Hellhoundz Of Doom And Thrash - Berlin
17.11.2005 | 00:2312.11.2005, Hof 23
Fünf Bands im Rahmen eines Konzerts auf die Bretter zu schicken ist meistens keine gute Idee. Denn zur sowieso mit vier Parteien schon sehr üppig ausgestatteten Double-Headliner-Tour von CANDLEMASS und DESTRUCTION kommen in Berlin noch FATAL EMBRACE dazu, die sich als örtliche Mit-Veranstalter einen guten Platz in der Mitte des Billings sichern. Die Leidtragen solcher Groß-Pakete sind neben den ersten Bands, die zu früher Stunde (Konzertbeginn ist 19.15 Uhr) vor noch sehr lichten Reihen spielen müssen, in diesem Fall auch CANDLEMASS, denn einerseits sind die heute als letzte auftretenden Schweden sowieso schon die musikalischen Außenseiter der Tour, andererseits haben nach DESTRUCTION offenbar viele die Nase voll oder wollen noch außerhalb des Nachtbus-Taktes vom verkehrstechnisch nicht gerade überragend angeschlossenen Bezirk Weißensee nach Hause kommen. Wenn dann noch mindestens zwei Konkurrenzveranstaltungen am gleichen Abend um die Gunst der Metalfans buhlen, bleiben die Reihen aber auch zu vorgerückter Stunde ziemlich licht - gerade mal knapp zur Hälfte füllen sich die Räumlichkeiten des HOF 23.
[Elke Huber]
DEATHCHAIN
So müssen die finnischen Thrash-Hoffnungsträger von DEATHCHAIN vor geschätzten 25 anwesenden Bangern zeigen, dass sie auch in der Atmosphäre einer erweiterten Proberaumzuschauerzahl Bock haben, ihre pfeilschnellen Tracks herunterzudonnern. Sie haben. Die fünf Matten auf der Bühne kreisen in der Dauerrotation zu den Stücken ihres "Deathrash Assault"-Zweitwerks. Wenigstens können sie bei ihrer Vorstellung schon auf die coole Lichtanlage des Abends zurückgreifen, besonders die in der Decke verankerte Nebelmaschine schafft eine schöne Konzertatmosphäre - wenn schon die Zuschauerränge leer bleiben. Doch die Finnen geben sich alle Mühe, versuchen sogar mit den wenigen Fans zu reden - Motto: Satan und mehr - und haben am Ende mit 'Deathrash Legions' eine derart amtliche Vernichtungsbirne am Start, dass sogar einige Leute in der Halle ein wenig mit ihren Köpfen zucken müssen, des brutalen Refrain-Wechselgebrülls "Death Immortal, Thrash Immortal" wegen. Schick, genau wie des Bassisten weite Gothic-Hose...
[Henri Kramer]
AFTER ALL
Wer annimmt, dass DEATHCHAIN bereits den Tiefpunkt an Publikumsresonanz darstellen, der irrt. AFTER ALL können den Sicherheitsabstand vor der Bühne genauso wenig verringern und ernten obendrein noch weniger Applaus als die Finnen. An der Bühnenperformance liegt es definitiv nicht, denn die Belgier um Sänger Piet Focroul bieten eine engagierte Show. Doch das Publikum ist - wie sich beim Headliner später bestätigt - eher auf die ganz harten Töne aus, und dafür ist der Power-Thrash-Metal von AFTER ALL einfach zu melodisch. Hinzu kommt, dass den Songs ein Quäntchen Mittelmäßigkeit anhaftet, will heißen, schlecht ist das Ganze nicht, aber um richtig überzeugen zu können fehlt noch das gewisse Etwas. Vielleicht hätten sie SLAYERs 'Reign In Blood' gleich zu Anfang und nicht erst als letztes Stück covern sollen, um die Anwesenden auf ihre Seite zu ziehen. So bleibt zwar ein wohlwollendes "nicht übel" zu vermerken, allerdings wären AFTER ALL gerade angesichts des sowieso schon zu vollen Programms durchaus verzichtbar gewesen.
[Elke Huber]
FATAL EMBRACE
Ja, verzichtbar bringt es auf den Punkt. Nach der AFTER ALL-Show kommen die Berliner Urgesteine von FATAL EMBRACE mit einiger Zeitverzögerung auf die Bühne - und schon trauen sich die inzwischen doch etwas zahlreicheren Fans ein wenig mehr vor. Doch die Thrasher haben wenig Zeit, wie Frontmann Dirk Heiland kurze Zeit nach Konzertbeginn ins Mikro schnauzt: "Wir sind wieder mal die Arschgefickten - und haben totalen Zeitdruck." Umso schneller schleudern sie also ihren Old-School-Thrash-Metal in die Massen - und hier ist die Bezeichnung "Old School" wahrlich noch angebracht, seit nun schon 12 Jahren spielen FATAL EMBRACE diese Musik, wahrscheinlich werden sie in zwölf Jahren noch genauso klingen. Zwischendurch trashen sie sich sogar durch 'Whole Lotta Rosie' von AC/DC. Den Fans gefällt das musikalische Altertumsprogramm, sie moshen vor der Bühne ab und feiern Frontmann Dirk. Der Typ wirkt wie einer der letzten echten Thrash-Metaller: Bierwampe, Nietenweste, ein Kopftuch über den blonden und etwas schütteren langen Haaren. Wie sein Aussehen, so sind auch seine Ansagen eine Verbeugung vor der Zeit, als Metal einfach noch Metal und nichts anderes war: "Der nächste Song ist für alle Speed-, Black-, Death- und Trash-Metal-Fans, die jeden Morgen abmoshen..."
[Henri Kramer]
DESTRUCTION
An so viel ehrliche, fast schon ein wenig naive Metal-Hingabe kommt auch DESTRUCTIONs nietenbehängter Bassist und Frontmann Schmier nicht heran - obwohl er sich redlich müht. Denn auch er spricht von der Bühne herab von den wahren Metal-Werten, sagt, dass Thrash "am Ehrlichsten" ist und Metaltugenden wie Zusammenhalt toll sind. Langer Rede, kurzer Sinn: Früher war alles besser. Auch beim DESTRUCTION-Trio. Schmier versucht die optische Leere auf der Bühne auszugleichen, in dem er während der Songs gleich zwischen drei Mikroständern hin- und her hechtet und von dort aus die Textzeilen von Songs wie 'Nailed To The Cross', 'Release From Agony' oder 'Life Without Sense' ins Publikum schreit. Die Fans nehmen es ihm ab, die ersten Reihen moshen wie besengt. Hinter der dominanten Bühnenperformance von Schmier verschwindet fast Gitarrist Mike, mit seinen (laut DESTRUCTION-Homepage) 53 Kilo sowieso das Leichtgewicht der Band. Doch der Junge ist schnell an seiner Gitarre, sehr schnell, lässt fast vergessen, dass da nur eine Gitarre auf der Bühne zu hören ist. Doch nach spätestens einer Stunde ist es eigentlich genug, denn so abwechslungsreich klingen DSTRUCTION nun auch wieder nicht. Am Ende spielen sie aber fast zwei Stunden, mit Songs wie 'Bestial Invasion' und 'The Butcher Strikes Back' im ausufernden Zugabenteil. Anerkennend über so viel Standfestigkeit ruft Schmier dem Publikum zu: "Ich finde es cool, dass ihr euch Doom und Thrash reinpfeift." Wie zum Beweis kommt zum allerletzten Song CANDLEMASS-Onkel Messiah mit auf die Bühne und singt Schmier mit seinem mächtigen Organ unter den virtuellen Konzert-Tisch - und die Fans wissen: Jetzt bald kommt die Doom-Legende!
[Henri Kramer]
CANDLEMASS
Auch wenn ein nicht gerade geringer Teil der Konzertbesucher mit seinen Füßen gegen CANDLEMASS stimmt, so sind sie für einige (die Verfasserin dieser Zeilen eingeschlossen) doch der alleinige Grund des Kommens. Vier lange Stunde Wartezeit später zu fast mitternächtlicher Stunde ist es endlich Zeit für Doom! Der unendlich sympathische Mönchskuttenträger Messiah Marcolin lässt sich eine eventuelle Enttäuschung ob der wenigen Fanreihen zu keiner Sekunde anmerken und unterhält die "RAMMSTEIN-Stadt Berlin" wie gewohnt bestens mit seinem drolligen Deutsch. Dazu atmet und schwitzt der über die Bühne stampfende Bandchef aus jeder Pore ein Charisma, das seinesgleichen sucht. Aber auch Gitarrist Mats Björkmann und Bassist Leif Edling haben eine gute Portion Spaß in den Backen. Da wird mit dem Publikum gescherzt, da werden Hände geschüttelt, Mitsingspielchen inszeniert und mit einem strahlenden "Daumen hoch" des Wuschelkopfes quittiert. Der wie immer phantastischen Gesangsleistung Messiahs merkt man die ihn seit einer Woche plagende Erkältung keinesfalls an. Lediglich das Instrumental 'Into The Unfathomed Tower' dürfte als Zugeständnis an seine angeschlagenen Stimmbänder zu werten sein. Neben den mitreißenden Alt-Hits 'Mirror Morror' und 'Bewitched' weiß vor allem 'The Day And The Night' vom aktuellen Longplayer zu begeistern, wobei auf einer Skala von 1 bis 10 kein einziger Song qualitativ unter die 8 fällt. Allerdings macht sich bei einigen der lange Abend und die fortschreitende Müdigkeit bemerkbar, die Begeisterungsstürmen nicht gerade zuträglich ist. Einziges Manko des Auftritts ist denn auch die viel zu kurze Spielzeit von circa 70 Minuten, der etliche von immer wieder gerne gehörten Doom-Hymnen zum Opfer fallen. Denn CANDLEMASS waren, sind und bleiben großartig, und mit dem richtigen Tourpaket bekämen sie dafür auch die verdiente Resonanz. So dürfte jedoch die hohe Quote von Thrash-Bands dieser "Hellhoundz of Doom And Thrash"-Tour viele weniger tolerante Doom-Jünger abgeschreckt haben.
[Elke Huber]
Setlist:
Mars And Volcanos
Mirror Mirror
Copernicus
Dark Are The Veils Of Death
The Day And The Night
Into The Unfathomed Tower
Spellbreaker
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Bewitched
Solitude
- Redakteur:
- Elke Huber