IAMX - Helsinki

27.11.2008 | 09:39

21.11.2008, Nosturi

Die Straßen von Helsinki sind glatt. Doch im Nosturi taut nicht nur das Eis auf, auch die Stimmung kocht, denn Chris Corner und IAMX beglücken die Finnen zum ersten Mal.

Es ist Winter geworden in Finnland. Überall liegt dick Schnee, nur die Hauptstadt wird wieder einmal stiefmütterlich behandelt, in Helsinki gibt es lediglich spiegelglatte Straßen. Umso amüsanter ist es, die ins Nosturi strömenden Menschenmassen zu beobachten, denn Pfennigabsätze und Glätte vertragen sich nun mal nicht so gut. Grund für das Herausgeputze? IAMX haben sich für ihr allererstes Konzert in Finnland angemeldet, und dem metrosexuellen Frontmann Chris Corner wollen sowohl junge Damen als auch einige Herren ihre Schokoladenseite zeigen. Immerhin ist Chris selbst, bekannt durch die SNEAKER PIMPS, eine Art Fashion-Ikone in der Alternative-Szene.

Vorbei am Merchandise-Stand, an dem nicht nur T-Shirts, sondern eben auch die CDs der Combo - inklusive des neu erschienenen Livealbums - verkauft werden, geht es zum eigentlichen Club-Bereich. Wie es in Finnland so üblich ist, gibt es Alkohol nur in einem abgesperrten Bereich zu kaufen, die Leute direkt vor der Bühne müssen sich mit Wasser, Cola und dergleichen vergnügen, was allerdings mit Blick auf den Altersdurchschnitt der ersten Reihen keine schlechte Idee ist.

Als Vorband hat man sich die finnische Band I WAS A TEENAGE SATAN WORSHIPPER ausgeguckt, die trotz des etwas irreführenden Namens musikalisch eine ähnliche Richtung wie IAMX einschlagen. Diese spielen bei meinem Eintreffen allerdings bereits ihren letzten Song, und danach heißt es einmal mehr warten, warten, warten.

Die Spannung steigt, und als auf den noch geschlossenen Vorhang das Antlitz Chris Corners projiziert wird, ertönen verzückte Schreie aus den vorderen Gefilden. Diese stellen allerdings nur einen kleinen Bruchteil des Lärms dar, der losbricht, als sich der besagte Vorhang schließlich öffnet und Sue Denim mit zwei weiteren Musikern die Bühne entert. Chris selbst lässt auch nicht lange auf sich warten und kommt lässig zwischen zwei der aufgebauten Leinwände hervor.

Die Show kann beginnen. Als Opener hat man sich 'Bring Me Back A Dog' ausgesucht, und diese Wahl bewährt sich, denn das Publikum ist sofort gefangen genommen. Auf den Leinwänden laufen künstlerische Clips und Bilder, die die Performance unterstreichen, und auch die Lichtshow selbst ist bis ins Detail ausgeklügelt. Die ständigen Farbwechsel und Stroboeffekte tragen auch ungemein zur Atmosphäre bei, sind zur gleichen Zeit allerdings auch der absolute Albtraum für Fotografen mit Otto-Normalverbraucher-Equipment. Aber auch wenn das Visuelle bei IAMX schon immer eine große Rolle gespielt hat, so geht es natürlich in erster Linie um die Musik.

Der Sound ist gut, Chris in stimmlicher Hochform, man kann wirklich nicht meckern. Das Publikum sieht es genauso und feiert Lieder wie 'The Negative Sex', 'Song Of Imaginary Beings' und natürlich den Hit 'Kiss & Swallow' mit überschwänglichem Enthusiasmus. Auch wenn Gitarrist und Drummer mit von der Partie sind und Sue Denim selbst auch ab und an zum Saiteninstrument greift, so stehen die synthetischen Klänge hier definitiv im Vordergrund.

Was die Publikumskommunikation angeht, so könnte Herr Corner noch etwas mehr aus sich herausgehen. Besonders am Anfang spielt die Combo eigentlich nur einen Song nach dem anderen weg. Trotzdem ist der androgyne Frontmann ein großartiger Entertainer, der vor allem auch seine Lebenspartnerin Sue Denim immer wieder in die Show mit einbezieht. Aber nach der Hälfte der Show hat das finnische Publikum auch Chris' Herz erwärmt, und der Herr wird gesprächiger.

Da im neuen Jahr auch ein neues Album ansteht, wird natürlich auch ein wenig Material davon zum Besten gegeben. Zum einen gibt es dort eine wunderschöne Ballade, bei der die sich wiederholende, von Chris emotionsgeladen vorgetragene Textzeile "I am terrified ..." für Ganzkörpergänsehaut sorgt, zum anderen darf auch die Uptempo-Single 'Think Of England' natürlich nicht fehlen.

Auch 'Spit It Out' und 'Nightlife' animieren die Anwesenden zum Abfeiern. Da ist es natürlich Ehrensache, dass das Quartett nicht ohne Zugabe wegkommt. Diese beginnt mit einem weiteren Gänsehautmoment, denn 'This Will Make You Love Again' treibt einigen Besuchern kleine Tränchen in die Augen. Mit 'Preseident' werden Klänge im Walzertakt angeschlagen, was natürlich auch Auswirkungen auf das Tanzverhalten des Publikums hat. Zum Abschluss darf allerdings noch einmal clubtauglich gehüpft und mit dem Popo gewackelt werden. Den Abschluss des Sets bildet 'After Every Party I Die'. Chris hat seine anfängliche Schüchternheit nun endgültig überwunden und schmeißt sich während der instrumentalen Bridge zum Stagediving ins Publikum.

Man verabschiedet sich artig und entlässt die noch hyperventilierende Menschenmasse wieder auf die glatten Straßen. Auf dem Weg nach draußen decken sich die meisten mit den bereits erwähnten Merchandise-Artikeln ein. Der absolute Verkaufsschlager ist dabei ein Shirt mit der Aufschrift "IAMX for President" - besser kann man das Konzerterlebnis eigentlich nicht zusammenfassen.

Redakteur:
Ricarda Schwoebel

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