In Flames/Sepultura - Berlin

21.03.2006 | 12:02

19.03.2006, Columbiahalle

Zwei Bands aus zwei verschiedenen Generationen und zwei Ländern, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten, treffen aufeinander. Zwei Bands, die in ihrem Bereich jeweils Maßstäbe gesetzt haben, aber deren größte Gemeinsamkeit ein Mann mit Dreadlocks hinterm Mikro sein dürfte. Die Rede ist von den brasilianischen Tribal-Thrashern SEPULTURA, die seit dem Weggang von Max Cavalera allerdings nie wieder so recht an alte Glanzzeiten anknüpfen konnten, und den schwedischen Göteborg-Death-Metal-Mitbegründern IN FLAMES, die von Album zu Album größer werden. Auch wenn es theoretisch anders herum sein sollte, so zeigt die Realität deutlich, dass den Schweden trotz kürzerer Biographie die Headliner-Position gebührt. Aber im Grunde profitieren wohl beide voneinander, und das (mit rund 30 Euro nicht ganz billige) Paket passt hervorragend zusammen.

Als Opener fungieren die Franzosen von DAGOBA, deren Musik im Fahrwasser von Combos wie FEAR FACTORY oder MACHINE HEAD die noch recht spärlichen Anwesenden schon ganz gut in Stimmung gebracht haben soll. Da sie zum offiziellen Konzertbeginn um 21 Uhr ihre halbstündige Show allerdings bereits beenden, bekomme ich beim üblichen Ritual "Anstehen - Einlass - Anstehen - Jacke abgeben - Anstehen - Bier organisieren" nur noch die letzten fünfzehn Minuten am Rande mit. Hätte man sich eigentlich denken können, dass die Chose wie so oft zu früh losgeht...
[Elke Huber]

Mit dem Intro 'Lost' von der aktuellen Scheibe betreten SEPULTURA die Bühne, um dann gleich mit dem ersten Song von "Dante XXI", 'Dark Wood Of Error', loszubrettern. Ab dem ersten Moment ist Stimmung drin, und ab dem ersten Moment ist klar, warum diese Band so oft als "Thrash-Götter" bezeichnet werden. So viel Spielfreude und so ein druckvolles Set wie an diesem Sonntag Abend gab es von den Brasilianern schon lange nicht mehr. Frontmann Derrick Green kann diesmal live richtig überzeugen. Gitarrist Andreas Kisser ist sowieso eine Klasse für sich (besonders erwähnt sei hier die "Brasilien wird Weltmeister"-Ansage, die vom Frontmann prompt mit einem "Du spinnst, mein Freund" und einer Entschuldigung ans Publikum quittiert wird), und Basser Paulo Jr. sowie der für Igor Cavalera, welcher wegen der Geburt seines Sohnes nicht mit auf der Tour ist, eingesprungene Roy Mayorga (seines Zeichens Ex-Schlagzeuger von SOULFLY und MACHINE HEAD) bilden ein druckvolles Fundament. Ein erstes Highlight folgt dann gleich mit Song Nummer zwei, 'Refuse/Resist' vom Über-Album "Chaos A.D.", und spätestens da ist vermutlich den meisten in der Halle klar, was sie die nächsten 45 Minuten erwarten wird. Angefangen von Klassikern wie 'Arise' und 'Beneath The Remains' bis hin zu neuen Songs wie 'Convicted In Life' und 'False' vom aktuellen Album "Dante XXI" oder 'Choke' von "Against", jagt im Set von SEPULTURA ein Highlight das Nächste. Unübertroffen bleibt allerdings wie bei jedem SEPULTURA-Konzert 'Roots Bloody Roots', das als Zugabe den perfekten Abschluss bildet. Ein Set mit so vielen genialen Songs wird natürlich mit vielen feiernden Fans und mächtig Applaus belohnt. Zu Recht. Und vielleicht haben wir ja Glück und mit einer erfolgreichen Tour 2006 und noch so einem starken Album wie "Dante XXI" können wir SEPULTURA das nächste mal doppelt so lange als Headliner erleben...
[Gastautor Ben Kettner]

IN FLAMES sind schon lange ein Garant für energiegeladene und optisch ansprechende Shows, und so macht der weiße Vorhang in der von entspannt-elektronischer Musik unterlegten Umbaupause mehr als Neugierig auf das Bühnenbild. Nach einer halben Stunde Wartezeit fällt das Tuch zu den Klängen von 'Your Bedtime Story Is Scaring Everyone' schließlich schwungvoll zu Boden und gewährt freie Sicht auf eine Armee von Scheinwerfern und stabförmigen Lampen, die den 90minütigen Auftritt in ein prächtiges Farbenmeer tauchen. In Verbindung mit den bereits von vergangenen Konzerten bekannten Pyros entsteht somit allein schon visuell eine Mischung aus Tradition und Moderne, die man sinnbildlich auch auf die Setlist übertragen könnte. Natürlich liegt der Schwerpunkt auf dem aktuellen Output "Come Clarity", das mit sechs Stücken mehr als ausreichend vertreten ist, gefolgt von fünf Werken von "Reroute To Remain" und drei von "Soundtrack To Your Escape". Oder anders gesagt: Zwei Drittel der Spielzeit der seit über 10 Jahren aktiven Nordmänner entfällt auf die Veröffentlichungen der letzten vier Jahre. Logisch, dass dadurch viele Klassiker unter den Tisch fallen. Die größte Überraschung ist der immer noch geniale Uralt-Kracher 'Behind Space' aus "Lunar Strain"-Zeiten, und auch über 'Moonshield' vom Meilenstein "The Jester Race" freue ich mich riesig. Der Titeltrack von "Colony" darf ebenso wenig fehlen wie 'Inspid 2000', und 'Pinball Map' sowie 'Only For The Weak' decken die "Clayman"-Phase ab. Trotzdem ein eher schwacher Trost für die wenigen alten Fans. Denn der Großteil des Publikums ist jung, hat von "Death Metal made in Gothenburg" vermutlich wenig Ahnung und schaut bei den älteren Werken eher ratlos drein. Aber genau dieses Publikum füllt die Halle und somit die Geldbörsen der Band, und auf genau dieses Publikum werden offenbar die Live-Shows zugeschnitten.

Ich will eigentlich nicht wirklich meckern, denn IN FLAMES gehören immer noch zu den besten Live-Acts der Szene. Anders Fridén führt humorvoll durch den Abend, lässt die Mädels gegen die Jungs anbrüllen oder die linke Hallenhälfte gegen die rechte, und macht sich lustig über die Fans, die seiner Aufforderung, zur Ballade 'Crawl Through Knives' mit erhobenen Armen von links nach rechts und zurück zu schwenken, auch brav Folge leisten: "Wenn jemand das von mir verlangen würde, würde ich ihm den Stinkefinger zeigen." Seine klaren Gesangsparts werden immer besser, wenn es auch hin und wieder etwas Hallverstärkung weniger sein dürfte. Ist schon merkwürdig, wenn in 'Episode 666' an der Stelle, wo eigentlich das "666" folgen sollte, nur Anders' Echo zu hören ist, weil offenbar zu wenige Fans den Hit lautstark genug abfeiern. Und die beiden Gitarrenkünstler, Jesper Strömblad und Björn Gelotte, zaubern natürlich immer noch geniale Riffs und Soli auf ihren Instrumenten und sind gemeinsam mit Bassist Peter Iwers ständig in Bewegung. Lediglich der Sound lässt etwas zu wünschen übrig.

Vielleicht liegt's - neben der bereits erwähnte Überpräsenz der letzten drei Alben - auch an der Anordnung der Setlist. In der Zugabe drei Stücke von "Soundtrack To Your Escape" zu verbraten ist jedenfalls keine gute Idee. Somit ist der krönende Abschluss - wie sollte es auch anders sein - eher optischer Natur: Aus zahlreichen Kanonen wird ein silberner Konfetti-Regen in die Halle gepustet, während die Pyrotechniker auf der Bühne ihre letzten Reste verschießen. Wie gesagt, optisch waren und sind IN FLAMES ganz große Klasse.
[Elke Huber]

Setlist:
Intro: Your Bedtime Story Is Scaring Everyone
Pinball Map
Leeches
System
Trigger
Inspid 2000
Behind Space
Colony
Crawl Through Knives
Black & White
Take This Life
Come Clarity
Scream
Cloud Connected
Drifter
Moonshield
Episode 666
Only For The Weak
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The Quiet Place
Touch Of Red
My Sweet Shadow

Redakteur:
Elke Huber

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