ICED EARTH, FREEDOM CALL, METAPRISM - Memmingen

28.01.2018 | 20:10

20.01.2018, Kaminwerk

ICED EARTH heizt dem Allgäu trotz Schneechaos ordentlich ein.

Fand mein letztjähriges Konzertjahr im Dezember mit den PRETTY MAIDS im Riffelhof zu Burgrieden, bei dem die MAIDS ihr 1987 erschienenes "Future World" Album in Gänze darboten, seinen krönenden Abschluss, so darf ich hier und heute im Kaminwerk in Memmingen mit ICED EARTH ins Konzertjahr 2018 starten! Metal-Herz, was will man mehr?

Meine erste live-haftige Begegnung mit der vereisten Erde hatte ich bereits im Jahre 1992, als sie im Vorprogramm von BLIND GUARDIAN im Ostwerk in Augsburg auftraten und mich komplett begeisterten. Seitdem habe ich sie unzählige Male in verschiedensten Besetzungen gesehen und wurde bei den Auftritten dieser großartigen Truppe wirklich noch niemals enttäuscht. Eine für mich bis zum heutigen Tag unvergessliche Tour fand vor genau 20 Jahren statt, als ICED EARTH ihr Überalbum "Something Wicked This Way Comes" zusammen mit den amerikanischen Rockern WICKED ANGEL, den süddeutschen BRAINSTORM und den finnischen SENTENCED präsentierten. Welch geniale Bandzusammenstellung! BRAINSTORM war bis über die Haarspitzen hinaus motiviert, ihre zweite Veröffentlichung "Unholy" einem größeren Publikum vorzustellen. Zu diesem Zeitpunkt wurden sie von einem bis dato noch eher unbekannteren Aushilfssänger namens Henning Basse (METALIUM, FIREWIND) unterstützt, welcher bei mir einen sehr bleibenden Eindruck hinterließ, nach besagter Tour allerdings in Richtung METALIUM abwanderte. SENTENCED hatte ihr großartiges "Frozen" Album mit im Gepäck und ICED EARTH profitierte von ihrem bis dahin stärksten Output und einem Matthew Barlow in bestechender Form.

ICED EARTH zelebrieren heuer auf ihrer aktuellen "Incorruptible"-Tour aber nicht nur das 20-jährige Jubiläum dieses Klassikers, sondern auch ihr mittlerweile 30-jähriges Bandbestehen. Es war das Jahr 1988, als Jon Schaffer seine damalige Band PURGATORY einer Namensänderung zu ICED EARTH unterzog.

Sehr viel hat sich seit 1998 im ICED EARTH-Lager getan und was folgte waren viele Besetzungswechsel, welche die bis dahin immer erfolgreicher werdende Band etwas von ihrem Kurs abbrachten. Die für ICED EARTHs Verhältnisse teilweise ungewohnte kompositorische Durchschnittlichkeit zog sich dann über einige Jahre, genauer gesagt bis ins Jahr 2011, als es Herrn Schaffer endlich gelang, mit Stu Block einen mehr als würdigen Barlow-Nachfolger dauerhaft in seinen Reihen zu etablieren und damit die gewohnte musikalische Kontinuität zurückzuerlangen. Seitdem gab es mit "Dystopia", "Plagues Of Babylon" und "Interruptible" drei allesamt starke Veröffentlichungen mit der Beteiligung des kanadischen Sängers. Die heutige nicht ganz einfache Aufgabe im Kaminwerk lautet also zum einen, den aktuellen Longplayer "Incorruptible" angemessen zu präsentieren, aber auch, dem vor 20 Jahren veröffentlichten "Something Wicked..." Klassiker die ihm gebührende Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Kein leichtes Unterfangen also, aber ICED EARTH wäre nicht ICED EARTH wenn dies nicht gelingen sollte.

Mit den Engländern METAPRISM und den deutschen Happy-Metallern FREEDOM CALL wurden zwei Bands ins Vorprogramm gepackt, die auf den ersten Blick nicht unbedingt hundertprozentig zur musikalischen Ausrichtung des Headliners passen wollen. Betrachtet man das Ganze dann aber aus einem positiveren Blickwinkel, bekommt der Zuschauer für sein Geld ein durchaus breites Spektrum an verschiedenen musikalischen Einflüssen dargeboten. Gespannt darf man auf alle Fälle sein, wie das oftmals stark auf den Headliner fokussierte Publikum die beiden Vorgruppen akzeptiert.

Der plötzliche Wintereinbruch lässt die sonst einstündige Fahrt nach Memmingen zur echten GeduldsprobeMetaprism 2018 werden. Die Folgen des plötzlichen Schneefalls sind einige Unfälle und Staus auf der Autobahn, sodass sich meine Anfahrtszeit fast verdreifacht. Der Witterung geschuldet verzögert sich deshalb meine Ankunft im Kaminwerk und ich erlebe nur noch die letzten zwei Songs von METAPRISM, was natürlich nicht ausreicht, um ein aussagekräftiges Zeugnis ihrer heutigen Bemühungen auszustellen. Was aber beim Betreten der Halle direkt auffällt, ist der glasklare, druckvolle Sound und eine sehr gut harmonierenden Band auf der Bühne, die gut beim Publikum ankommt und durch den Auftritt gekonnt die Werbetrommel für ihr am 26.01.18 erscheinendes, neues Album "Catalyst To Awakening" rührt. Der Wechselgesang der hübschen Sängerin Therisa Smith, die mit einer kräftigen, melodischen Stimme ausgestattet ist, und ihrem männlichen Gegenüber Joey Draper, der eher screamt, funktioniert prächtig und so gibt es für die Modern-Metaler wohlverdienten Applaus zum Ende ihrer Vorstellung.

Freedom Call 2018Nach kurzer Umbaupause betreten die Franken FREEDOM CALL die Bühne und bieten mit ihrer Bandhymne "Freedom Call" über "Metal Is For Everyone" einen gelungenen Querschnitt ihrer bisherigen Diskographie und verbreiten nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Publikum sichtlich gute Laune. Vermutlich der Tatsache bewusst, nicht vor eigenem Publikum aufzuspielen, verzichtet die Band auf unnötige Klamauk-Einlagen und konzentriert sich eher auf ihre härteren Nummern. Ihr etatmäßiger Schlagzeuger Ramy Ali wird am heutigen Abend aufgrund positiver familiärer Veränderungen durch seinen MASTERPLAN-Kollegen Kevin Kott vertreten, dem ich einen ausgezeichneten Job attestieren darf. Chris Bay und seinen Mitstreitern gelingt es unter ebenfalls guten Soundbedingungen, den Großteil des Publikums sowohl durch die enorme Spielfreude als auch ihr musikalische Können von ihrem lebensbejahenden Metal zu überzeugen und ernten deshalb auch mehr als den üblichen Höflichkeitsapplaus. Starker Auftritt.

Setliste FREEDOM CALL: Union Of The Strong; United Alliance; Freedom Call; Hammer Of The Gods; Masters Of Light; Warriors; Land Of Light; Metal Is For Everyone

Als ICED EARTH dann um 22:00 Uhr unter lautem Beifall die Bühne betritt, werden die Lautstärkeregler im Gegensatz zu den beiden vorherigen Bands eine ganze Schippe nach oben gefahren, was dem Gesamtsound leider nicht zuträglich ist. Dieser Zustand ändert sich auch im Laufe des gesamten Abends leider nicht, worunter vor allem Stu Block leidet, der sich ständig gegen einen zu lauten, sehr basslastigen Sound durchsetzen muss. Das war es dann aber auch schon mit Kritik meinerseits, denn außer dem erwähnten Lautstärke-Fauxpas macht ICED EARTH heute Abend so ziemlich alles richtig. Die Band zeigt sich als Einheit und beweist bei der Zusammenstellung ihrer Setliste ein äußerst glückliches Händchen – und das bei einer mittlerweile stolzen, 13 Studio-Alben umfassenden Diskografie. Natürlich findet deshalb nicht jedes Highlight ihres bisherigen Schaffens den Weg auf die Bühne. Um jedem einzelnen Zuschauerwunsch gerecht zu werden, müsste ICED EARTH wohl jeden Abend ungefähr sechs Stunden lange Konzerte zum Besten geben. Ihr famoses "Incorruptible" Album wird heute Abend aber berechtigterweise gleich mit insgesamt sechs Songs bedacht, wobei 'Black Flag' und vor allem 'Clear The Way', welches den Zugaben-Teil eröffnet, am frenetischsten bejubelt werden.

Doch der Reihe nach. Ein riesiges Backdrop mit dem aktuellen Motiv des "Incorruptible"-Covers verziert die Bühne und nach einem kurzen Intro legt die Band mit 'Great Heathen Army' vom aktuellen Album sehr energiegeladen los. An zweiter Stelle kommt, ohne Unterbrechung, 'Burning Times', bevor mit 'Dystopia' das erste und auch einzige Mal das tolle "Dystopia" Album berücksichtigt wird. Was folgt ist ein "Incorruptible"-Double, bestehend aus dem grandiosen, live nicht mehr wegzudenkenden 'Black Flag' und der Live-Abrissbirne 'Seven Headed Whore'. Im Anschluss wird dem anbetungswürdigen "The Dark Saga" Album in Form ihres Dauerbrenners 'I Died For You' und dem brachialen 'Vengeance Is Mine' Tribut gezollt. Vom "Burnt Offerings" Album wird nun, passend zum Wetter vor der Halle, 'Last December' aufgeführt, welchem direkt ein aktueller Song namens 'Raven Wing’ folgt. Nun ist der große Augenblick gekommen und das "Something Wicked ..." Album erfährt in Form der fast 20-minütigen Trilogie bestehend aus 'Prophecy', 'Birth Of The Wicked' und 'Coming Course’ seine wohlverdiente Aufmerksamkeit. Einfach nur göttlich.

Welch hohen Stellenwert allerdings auch das 1991 erschienene "Night Of The Stormrider" Album bei Jon Schaffer innehat, zeigt sich an der Tatsache, dass jenes Album gleich mit einem Dreierpack, beginnend mit 'Stormrider', bei dem Jon wie immer selbst den Gesang übernimmt, 'Angels Holocaust' und dem zum Niederknienden 'Travel In Stygian‘ bedacht wird. Nach diesem Abriss verlässt die Band kurz die Bühne, um lautstark von ihren immer noch hungrigen Fans zurück beordert zu werden. Den Zugaben-Teil eröffnet dann 'Clear The Way' bei dem das Publikum nochmals richtig steil geht und das den Zuschauern die letzten Reserven entlockt, bevor das Konzert mit 'Watching Over Me’, welches dem kürzlich verstorbenen Ausnahmekünstler Warrel Dane gewidmet wird, seinen mehr als krönenden Abschluss findet.  

Meine anfängliche Skepsis bezüglich der Akzeptanz des Publikums gegenüber den beiden Vorgruppen erwies sich im Nachhinein als unbegründet. Das Memminger Publikum feierte einen äußerst kurzweiligen Konzertabend, zu welchem gerade auch METAPRISM und FREEDOM CALL einen großen Beitrag leisteten. Hätte der Soundmann bei ICED EARTH die Lautstärke beider Vorbands beibehalten und die Regler nicht unnötig nach oben gedreht, wäre vor allem Stu Blocks großartige Gesangsleistung noch besser zum Ausdruck gekommen und meine Ohren würden nicht zwei Tage später immer noch pfeifen. Bei einer Gesamtspielzeit von 110 Minuten können, wie schon vorher im Bericht erwähnt, nicht annähernd alle Klassiker der Bandhistorie berücksichtigt werden und so vermisst vermutlich jeder den ein oder anderen seiner Lieblings-Songs. Meiner Meinung nach hat es die Band aber dennoch vorzüglich verstanden sowohl ihrem aktuellen Album, als auch dem "Something Wicked This Way Comes"-Jubilar genügend Zeit einzuräumen und damit eine tolle Balance aus Vergangenheit und Gegenwart zu schaffen. Bei Jon Schaffer ist überhaupt keine Spur von Altersmüdigkeit zu sehen und dieser aktuellen Formation, bestehend aus Jon Schaffer, Stu Block, Brent Smedley, Luke Appleton und Jake Dreyer ist zu wünschen, dass sie länger Bestand findet und noch einige Alben veröffentlicht. Hat wie immer sehr viel Spaß gemacht Herr Schaffer! Cheerz!

Setliste ICED EARTH: Great Heathen Army; Burning Times; Dystopia; Black Flag; Seven Headed Whore; I Died For You; Vengeance Is Mine; Brothers; Last December; Raven Wing; Prophecy; Birth Of The Wicked; Coming Curse, Stormrider; Angels Holocaust; Travel In Stygian; Clear The Way; Watching Over Me

Bilder: Tobias Vogel

Redakteur:
Mahoni Ledl

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