HiRock Festival - St. Goarshausen
23.06.2013 | 20:5402.06.2013, Freilichtbühne Loreley
Ein Muss für jeden Fan der melodischen Rockmusik!
"Die Luft ist kühl und es dunkelt / Und ruhig fließt der Rhein / Der Gipfel des Berges funkelt / Im Abendsonnenschein", so lautet ein Vers aus Heinrich Heines "Loreleylied". Diesen Vers kann man auch sehr gut auf das HiRock Festival 2013 anwenden, wenn von Nachmittags bis in die frühe Nacht hinein Rockgrößen wie WHITESNAKE, JOURNEY, TOTO, SURVIVOR, EUROPE oder neuere Bands wie H.E.A.T sich die Klinke in die Hand drücken.
Doch ist es gar nicht einmal so einfach, von NRW aus auf den Loreleyfelsen zu kommen, da die heftigen Unwetter der Jahrhundertflut auch nicht vor St. Goar halt gemacht haben. Selbst die Fähre ist am zweiten Festivaltag nicht zu benutzen und man wird in das 11 Kilometer entfernte Dorf geleitet, um dort mit der Fähre kurz über den Rhein zu schippern. Doch ist man erst einmal auf der anderen Seite des Flusses, ist es nur noch eine kurze Fahrt den Berg hoch und schon steht man auf dem Festival-Campingplatz, der nur zwei Gehminuten von der Freilichtbühne entfernt ist, die über dem Rhein thront.
Die erste Truppe heute sind der schwedischen Senkrechtstarter von H.E.A.T und dieser eröffnet um Punkt 15 Uhr den Set mit 'Breaking The Silence'. Wirklich viel ist auf den wie in einem Amphitheater nach hinten weg ansteigenden Stufen nicht los um diese Uhrzeit. Es ist offensichtlich, dass besonderes jüngere Semester Spaß mit dem sehr melodischen Hard Rock/Glam Metal haben. Das Sextett legt sich dennoch mächtig ins Zeug und schafft es innerhalb der 50 Minuten Spielzeit, die Meute zu überzeugen. Neben dem hyperaktiven Sänger Erik Grönwall machen besonders die beiden Gitarristen Dave Dalone und Eric Rivers eine sehr gute und lässige Figur, was die Performance angeht. Die Setlist besteht zum Großteil aus Nummern vom aktuellen Album "Adress The Nation" wie etwa 'Heartbreaker' oder 'Downtown', doch wird auch die ein oder andere Perle von "Freedom Rock" und "H.E.A.T." gespielt.
Die BLACK STAR RIDERS sind zur Zeit in aller Munde und besonders in aller Ohren. Die Nachfolgeband von THIN LIZZY hat nur ein paar Tage vor dem Festival ihr "Debütalbum" veröffentlicht und erfreut sich größter Beliebtheit. Der erdige Rocksound der Gruppe scheint wesentlich mehr Leute zu begeistern als die poppigere Band H.E.A.T. Mit dem Titelsong 'All Hell Breaks Loose' legt die Truppe los und sofort reckt das Publikum die Hände in die Luft. Selbst Mitsingen bei den neuen Songs ist absolut kein Problem für das HiRock Festival. Am meisten freuen sich die Fans aber über die gebotenen THIN LIZZY-Songs wie etwa 'Jailbreak'. Anders als bei SEBASTIAN BACH etwa, der mehr Songs seiner alten Band spielt als eigene Kompositionen, liegt das BLACK STAR RIDERS-Hauptaugenmerk auf ihren eigenen Liedern. Gegen Ende gibt man mit den beiden Klassikern 'Cowboy Song' und 'The Boys Are Back In Town' noch einmal richtig Gas, bevor man sich von den Fans verabschiedet.
Die Stimmung kann eigentlich kaum noch besser werden: Die Sonne scheint, ohne dass ein Wölkchen am Himmel steht, die Organisation des Festivals läuft reibungslos und BLACK STAR RIDERS hat gerade mehr als ordentlich gerockt. Die Schweden von EUROPE müssen sich da echt anstrengen. Die Band feiert diesen Sommer ihr 30jähriges Bestehen und von daher darf man sicherlich auf die eine oder andere lange nicht gehörte Perle hoffen. Ich persönlich würde ja gerne viel von "Prisoners In Paradise" hören wie 'Talk To Me', 'Homeland' oder 'I'll Cry For You', doch werde ich auch dieses Mal enttäuscht werden. EUROPE schafft es aber, mit ihrem energiegeladenen Set und dem sympathischen Goldkehlchen Joey Tempest dies wieder wett zu machen. Nach drei "Bag Of Bones"-Krachern gibt es mit 'Scream of Anger' einen ziemlich alten Song vom zweiten Werk "Wings of Tomorrow", später wird sogar noch 'Seven Doors To Hell' vom Debüt gespielt werden, der seit den späten 80ern nur noch sehr selten gespielt wurde. Bis auf das großartige "Start From The Dark" wird von jedem Studioalbum mindestens ein Song gespielt, die meisten Titel stammen heute von "The Final Countdown". Neben der üblichen verdächtigen 'Carrie', 'Rock The Night' und dem abschließenden Titelsong gibt es sogar noch 'Cherokee'. Die etwas mehr als 70 Minuten von EUROPE vergehen wie im Flug und selbst, dass 'Open Your Heart' nicht gespielt wird, kann man den Fünf verzeihen. Der bisher beste Auftritt des noch jungen Tages.
WHITESNAKE hätte für mich die Band des Festivals werden können, doch ist der Sound leider bei weitem nicht so klar und gut abgemischt wie bei den drei vorherigen Bands und JOURNEY später. Sänger David Coverdale ist heute bei allerbester Laune und gibt sich sehr Fan-nah, er steigt oft die Stufen der Bühne hinab und reicht das Mikro einem Fan. Auch seine Mitstreiter machen allesamt eine super Figur und rocken mehr als ordentlich über die Bühne. Die Setlist sollte ebenso vielen älteren Fans gefallen, da selbst lang nicht mehr gespielte Nummern wie 'Don't Break My Heart Again' und 'Ready An' Willing' gebracht werden. Der Großteil stammt aber natürlich von "1987" und den letzten beiden Werken "Good To Be Bad" und "Forevermore". Von "Slide It In" wird nur 'Gambler' angespielt und von "Slip Of The Tongue" kommt leider kein einziger Song (ob die Band 'Fool For Your Loving' in der "Slip Of The Tongue"- oder "Ready An' Willing"-Version spielt, kann ich leider nicht sagen). Schwachpunkt der Show ist wohl, dass die Band nicht all ihre Hits in 90 Minuten unterbringen kann und so viele Songs in Medleys verwurstet oder gar nicht erst gespielt werden wie 'The Deeper The Love', 'Crying In The Rain' oder 'Love Ain't No Stranger'. Da kann nicht einmal der sympathische Coverdale etwas "retten". WHITESNAKE legt, was die Performance anbelangt, eine super Show hin, nur das drumrum stimmt leider nicht ganz. Aber zumindest die Playback-Vorwürfe der letzten Tour sind heute nicht haltbar, da Coverdale die eine oder andere Note versemmelt und insgesamt ziemlich rau klingt.
Headliner JOURNEY fährt heute ganz große Geschütze auf. Man hat seine eigene und sehr imposante Lichtanlage dabei und verzichtet sonst groß auf Bühnenaufbauten, was dem Ganzen eine sehr erdige Note gibt. Eröffnet wird der Gig mit 'Separate Ways'. Und eigentlich hätten die Jungs um Gitarrist Neil Schon direkt aufhören können, da es kaum noch besser werden kann. Man legt direkt mit 'Any Way You Want It' nach und hat spätestens jetzt den allerletzten Fan auf seiner Seite.
Auch meine vorherige Befürchtung, dass Sänger Arnel Pineda live die von Steve Perry eingesungenen Songs nicht richtig rüberbringen kann, stellt sich als unnötig heraus. Die kleine asiatische Springmaus klingt Perry stimmlich auch live sehr ähnlich. Würde man die Augen schließen, könnte man kaum einen Unterschied zwischen den beiden Sängern ausmachen. In vielen Refrains wird Pineda eh von der gesamten Band im Chor verstärkt, was stets für dicke Gänsehaut sorgt.
Die Setlist ist eine absolute Greatest-Hits-Angelegenheit: 'Only The Young', 'Chain Reaction', 'Lights', 'Open Arms', 'Be Good To Yourself' oder die grandiose Ballade 'Faithfully' werden gespielt. Von neueren Veröffentlichungen gibt es nichts zu hören, aber es vermisst sicherlich kaum jemand einen Song bei dieser starken Songauswahl. Allein das Schlussquartet aus 'Wheels In The Sky', 'Faithfully', 'Be Good To Yourself' und natürlich 'Don't Stop Believin'' macht den Auftritt von JOURNEY zum besten des Festivaltages. Da kann die Zugabe 'Lovin', Squeezin', 'Touchin'' leider nicht mehr mithalten, der Klasse des Auftritts tut dies aber keinen Abbruch.
Das HiRock ist jedem Fan von (80er) Rockmusik zu empfehlen. Die Lage an der Loreley ist traumhaft und die gesamte Organisation vom Bierholen bis hin zum Wegfahren vom Parkplatz lief absolut geschmeidig ab. Da darf gerne eine weitere Auflage folgen.
- Redakteur:
- Sebastian Berning