Hell Over Hammaburg - Hamburg

06.05.2017 | 17:08

03.03.2017, Markthalle

Hamburg erlebt wieder die Hölle, aber im positiven Sinn.

Das "Hell Over Hammaburg" hat sich als feste Größe im Konzertkalender vieler Freunde verzerrter Stromgitarrenmusik etabliert und ist auch in diesem Jahr wieder eine Ansammlung dunkelbunt gemischter Truppen, die Hamburg eine Wochenende lang zum Vorhof der musikalischen Hölle machen. Wir sind mit einem kleinen Team angereist und werden versuchen Euch mit den nachfolgenden Zeilen, einen Eindruck über das Treiben in der ehrwürdigen Markthalle zu vermitteln.

Das fröhliche Potpourri wird in diesem Jahr von der Cottbuser Truppe ARROGANZ eröffnet, die für die kurzfristig abgesprungenen Känguru-Deaththrasher HELLBRINGER eingesprungen ist. Das Trio poltert mit brachial-ruppigem Black'n'Death-Geschepper los und scheint die Menge schnell zu spalten. Während einige diesen orgastischen Weckruf als Auftakt in das spektralschwarze Wochenende sehr zu genießen scheinen, wenden sich andere relativ zügig wieder anderen Beschäftigungen zu, die im weiteren Verlauf aufgrund der hohen Hitdichte im Programm eventuell zu kurz kommen könnten: Mit lange nicht gesehenen Bekannten schnacken, im Van-Shop stöbern und Flüssigkeit aufnehmen. Für mich ist das Gesamtpaket bei ARROGANZ stimmig, denn der glatzköpfige Bassfronter –K- kommt mächtig angepisst daher und auch Saitenzerleger –P- , der das Haarmanko seines Kollegen locker wieder wett macht, fegt ebenfalls über die Bretter als wolle er irgendwen schlachten. Obendrein kommt die blaue Bühnenbeleuchtung in Kombination mit den Kerzen als optischer Hingucker sehr gut rüber. Mir ist das nach einer Weile aber alles eine Spur zu krachig und so verlasse ich ebenfalls nach ein paar Songs die Halle, um oben erwähnten Aktivitäten nach zu gehen.
Setliste: Blood Ceremony; One Death; Breathing Blasphemy; KKK;Intoxicate;Demons Heart;Crush Their Temple
[Holger Andrae]

 

Es dürfte sich herumgesprochen haben, dass wohl kein Festival in dieser Größenordnung so viele unterschiedliche Geschmäcker bedient, wie das Hell Over Hammaburg. Für den ersten großen Kontrastpunkt sorgt dann auch schon NIGHT VIPER und so bekommt man als jemand, der mit den eröffnenden Düsterheimern wenig anfangen konnte, eben etwas später seine erste Metal-Glückseligkeit. Den schwedischen (gerade noch) Newcomern eilt nicht nur durch ihr starkes Debüt, sondern auch durch einige zurückliegende Clubshows bei uns ein sehr guter Ruf voraus und so hasten viele aus dem Gerade-erst-angekommen-Modus noch mit ihrem Begrüßungsbierchen in der Hand zu den Klängen des Openers 'The Hammer' vor die Bühne. Da erwartet sie eine merklich hungrige Band, die trotz einer anfangs besonders bei der kleinen Frontlady zu spürenden Schüchternheit oder vielleicht auch einer gewissen Ehrfurcht vor dem Auditorium bereits bei der nachfolgenden Bandhymne 'Night Viper' nicht nur die vorderen Fanreihen in der Hand hat. Als müsste Bassist Ruben mit seinem ACID-Shirt da noch großartig darauf hinweisen, welch guten Metal es mit weiblichem Gesang gibt, liefert doch seine eigene Combo gerade einen nachhaltigen Beweis dafür ab. Bei bestem Sound (lediglich das Gesangsmikro hätte anfangs etwas lauter sein können) fliegen die Köpfe spätestens ab dem punkigen 'Run For Cover' im schnellen Takt quer durch die zu diesem Zeitpunkt wirklich verdammt gut gefüllte, große Markthalle. Sängerin Sofie Lee Johansson hat zwar nicht die allergrößte oder besonders voluminöse Stimme, aber sie versprüht das genau richtige, rotzige Gift für die mit Ausnahme des eindringlichen 'Warrior Woman' recht kurzen und knackigen Songs. Der nach Schweden umgesiedelte Australier Tom Sutton, mit DIAMOND HEAD-Shirt ebenfalls dem musikalischen Anlass gebührend ausgerüstet, lässt an der Gitarre gemeinsam mit Neuzugang Johan Frick (auch bei LETHAL STEEL) im Vergleich zu seinen anderen, ebenfalls äußerst attraktiven Spielwiesen HORISONT und THE ORDER OF ISRAFEL seiner Vorliebe für alte Metal-Helden wie JUDAS PRIEST und METALLICA wesentlich mehr freien Lauf. Ein geiles Riff folgt dem nächsten. Ein besonderer Trumpf, gerade für die Live-Situation, sitzt bei NIGHT VIPER zudem hinter dem Schlagzeug. Nicht nur, dass sie den Songs einen rasanten Kick verpasst, die mit einem Dauerlächeln und voller Elan die Stöcke schwingende Jonna Karlsson müsste vermutlich auch nur wild eine Triangel spielen, durch ihre einnehmende Ausstrahlung würde sie die Zuschauer um den Finger wickeln. Durch den Verzicht auf jeglichen Ballast, wie etwa ausufernde Ansagen, bleibt dem spielfreudigem Quintett, das von seinem (vermutlich) bisher größten Auftritt sichtlich zunehmend euphorisiert ist, in dem 45-minütigen Set Platz für immerhin vier neue Songs. Davon kann nicht nur 'On The Run' besonders begeistern, das die Show abschließende 'Summon The Dead' könnte sich gar zum bisher größten Hit der Band entwickeln. Das sehen die Fans offensichtlich ganz genauso, denn die Stimmung könnte am Ende kaum besser sein. Hinterher hört man unter den Fanstimmen dann auch ausschließlich Begeisterung für die Band aus Göteborg und für nicht wenige stehen die Gewinner zumindest des ersten Festivaltages bereits zu diesem frühen Zeitpunkt fest.
Setliste: The Hammer; Night Viper; Never Win; Run For Cover;Never Be Enslaved ;Dagger In Hand; On The Run ;Warrior Woman; Exterminator; The Wolverine; Summon The Dead
[Lars Schuckar]

 

Nach dem sensationellen Auftritt von NIGHT VIPER und etwas Gesabbel in der Vorhalle versuche ich mich erneut daran, die allseits hoch gelobten UADA toll zu finden. Das Quartett aus Portland zählt zur Kapuzenfraktion, eine Form des Outfits, welche ich noch immer befremdlich finde. Aber: Let the music do the talking. Im Gegensatz zu anderen Vertretern der Schwarzwurzelmusizierkunst, verstehen es die vier Herrschaften, immer wieder melodische Momente in ihre Songs einzubauen. Das sind auch die Passagen, in denen ich anfange mit dem Fuß zu wippen und ich glaube, zu verstehen, was so viele an dieser Band toll finden. Die Halle ist auf jeden Fall pickepackevoll und wohin ich auch schaue, sehe ich wackelnde Köpfe, zuckende Körper und gen Hallendecke gereckte Hörnerhände. UADA bringt die Menge zum Kochen. Leider überwiegen die ultraschnellen Passagen, in denen ich manches Mal nicht einmal einen wirklichen Rhythmus erkennen kann. Das Problem von alten Ohren halt. Obendrein addiert sich der nicht verständliche Gesang von Jake Superchi hinzu, der mir natürlich ein paar Spuren zu viel "Gebrüll" und ein paar Quäntchen zu wenig "Gesang" beinhaltet. Der, wie bei fast allen Bands, sehr gute Sound und die visuelle Umsetzung in ausschließlich gleißend-weißem Licht macht die Show aber für Fans der Bands zu Augen- und Ohrenweide. Ich kann der Band zwar eine hohe Musikalität attestieren, kann mit dem gebotenen Ergebnis aber persönlich recht wenig anfangen. Weichei halt.
[Holger Andrae]

 

Weiter im Takt geht es mit OUR SURVIVAL DEPENDS ON US, einer Band aus Salzburg, in der unter anderem etliche Mitglieder von SOULSEARCH eine neue Heimat gefunden haben. Zu meiner Schande muss ich gestehen, mich vorher kaum mit der Truppe beschäftigt zu haben und weiß nur, dass sie seit einigen Jahren sehr aktiv in der Szene ist. So veranstaltet die Band unter anderem ein Festival auf einer Alm, wo auch das aktuelle Album aufgenommen wurde. Eine Band, die großen Wert auf Spiritualität legt. Dies wird schon beim Betreten der Markthalle klar, denn so stark nach Weihrauch hat es bei  noch keinem Konzert gerochen. Manch einer der Anwesenden empfindet diesen "Gestank" als störend, ich empfinde ihn sehr schnell als unterstützende Maßnahme, um in die Atmosphäre der Musik abtauchen zu können. Quasi als weitere künstlerische Dimension. Auch optisch ist hier alles stimmig, angefangen bei den mit Schädelknochen dekorierten Mikroständern über eine Schale, in der während der Show ein fröhlicher Kräutertrank zusammengefackelt wird. Dazu passt die Musik, die nur langsam Fahrt aufnimmt.  Zuerst gibt es wenig Gesang, was mich ein bisschen hindert, komplett abtauchen zu können und was leider dazu führt, dass ich die Halle Zwischendurch sogar für eine Weile verlasse, weil die Blase ruft. Als ich nach einer Weile – ja, bin wieder weggequatscht worden – wieder in der Halle bin, werde ich aber schnell in den Bann gezogen. Man hat das Gefühl, die Musiker hätten sich in eine Art Trancezustand gespielt, welcher nun auch auf große Teile des Publikums übergeht. Böse Zungen mögen behaupten, dass man von dem Duft in der Halle so benebelt ist, dass man gar nicht anders kann, aber ich erlebe dies anders. Alles fügt sich wunderbar zusammen und ich weiß, dass ich bei einem zukünftigen Besuch der Band in der Hansestadt sicherlich wieder anwesend sein werde.
[Holger Andrae]

 

Seit etwa zehn Jahren sind die TYGERS OF PAN TANG wieder ein fester und wichtiger Bestandteil der Hardrock- und Metalszene. Das liegt im Gegensatz zu einigen ihrer Altersgenossen nicht mehr nur an nostalgischen Live-Auftritten, sondern auch an überzeugender, aktueller Studioarbeit, schließlich konnte das neue, selbstbetitelte Album den ebenfalls sehr guten Vorgänger "Ambush" sogar noch übertreffen. Können die wiedererstarkten Großkatzen aber auch  vor gemischtem, zu einem nicht geringen Teil der schwarzen Musikkunst zugewandtem Publikum bestehen? Klare Antwort: Jein!

Nun gut, für beinharte Death Metaller, die bereits den nachfolgenden GRAVE MIASMA entgegenfiebern, ist die NWOBHM-Legende aus dem englischen Whitley Bay sowieso nur leidlich interessant, zumal die Tygers im Vergleich zu den Anfangstagen heutzutage ja noch zahmer agieren. Aber auch unter den Fans aus der Zielgruppe wird es hinterher ein paar kritische Stimmen zu hören geben. Am Auftreten der Band liegt das aber ganz gewiss nicht. Diese hat sichtlich Spaß, die Bühne zu rocken und besonders Sänger Jacopo Meille ist ständig in Bewegung und animiert fleißig das Publikum. Der Italiener, in Hemd und Weste wie üblich eher luftig elegant als rockig gekleidet und damit ein Unikum zumindest auf dem diesjährigen HOH, überzeugt einmal mehr mit einer tadellosen Leistung. Der sympathische Lockenkopf ist auch viel zu gut und mittlerweile nach über zwölf Jahren viel zu fest in die Band integriert, um einem seiner Vorgänger wie Jess Cox oder auch John Deverill (den wohl sowieso kaum jemand der Anwesenden je live gesehen hat) noch unnötig hinterher zu trauern. Seine Bandkollegen sind in ihrem Elan nicht minder weit von der Musikerrente entfernt. Vom letzten verbliebenen und schon lange ergrauten Gründungsmitglied Robb Weir erwartet man genau die gelassene Souveränität und Zufriedenheit, die er auch heute wieder an seiner Gitarre an den Tag legt. Die wilderen Posen und auch manches Solo überlässt er seinen jüngeren, langhaarigen Sidekicks Micky Crystal und Gavin Gay, die beide jetzt auch bereits lange genug an Bord sind, um nichts anbrennen zu lassen. Drummer Craig Ellis, der vor dem farbenprächtigsten Backdrop (Cover des neuen Albums) des Festivals domptiert, gehört ja sowieso schon lange zum Inventar. Auf die super eingespielte Truppe ist einfach immer Verlass, zudem ist der Sound optimal und da die Lightshow einige Farbe ins Spiel bringt, gibt es auch was fürs Auge.
Das vermeintliche Problem liegt daher also woanders, nämlich an der Setlist. Aber was heißt Problem, diese ist schlicht Ansichtssache und wer die Band zuletzt öfter gesehen hat, etwa bei einigen ihrer vielzähligen Festivalshows auf dem KIT, HOA oder BYH, darf sich heute an einer gemischten, teils sehr frischen Songauswahl erfreuen, bei der die neue Scheibe ausführlich vorgestellt wird. Trotz der auf eine Stunde begrenzten Spielzeit, kommen davon heute insgesamt fünf Songs zu Live-Ehren, zudem mit 'Keeping Me Alive' noch das Highlight vom Vorgänger. Der Albumopener 'Only The Brave' ist auf jeden Fall ein gelungener Einstieg, die sehr eingängige Nummer kommt bei den Fans bestens an und schaltet die Halle sofort in den Wohlfühlmodus. 'Blood Red Sky' erweist sich später da im Vergleich etwas sperriger, die 80er-Jahre-Huldigung 'Glad Rags' ist dafür wieder umso tanzbarer und motiviert so manchem zum Mitklatschen. Die Griesgrämigen haben zu diesem Zeitpunkt sowieso längst die Halle verlassen. Die besten Fanreaktionen erzielen aber trotzdem erwartungsgemäß die Klassiker. 'Gangland', 'Euthanasia', 'Suzie Smiled', 'Hellbound' - Hardrockherz was willst du mehr? Einige Bewunderer in der ersten Reihe scheinbar nichts, denn die lassen die Matte kreisen, als stünde hier eine Thrashkapelle auf der Bühne. Manch anderer vermisst dann aber halt doch weitere, eigentliche Pflichtklassiker wie 'Don't Touch Me There' (den kann man eigentlich wirklich kaum weglassen), 'Wild Catz' oder 'Rock 'n' Roll Man', aber die gibt es halt nicht. Als Nicht-Neueinsteiger kann ich damit gut leben, allerdings macht es sich die Band unnötig schwer, als sie zum Abschluss auf das ZZ TOP-Cover 'Tush' zurückgreift. Das ist dann wirklich überraschend, aber auch äußerst zwiespältig, zumal man manchen Song eben noch fest auf dem Zettel hatte. Dennoch bleibt unterm Strich ein zweifellos guter bis sehr guter Auftritt, der sich wie immer voll gelohnt hat, auch wenn die Magie der letzten Shows nicht ganz erreicht wurde.
Setliste:Only The Brave; Love Don't Stay; Gangland; Blood Red Sky; Euthanasia; Glad Rags; Never Give In; Keeping Me Alive; Raised On Rock; Devil You Know; Hellbound; Suzie Smiled; Love Potion No. 9; Tush
[Lars Schuckar]

Nach dem blumig-bunten Tanzkapellen-Feuerwerk der TYGERS beendet nun das britische Krawallkommando GRAVE MIASMA den ersten Tag des Festivals. In blaues Bühnenlicht getaucht, bietet die Band räudig-chaotischen Death Metal, der offenbar viele Freunde am heutigen Abend findet. Für mich ist das weder musikalisch noch optisch besonders spannend, so dass ich nach einigen Songs die Halle verlasse. Im Alter muss man auch auf die Kondition achten und es steht ja noch ein längerer zweiter Tag an.
[Holger Andrae]

 

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Redakteur:
Holger Andrae

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