloßes Nachspielen der Originale ohne sonderlich viel Esprit. Eigentlich ein bisschen schade...

(Stephan Voigtländer)

Obwohl, so schlecht sind die Jungs nun auch wieder nicht. Nervten HANNS MARTIN SLAYER nämlich zum Beispiel beim Full Force im letzten Jahr um die Mittagszeit ganz furchtbar, können sie beim Scheddel-Geburtstag ordentlich Partyfeeling verbreiten. Bis auf den langhaarigen Drummer und den bulligen Glatzkopf am Mikro sehen die fünf Jungs zwar nicht unbedingt nach SLAYER aus, beschränken sich aber bei ihrer Setlist fast ausschließlich auf die Klassiker der Amis. 'Jesus Saves', 'Mandatory Suicide', 'War Ensemble' und 'The Antichrist' krachen ohne Gnade auf die austickende Menge und sind spielerisch perfekt. Da stört es auch wenig, dass die HANNS MARTIN SLAYER wenig eigene Akzente setzen und die Stimme nicht ganz so raubtierhaft bellt wie bei Tom Araya. Am Ende sind mehr Fans auf der Bühne als Musiker, die Stimmung prächtig und 'Raining Blood' der krönende Abschluss-Beginn für eine lange, lange Aftershowparty bis in den frühen Morgen, nach der nix mehr im Scheddel ist außer viel, viel Bier. Herzlich lallende Glückwünsche!

(Henri Kramer)


Scheddel-Infos und bisherige Berichte gibt es hier:
http://www.powermetal.de/tour/festival.php?id=787

Redakteur:
Stephan Voigtländer

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