Heidenfest 2011 - Oberhausen
06.11.2011 | 08:3608.10.2011, Turbinenhalle
Diesmal belassen es die Veranstalter des Heidenfests nicht bei ihren fünf bis sechs Truppen. Anno 2011 entern gleich neun Bands, eine namhafter als die vorherige, die Bühne und lassen sich von zahlreichen Fans und einer gut gefüllten Turbinenhalle feiern und ordentlich zuprosten.
Bereits im Vorfeld dürften bei jedem Anhänger die Wasserschleusen im Munde geöffnet worden sein, wenn man sich allein das Aufgebot ansieht: ALESTORM, TURISAS, FINNTROLL und, man mag sich die Augen vor Verwunderung reiben, WINTERSUN und viele weitere. Gemeinsam mit allerlei Newcomerbands treten jene Größen ihren unnachahmlichen Siegeszug am frühen Nachmittag an.
Hierbei machen die isländischen Stimmungskanonen von SKÁLMÖLD den Anfang. Stimmungskanonen deshalb, da schon zu Beginn die Reihen gut gefüllt sind und die Isländer die Laune ordentlich nach oben pushen. Und das Sextett aus dem hohen Norden agiert dabei äußerst souverän und routiniert. Beginnend mit 'Heima' sind es besonders 'Upprisa' und 'Hefnd', die jedenfalls bei mir nachhaltig haften bleiben. Ein ordentlicher Pagan-Paukenschlag, der sich da an den Anfang geschlichen hat. Ich bin wohl nicht der Einzige, der sich von der Truppe beeindrucken lässt, wodurch die Reihen von Minute zu Minute dichter besetzt werden. Mit Beifall und Applaus, den sich die Herren auch redlich verdient haben, machen SKÁLMÖLD nun Platz für die Dunkelfürsten von TODTGELICHTER.
Nach einer kurzen Umbaupause verfinstert sich das Innere der Halle, als sich jene Hamburger mit einer äußerst eigenwilligen Black-Metal-Variante bemerkbar machen. So stellt sich anfangs die Vermutung auf, dass TODTGELICHTER nicht den Geschmack des eher gut gelaunten Heidenfests treffen, wodurch die Stimmung bei SKÁLMÖLD merklich besser war. Sei’s drum, die Jungs ziehen ihren bitterkalten Schleier über die Reihen und bemühen sich mit ihrem neuen Werk "Angst" in der Hinterhand, die Menge aufzutauen. Leider gelingt ihnen das nur bedingt, wodurch sich viele Heidenfestanhänger erst bei den folgenden Acts vor der Bühne sehen lassen.
Aber dass mit den norwegischen TROLLFEST die Stimmung beinah überkocht, hätte ich im Vorfeld nicht gedacht. Mit einer herben Prise gute Laune, einer wohl mehr als trinkfesten Meute und einigen Ohrwürmern auch des neusten Outputs "En Kvest For Den Hellige Gral" im Gepäck, kann man die Skandinavier in den nächsten Tagen wohl als eine der Gewinner des heutigen Abends verbuchen. Dabei versuchen die sechs Trolle mit Jostein "Trollmannen" Austvik an der Front alles erdenklich mögliche, das Publikum anzustacheln und zu unterhalten, was ihnen auch merklich gelingt. Trollig-folkig, nicht wahr? So weiß auch das Saxophon zu begeistern. Die Stimmung bei der Band ist gut, die Stimmung in den Zuschauerreihen ist gut, Heidenfest, was willst du mehr?
Vielleicht einen Beitrag der nächsten Kapelle, ARKONA. Die Russen, um die stimmgewaltige Frontfrau Mascha, überzeugen nicht nur mich mit ihrem atmosphärischen Sound. Dudelsäcke, Maultrommeln, Sackpfeifen und dieses unnachahmlich kräftige Organ der Frontdame sorgen für einen gewohnt starken Auftritt, bei dem sich viele Zuschauer zum Tanzen, Schunkeln und vor allem zum Trinken animiert fühlen. Die Stimmung wächst bei jedem Song und auch die Band macht einen frischen, spielfreudigen Eindruck, allen voran natürlich Mascha, die das Publikum zum Mitsingen und -grölen auffordert. 'Goi, Rode, Goi' wird ebenso abgefeiert wie das abschließende 'Stenka Na Stenku', ehe der russische Beitrag an diesem Abend nach gut 40 Minuten die Segel streicht.
Es bleibt multikulturell und wir wandern auf der Landkarte etliche Kilometer südwestlich, denn die Österreicher von DORNENREICH eröffnen ihre 'Jagd'. Die Dark-/Black-Metal-Spieltruppe scheint, ähnlich wie TODTGELICHTER, nicht gänzlich in das heidenfestliche Konzept zu passen. Dafür lassen sich dennoch einige dunkle Seelen vor der Bühne blicken, um sich von Eviga, Inve und Gilvan berieseln zu lassen. Und da ich, ehrlich gesagt, vor diesem Zeitpunkt nicht viel vom Dreigestirn mitbekommen habe, macht der abwechslungsreiche Sound und speziell die Atmosphäre einen enorm dunklen, beinah schon bedrückenden Eindruck auf mich. 'Flammenmensch', 'Trauerbrandung' und das abschließende 'Wer Hat Angst Vor Einsamkeit' finden dennoch einigen Zuspruch seitens des Publikums, obwohl sich erstaunlich viele Menschen in der Vorhalle am Imbiss- und Bierstand versammeln.
Doch nun strömt die komplette Menschenmenge in die heiligen Hallen, denn nun folgt ein Beitrag, auf den wohl nicht nur ich mich am meisten im Vorfeld gefreut habe. "Scottish Pirate Metal", wie man ihn vor einigen Jahren kennen und lieben gelernt hat, wird nun von den unwiderstehlichen ALESTORM vorgetragen. Haben sie damals, im Vorprogramm von GRAVE DIGGER 2009, mein musikalisches Herz im Sturm erobert, sind nun zweieinhalb Jahre später die Erwartungen immens, speziell nach diesem bärenstarken, neuen Output "Back Through Time" im Gepäck. So ist die Stimmung bereits beim eröffnenden Titeltrack deutlich spürbar. Und auch wenn die (inzwischen auf fünf herangewachsenen) Freibeuter vielleicht nicht die spieltechnisch filigranste Band am heutigen Abend sind, so wissen Chris Bowes, Dani Evans und Konsorten doch die Menge zu begeistern, einzuheizen und sich ab der ersten Minute lautstark feiern zu lassen. So werden viele Stücke des neusten Zapfenstreichs unter die hungrige Meute gebracht, 'Shipwrecked', 'The Sunk'n Norwegian' und das unfassbar abwechslungsreiche 'Death Throes Of The Terrorsquid' werden ähnlich dankbar aufgenommen, wie die bereits bekannten Gassenhauer 'Captain Morgan's Revenge', sowie das bereits schon obligatorische 'Keelhauled', welches nach der Gute-Laune-Nummer 'Wolves Of The Sea' diesen eindrucksvollen Auftritt abschließt. Es wird gelacht, es wird gegrölt, es werden viele Hörner und Fäuste in den Oberhausener Himmel gehievt und nach dem Auftritt ALESTORMS auch ein wenig getrunken. Die Schotten haben es wieder einmal geschafft.
Die Laune aller Anwesenden bleibt auch bei der folgenden Truppe auf einem enorm hohen Level. Denn nun schlägt die Stunde von TURISAS. Auch wenn das neue Album "Stand Up And Fight" etwas zwiespältig aufgenommen wurde, so sind die Finnen in Punkto Bühnenpräsens nach wie vor eine Bank, sodass auch neuere Stücke frenetisch abgefeiert werden. So wie am heutigen Abend: 'The Great Escape' und das Titelstück werden ebenso vor Kraft nur so strotzend dargeboten, wie die bereits bekannten 'One More' und 'To Holmgard And Beyond'. Und auch die Geigen- und Keyboardbeiträge wirken dermaßen authentisch und fügen sich bestens ins Soundgefüge der bekloppten Skandinavier ein. Das merkt auch das Publikum, welches speziell die abschließenden Gassenhauer 'Rasputin' und (natürlich) 'Battle Metal' aus voller Kehle mitgrölt. So fanden TURISAS einen gelungenen Querschnitt der bisherigen Schaffensphase und lieferten einen enorm frisch wirkenden Auftritt ab. Stark.
The trolls strike back. Doch diesmal sind es die Finnen von FINNTROLL, auf die sich nun die Mehrheit der Zuschauer freut. Beginnend mit 'Avgrunden Öppnas' und 'Manniskopesten' entern die sechs Herren die Hallen. So war die Laune des Publikums meiner Meinung nach bei den beiden Vorgängern um einiges ausgelassener, was jedoch sicherlich auch mit der Zeit und Erschöpfung zusammenhängt. Bei jenem Stück, welches man wohl am ehesten mit dem Namen FINNTROLL in Verbindung bringt, 'Trollhammaren', tauen die meisten jedoch wieder auf und geben speziell beim Refrain Vollgas. Mit 'Rivfader' und 'Jaktens Tid' wird das Set des Sextetts nach rund einer Stunde jedoch geschlossen und der Auftritt FINNTROLLS im Großen und Ganzen doch zwiespältig aufgenommen. Die einen finden ihn mehr als gelungen und die Stimmung innerhalb des Publikumskreises beinah schon frenetisch, den anderen wirkt die Darbietung etwas kühl. Sei’s drum, FINNTROLL passen zum Pagan- und Heidenfest wie die berühmte Faust aufs Auge. Ob sie nun ein würdiger Headliner sind, sollte jeder für sich beantworten. Die Hälfte der Anwesenden wird diese Frage jedoch mit Sicherheit bejahen. Doch nun stellen sich viele die etwas müde wirkende Frage: "Etwa noch eine Band?"
Ja! Und auch wenn der Verfasser dieser Zeilen sichtlich erschöpft wirkt, so ist die Spannung und Aufregung vor WINTERSUN deutlich messbar, bekommt man die klirrend kalte Melodic-Death-Truppe um Sänger und Frontmann Jari Mäenpää doch nicht so häufig zu Gesicht. So rafft man sich noch einmal auf, um pünktlich zum stürmischen 'Beyond The Dark Sun' und 'Battle Against Time' diese spezielle und besondere Atmosphäre auf sich wirken zu lassen. Und mit einer ähnlichen Gänsehaut wie auf Platte, stellen sich spätestens beim melodisch melancholischen 'Sleeping Stars' einzelne Härchen hoch. So hat es sich doch bereits ab der Hälfte des Sets gelohnt, nach FINNTROLL nicht gegangen zu sein. Die Herrschaften machen einen agilen und lebendigen Eindruck und pushen die noch anwesenden Fans in die Höhe. So bekommen jene mit 'The Way Of The Fire' ein im wahrsten Sinne des Wortes brandneues Stück des schon seit Jahren überfälligen Albums "Time". So ist mit dem abschließenden 'Starchild' nun endgültig Schicht im Schacht, WINTERSUN kehren hinter die Bühne zurück und die Turbinenhalle wird leerer und leerer und blickt auf einen lohnenswerten Auftritt zurück.
So bin ich nicht der Einzige mit der Meinung, dass sich auch diese Heidenfest-Auflage einmal mehr vollends gelohnt hat. Jedoch sind, meines Erachtens, neun Truppen an einem langen Samstag deutlich zu viel. So hätte man auch gut auf die Beiträge etwas genrefremder Kapellen verzichten können, was ihre Leistung nicht schmälern sollte. Hätte man beispielsweise ALESTORM direkt hinter ARKONA spielen lassen, wäre spätestens ab diesem Zeitpunkt aus der Turbinenhalle ein gänzliches Tollhaus geworden. So dürfte man Fans und Anhängern solch festlicher Klänge summa summarum nicht arg so viele Gruppen zumuten. Dennoch kann man auch anno 2011 von einem vollen Erfolg, vielen zufriedenen, angetrunkenen und vor allem erschöpften Gesichtern und Bands sprechen, die dem Publikum die volle Pagan-/Folk- und Viking-Schlagseite vor den Latz schmissen. Kein Wunsch blieb wohl offen. So prophezeie ich, dass auch die nächsten Auflagen ein voller Erfolg sein werden.
- Redakteur:
- Marcel Rapp