Horrorpops - Düsseldorf
03.10.2004 | 03:3415.09.2004, Stone-Ratinger Hof
Ich packe meine Festivaltasche und tue hinein … ein Navigationssystem! Das hätten wir auf jeden Fall nötig gehabt. Denn dank dieses guten alten Gedächtnis-Spiels irgendwo zwischen Gießen und Dortmund verfahren wir uns erstmal ordentlich. Müssen uns von Dortmund aus nach Düsseldorf durchschlagen, und dann auch noch den Ratinger Hof finden. Zum ersten Mal bei einem Konzert parke ich im Parkhaus. Düsseldorfs Altstadt sieht zum Kotzen und absolut uneinladend aus. Aber wir finden das "Stone", wo ganz klein, in dunkelgrauen Lettern "Ratinger Hof" druntersteht. Gerade rechtzeitig, denn es ist noch kein Einlass. Und so wartet die kleine, aber feine Schar an skurrilen Gestalten geduldig vor dem Eingang.
Es ist schon etwas ironisch. Da fährt man 150 Kilometer, um die Punk-Urgesteine von THE OFFSPRING live zu sehen, und nun über 350 Kilometer, um deren Vorband in einem winzigen Club zu sehen. Das letzte Mal, dass ich das gemacht habe, war bei DISTURBED in Berlin, und damals war ich derb enttäuscht. Doch jetzt weiß ich ja, was mich erwartet. An den HORRORPOPS muss etwas Besonderes sein. Und ist es auch! Die Band hat Charisma und unheimlich gute Musik am Start. Und einen Drummer, der mal eben bewaffnet mit einem Badetäschchen und den Worten: "Don't make jokes about my bath-bag!" oder etwas in der Art vom Bus in den Club wechselt. Es ist immer noch zu, und gerade, als Fran meint, etwas zu essen sei eine gute Idee, öffnen sich die Pforten. Scheinbar sind wir die einzigen, die VVK-Tickets haben. Und scheinbar ist die Band die einzige Gruppe von Leuten, die für dieses Konzert weiter gereist ist als wir. Apropos Band: Uli (Ulrike) und Fran (meine Freundin) machen mich kurz nach Betreten des Clubs auf etwas aufmerksam, womit ich bei diesem kleinen familiären Ambiente ohnehin gerechnet habe, und weswegen ich kotzen könnte, dass ich weder Edding noch das Album-Booklet eingepackt habe: Am Eingang steht lässig Patricia, die endcoole Sängerin der HORRORPOPS.
Die Vorband spielt. Nach unzähligen Malen, die ich deren Namen vergessen hatte, habe ich es mir mit "Rakete 25" gemerkt. Eigentlich heißen sie aber ROCKET 25. Der Punk, den sie spielen, ist trotzdem nicht mehr als 08/15. Aber immerhin füllen sie Zeit und Raum. Ich habe ohnehin keine Ruhe mehr, ehe ich nicht wenigstens ein Photo mit Patricia gemacht habe. Als ich mich sturznüchtern endlich dazu durchgerungen habe, gehe ich zu ihr an den Merchandising-Stand. Gerade wird sie auch schon photographiert, was mir die Sache leichter macht. Sie ist unheimlich nett. Halt eben so sympathisch, wie sie auch auf der Bühne rüberkommt und das Bild ist auch toll geworden. Ich wäre ja schon zufrieden gewesen, wenn ich einfach nur mit ihr darauf gewesen wäre, aber sie hat gleich den Arm um mich gelegt. So, ich bin erstmal rundum glücklich.
Als die Vorband ihr nie enden wollendes Set beendet hat, gehen wir zwei lustigen drei bis vor in die erste Reihe. Auf der Bühne, die mir gerade mal bis zu den Knien geht, wird fleißig abgebaut und emsig aufgebaut. Alles sehr angenehm, da der Soundcheck einfach mal weggelassen wird. Oder besser gesagt: Nekroman, der Gitarrist, zieht das mal eben in ein paar Minuten durch. Er ist es auch, der durch die ganze Menge hindurch den Bass der Sängerin zur Bühne trägt. Und ob man es glaubt oder nicht, von mir, und auch allen um mich herum wird dieses heilige Instrument erst mal ausführlich photographiert.
Ist wirklich alles schon ziemlich klein und eng in diesem Club. Dafür wirkt er mit den paar Leutchen drin aber richtig schön voll. Überall Mädels in punkigen Outfits und mit ziemlich krassen Tätowierungen. Unter den männlichen Anwesenden ist "eine Tolle toller als die andere" (Zitat von Franzi, die an dem Abend der Sprücheklopfer schlechthin war), weshalb man Nekroman auch kaum ausmachen kann. Ich frage mich wahrlich, wie auf dieser Streichholzschachtel von einer Bühne sechs Musiker und ein Kontrabass Platz finden sollen. Aber es geht. Kurz darauf betreten Patricia & Co. die Bühne. Da die Setlist zum Greifen nahe ist, wird’s keine Überraschungen geben. Nekroman stimmt die Gitarre noch einmal, und dann geht es mit dem Lied los, das eigentlich das Album abschließt: 'Horrorbeach'!
Alles kommt schon mal ordentlich in Bewegung. Die beiden Tänzerinnen, wie immer in Rüschen-Röckchen, machen gleich mal kräftig Stimmung unter dem angetrunkenen männlichen Teil des Publikums. Auffällig ist jedoch, dass ich eine von beiden nicht so wirklich kenne. Später stelle ich auch noch fest, dass sie wohl neu in der Band ist. Ich stehe absolut in der Pole-Position. Direkt vor mir, zum Greifen nahe: Patricia mit ihrem fetten UpRight-Bass. Links von ihr Nekroman, rechts von ihr Carsten. Ohne große Worte hängt man das Lied 'Julia' an. Ich mache die ersten Bilder, die so nah sind, dass sie auch ohne Blitzlicht gelingen. Besser kann es doch kaum noch werden. Zwar ist 'Julia' eins der bekannteren Lieder des Albums, aber nicht gerade der Überhammer für mich. Deshalb freue ich mich besonders auf 'Ghouls', das ist noch eine Nummer härter. Doch dann passiert etwas, womit ich überhaupt nicht gerechnet habe. Ein paar Typen zwei Reihen hinter mir fangen rücksichtslos an zu pogen. Keiner ist darauf gefasst, so dass ich nach zwei derben Schlägen nach vorn auf die Bühne gestoßen werde. Kaum hab ich mich gefangen, heißt es: nix wie weg. Ich flüchte zur Seite und hoffe, dass der Pit sich nicht zu weit ausbreitet. Die beiden Gitarristen stellen sich vor der Mitte der Bühne wie ein Schutzwall auf. Wenn ich mit allem gerechnet habe, aber nicht damit, dass auch nur irgendein Spinner auf die Idee kommt, bei den HORRORPOPS zu pogen. Das ist so dämlich wie bei JUSTIN TIMBERLAKE zu bangen. Sorry, ich hab nix gegen Pogo, aber dort war das sowas von unangebracht, dass es mich einfach nur ankotzte. Somit hatte ich also reichlich wenig von dem Lied, stand nun irgendwo am Rand rum, und das mit den Photos wurde nun auch schwerer. Aber auch dieses Lied ging vorbei, und es sind ja kaum alle Lieder so schnell. (Übrigens wurde aus einem ähnlichen Grund das Konzert in Münster abgesagt. Dort müssen die Sicherheitsbedingungen wohl noch schlechter gewesen sein.)
Was der große Vorteil an Debütbands ist: Sie spielen für gewöhnlich ihr ganzes Album durch. So auch die HORRORPOPS. Findet man dann auch noch fast jedes Lied des Albums genial, ist es wie ein Wohlfühlbad für die Ohren. Mit jedem Lied werden die HORRORPOPS nun cooler. Auch wenn ich gar nicht so viele Leute etwas trinken gesehen habe, schaffen sie es mehr und mehr die Stimmung aufzulockern. "Girl in a cage" kündigen sie erwartungsgemäß mit "Do you like Ska?" an. (Oh, wie ich es liebe, wenn Bands das machen!) Als danach nicht standesgemäß getanzt wird, wird kurzerhand erstmal abgebrochen, und darüber philosophiert, ob das Publikum denn nun "Ja!" oder "Vielleicht!" geschrieen hat. Wirklich cool, wie sie das in aller Ernsthaftigkeit durchziehen. Dann kickt das Lied natürlich doch noch. In der Folge wird zwischen tollen Nummern wie 'Baby Lou Tattoo' und der Single 'Misstake' immer wieder fleißig das Motto des Abends geprobt. "Hell Yeah!" heißt das und spricht wohl jedem der Anwesenden aus der Seele. Ich bin überrascht, dass der Albumtitel wirklich so sehr für die Stimmung der Band steht. Aber es ist tatsächlich so. Es herrscht einfach eine verdammt gute Laune, und da ist dieser kleine Ausspruch, wie er auf Nekroman's Finger tätowiert ist, das Passendste, was es gibt. Und diese Laune wird nicht nur durch verdammt gute Musik, sondern durch permanente Lustigkeiten geschürt.
Bleistiftsweise lässt es sich Gitarrist Carsten nicht nehmen, einem Fan seine Sympathien auszusprechen, dass er im MANOWAR-T-Shirt erschienen ist. Als man die "GoGo"-Tänzerinnen (nein, die haben sich übrigens nicht entkleidet) vorstellt und zu Naomi kommt, die nur "Nono" genannt wird spielen sie mal schnell etwas Basedrum ein, und beginnen mit "Nono, nononono, nononono…" und das Publikum aus mit voller Kraft: "There's no limit!" Ich hätte mich weghauen können, dass wahrlich jeder noch diesen verdammten Text kannte. Der Witz ging auf jeden Fall voll nach vorn los.
Und irgendwann pendelten sich auch die Lieder bei immer mehr Mitgröl-Arien ein. Bei 'Where they wander' wird glücklicherweise kaum gepogt. Und ich singe aus Leibeskräften mit. Dann machen die Spaßvögel irgendeine Anspielung auf NICKELBACK – wenn ich es richtig verstanden habe, da sie nun eine Cover-Version spielen wollen. Welche das ist, wird allerdings nicht verraten. Man übt nur mal mit dem Publikum erst "More, more, more!" und dann, wie Patricia verlangte: "Now in German!" und mit absichtlich krächzender Stimme: "Mähr, mähr, mähr!" Sie tauschte noch schnell den Bass mit Nekroman. Und dann ging's mit 'Rebell Yell' von BILLY IDOL los. Zwar kam dabei nur wenig Bewegung auf, aber die Stimmung war am Siedepunkt. Ich dachte ja noch: "Na, wer weiß, ob Nekroman so gut Bass spielt wie Gitarre?", aber nur ein paar Slap-Anschläge, schneller als man schauen kann, verwarfen mein Befürchtungen. Verdammtes Allround-Talent! Dann hieß es nur: Ihr wolltet ja NICKELBACK, deshalb ist das nun unser letztes Lied … weil das bei NICKELBACK auch immer so ist. Mit dickem Grinsen gingen sie von der Bühne. Aber eigentlich waren sie kaum verschwunden, hatten einen großen Schluck Jägermeister zu sich genommen, da ging es noch mal für zwei Lieder rund. Mittlerweile ging es nur noch pausenlos "Hell yeah, hell yeah!" oder Patricia fragte nur: "Who said 'bitch'?" und alle nur "Nekroman!" Es war alles einfach nur ein Riesenspaß.
Kaum war die Show aus, wurde abgebaut. Die Sängerin schleppte ihren Bass höchstpersönlich durch die Menge. Dem Drummer begegneten wir noch auf dem Weg nach draußen, gratulierten noch kurz zur gelungenen Show und mussten uns noch rechtfertigen, warum wir denn schon gingen. Draußen standen die GoGo-Girls und rauchten. Photo wollte ich aber nicht, denn dann hätte ich irgendwelche Typen mit drauf gehabt.
Mehr als fünf Stunden Heimfahrt lagen nun vor uns. Natürlich haben wir uns verfahren – weil Micks im Allgemeinem nicht auf ihre Freundin hören, wenn sie es sollten. Und obwohl die Fahrt etwa sechsmal so teuer war wie das Konzert, hat es sich gelohnt. Jeder, der mal die Chance hat, die HORRORPOPS live zu erleben, der sollte diese nutzen … Solange sie noch Underdogs sind. Bleibt nur zu sagen: Hell yeah!
- Redakteur:
- Michael Langlotz