Hells Pleasure Metal Fest - Pößneck

31.07.2009 | 15:16

17.07.2009, Motocross-Strecke

Das Hells Pleasure Metal Fest - auch in diesem Jahr ein Genuss in Black und Doom. Und mit einem Headliner, der ein historisches Konzert gab.

Es ist ein Auftritt, der Hunderte Zuschauer begeistert. Als die knapp tausendköpfige Besucherschar dem Treiben von PENTAGRAM auf der Bühne zusieht, sind die Jubelrufe wohl noch kilometerweit zu hören. Und in der Tat liefern die Jungs um ihren selig tänzelnden und in Ehre ergrauten Sänger Bobby Liebling einen Gig ab, der nur als legendär zu bezeichnen ist und den finalen i-Punkt auf ein wirklich cooles Wochenende beim Hells Pleasure setzt - dem allerdings auch noch einige Macken bescheinigt werden können.

Das fängt in der Nacht zum Freitag an, eher haben manche Schreiber nicht frei bekommen. Denn was ist zu diesem Zeitpunkt von verschiedener Seite zu hören? Der erste Tag am Rande des thüringischen Städtchens Pößneck sei noch etwas lau gewesen. Besonders die herbeigesehnten OFERMOD aus Schweden sollen eine Art "Nikolaus mit Bademantel und Speisekarte"-Black-Metal-Show abgezogen haben, die wohl kaum Freunde gefunden hat. Dazu sollen die Headliner ASBU wegen ihres faden Sounds kaum genießbar geklungen haben, der Dauerregen an diesem Abend macht offenbar einiges unmöglich. Dass der Ton noch Probleme macht, ist auch bei THE DEVIL'S BLOOD zu erleben.
[Henri Kramer]

The same procedure as every year, Hells Pleasure. Und so kann man die letzten Bands eines Abends traditionell im Regen erleben. Thüringen – das idyllische Fleckchen in Deutschland, in dem doch jedes Jahr regelmäßig Festivalgelände und Besucher absaufen. Bevor THE DEVIL'S BLOOD zum Abschlussakkord des ersten Festivaltags bitten, erfreuen sich die Fans vor der Bühne zumindest also am Nieselregen. Dieser verwandelt sich allerdings mit Spielbeginn wieder in einen saftigen Starkregen, so dass darunter auch die Technik zu leiden scheint. Die sonst so angenehm warme Stimme der Sängerin ist bei den ersten Songs nur schlecht herauszuhören. Da es sich bei den ersten Songs zusätzlich um neues Liedgut der Band handelt, hält sich die Euphorie von Seiten der Fans eher in Grenzen. Dies ändert sich aber rapide, als die niederländischen Okkult-Rocker einen Klassiker nach dem anderen zocken. 'The Heavens Cry Out' ist der beste Beweis dafür, wie man mit klassischer Rockmusik gepaart mit viel Atmosphäre vom Headbangen zur Gänsehaut kommt. So fühlt man sich gleich den guten alten siebziger Jahren und Bands wie BLACK SABBATH, BLACK WIDOW oder COVEN näher. Von den Startschwierigkeiten des Sounds ist zu diesem Zeitpunkt nichts mehr zu hören. Die Sängerin - einer Gallionsfigur gleich, da sie sich während der gesamten Spielzeit keinen Millimeter bewegt - überzeugt mit ihrer sehr angenehmen Stimme bei Songs wie 'White Faces' oder 'Christ Or Cocaine'. Für alle Fans von Psychodelic Rock ein absolutes Highlight!
[Stefanie Rudolph]

Und auch der neue Tag bringt neues Glück - das trifft auf den Samstag in extremer Weise zu. Denn mit REPENT gibt es zunächst geilen Thrash Metal aus Deutschland, den Sänger Jürgen "Eumel" Aumann mit seiner Performance ordentlich befeuern kann. "Wein, Weib und Gesang" verspricht er, geschrien werden die Texte von Songs wie 'Rat Race' oder 'Curse Of Power'. Nach der nassen Nacht ist der Boden des Geländes inzwischen mit viel Heu bedeckt. Bei dynamischer Musik dieser Art ein hübsches Spielfeld für (rest-)alkoholisierte Hells-Pleasure-Besucher.

Weiter geht es mit SERPENTCULT, dem ersten Doomy-Groomy-Hammer des Tages. Nicht nur wegen des Sounds lohnt sich dieser Gig. Denn Sängerin Michelle hat eine zunächst zwar eigenwillige Stimme, die sich aber im Laufe des Konzerts immer tiefer ins Hirn frisst. Dazu sieht sie in ihrem Holzfällerhemd einfach schnuckelig aus - aber das ist ein anderes Thema. Wirklich wichtig ist, dass auch die instrumentale Seite der Belgier anspruchsvoll klingt, verzwackt und mit vielen Kontrapunkten à la 'New World Order' versetzt ist. Und richtig schön langsam dazu. Auch hier sind die Zuschauerreaktionen schon enorm.

Serpent Cult

Noch mehr gehen die Leute aber bei PORTRAIT ab, schwedische Old-School-Metal-Schule. Mit Nieten, Pornobrillen und viel Leder geben sie ihren Klang schon rein optisch vor, der Gig gemahnt an alte Metalhelden wie MERCYFUL FATE. Entsprechend enthusiastisch reagiert das Publikum bei Smashern wie 'His Glowing Eyes'. Sprechchöre in Richtung der Mannen um Sänger Per Karlsson sind zu hören. Ein paar Typen haben dazu noch einen Pappaufsteller mit Bildern von drei Köchen darauf gefunden. Deren Köpfe müssen bei PORTRAIT natürlich auch mitgeschüttelt werden. Sehr unterhaltsam.

Mit RAZOR OF OCCAM folgt die erste Band des Tages, die sich dem schwarzen Metal verschrieben hat - und einen sinnvollen Namen besitzt. Denn Ockhams Rasiermesser, benannt nach einem mittelalterlichen Philosophen, ist eigentlich das Sparsamkeitsprinzip in der Wissenschaft. Es besagt, dass von mehreren Theorien, die die gleiche Sache erklären, die einfachste zu bevorzugen ist: je einfacher, desto ... Nicht so einfach allerdings ist die Musik von RAZOR OF OCCAM, die ordentlich nach vorn ballert. Im tiefschwarzen Sound enthalten sind auch einige Thrash-Einsprengsel, manches klingt wie die australischen Urviecher von DESTROYER 666 - kein Wunder, die Hälfte dieser Bande ist auch bei RAZOR OF OCCAM aktiv. Optisch in Erinnerung bleibt vor allem Bassist Alex, der mit Glatze und seinem finsteren Blick ein wenig an Jon Nödtveidt von DISSECTION erinnert.

Die Blackies von ORLOG danach fallen dagegen in die undankbare Rubrik "Verpasst, weil der Mensch auch essen muss." Allerdings sind danach LORD VICAR ein echtes Highlight, finnischer Doom Metal der Extraklasse.

Und noch ein Highlight, dazu ein überraschendes: DEAD CONGREGATION spielen einen Gig, der Todesblei-Gottheiten wie IMMOLATION äußerst gut gefallen hätte. Denn wie ihre amerikanischen Seelenverwandten zelebrieren die Griechen Death Metal der schwärzesten Sorte, mit grandiosen Riffs und auslandenden Gesten. Dazu hämmert der Doublebass-Sound, als gäbe es keinen Tag länger auf diesem Planeten zu leben. Ohne größere Ansagen gelingt dem Quartett so ein packendes Konzert, das Hits wie 'Auguring An Eternal War' zur Genüge bietet. Der Kommentar eines Fans auf der DEAD CONGREGATION-MySpace-Seite spricht Bände über dieses Auftritt: "Thanks for an amazing gig in Pössneck! Total death!"

Dead Congregation

AGATUS fallen leider einem akuten Schlafbedürfnis in Bühnennähe zum Opfer. Erst PRIMORDIAL funktionieren als Wecker, allerdings leider nur aus der Konserve. Dafür ist aber zumindest ihr Sänger Alan anwesend, offenbar hat ihm das Hells Pleasure im vorigen Jahr so gut gefallen, dass er gleich noch einmal als Gast gekommen ist. Kein Wunder. Denn auch der erste Headliner am Samstag überzeugt, obwohl es gerade da wieder zu regnen beginnt. Doch egal. Wer wie NECROPHOBIC Songs à la 'Awakening ...' oder eine neue starke Scheibe wie "Death To All" in seinem Programm hat, hat keinen Grund, sich vor einem Auftritt größere Sorgen zu machen. Entsprechend motiviert stürmt das Quintett aus Schweden die Bühne, um ihre Mischung aus Death und Black Metal ins Publikum zu schießen. Dort wird gleich einmal die Schweden-Flagge gehisst. Für die Begeisterung gibt es viele Gründe: NECROPHOBIC sind tight. Und sie spielen die Klassiker ihrer langen Bandgeschichte, etwa 'Black Moon Rising', das immerhin schon zwölf Jahre alt ist. Dazu sieht Frontmann Sidegard in seiner Black-Metal-Schürze äußerst ordentlich aus, in diesem Aufzug darf er auch den Untergang des Planeten beschwören. Als am Ende noch die Hymne 'The Nocturnal Silence' erklingt, ist der Tag um ein Klassekonzert reicher. Doch alles kommt noch viel besser ...
[Henri Kramer]

Haha, was für'n freaky Typ. Da sollte man wohl mit dem Titel von THE DEVIL'S BLOOD anknüpfen und sich fragen: "Christ Or Cocaine"? PENTAGRAMs Singer und Songwriter Bobby Liebling betritt mit quietschenger knallrosa Jeans, Siebziger-Jahre-Hemd und grauer Walle-Walle-Mähne die Bühne und freut sich, dass er wider Erwarten diesen Tag noch erleben darf. Von Beginn an sind die Fans mit ihm und seiner Band PENTAGRAM als eine der ersten Heavy-Doom-Bands - die Einflüsse von BLACK SABBATH sind unverkennbar. Parallelen ergeben sich nicht nur musikalisch, sondern auch beim Entertainment-Faktor. Beide Bands haben am Mikro ein Unterhaltungsunikum.

Bobby Liebling fegt drahtig und flink über die Bühne, schneidet im Sekundentakt Grimassen und gestikuliert aufs Lustigste. Charakteristisch sind seine Stilaugen. Während der Songs drohen seine Augäpfel über den Bühnenrand hinunter zu den Fans zu springen - als ob man einer Gummipuppe von hinten auf den Kopf drückt und dabei die Augen herausquetscht. Zudem finden Bobby Lieblings Unterhaltungskünste ihren Höhepunkt in immer wiederkehrenden Griffen ans Gemächt.

Muskalisch werden neben zwei neuen Songs Bobby-Lieblings-Klassiker wie 'Walk In The Blue Night', 'Ask No More', 'All Your Sins' oder '20 Buck Spin' zum Besten gegeben. Was für ein toller Anblick muss es für PENTAGRAM gewesen sein, von oben herab in eine breit grinsende Menge zu schauen: Von einem Ohr zum anderen und zurück grinsen die Musiker. Bei der ersten Zugabe ertönt endlich der PENTAGRAM-Übersong überhaupt: 'Sign Of The Wolf'. Darauf hat wohl jeder Fan gewartet. Etwas abgewandelt vom Original vorgetragen, aber Heavy Doom at its best. Schließlich widmet Liebling den letzten Song einer Bitch, der "Lazy Lady". Lässig.
[Stefanie Rudolph]


Bobby Liebling

Zum Abschluss des Festivals sind noch ESOTERIC dran - und können nach dem Auftritt von PENTAGRAM kaum mehr etwas bewegen. Zwar klingt ihr Sound tonnenschwer und böse. Und auch ihr Sänger Greg Chandler hat eine beeindruckende Stimme, die genial zur düsteren Stimmung der Briten passt. Doch wirken die überlangen Kompositionen um diese Uhrzeit einfach nur anstrengend, speziell nach einem so freudigen Ereignis wie PENTAGRAM. Pech gehabt.

Glück allerdings, das steht zu diesem Zeitpunkt schon fest, haben die Besucher des Hells Pleasure. Einen historischen Gig konnten sie erleben. Und jede Menge anderer cooler Bands dazu. Billige Alkoholpreise, nettes Essen und ein schönes Festivalgelände runden das Wochenende ab. Die vielen schwärmerischen Kommentare auf der Internetseite des Festivals stehen deswegen für sich - und zeigen, auf was für einem gutem Weg das Hells Pleasure ist. Solch eine grandiose Musikmischung aus Doom und extremem Metal gibt es kaum noch einmal. Nur an der Technik, da müssen sie in Pößneck noch arbeiten - speziell bei Regenfällen.
[Henri Kramer]

Redakteur:
Henri Kramer

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