In Flames, Sentenced - Frankfurt
29.10.2000 | 04:3810.09.2000, Batschkapp
Wir erinnern uns an letztes Jahr, als das Package IN FLAMES, DARK TRANQUILLITY, CHILDREN OF BODOM und ARCH ENEMY eine der besten Tourneen der ganzen Konzertsaison ablieferte. Und weil es gar so gut geklappt hat, tingeln die beiden erstgenannten Bands derzeit wieder durch deutsche und andere europäische Lande, diesmal mit den finnischen Weltschmerzkünstlern SENTENCED und TO/DIE/FOR. Ein Pflichttermin also für alle Freunde erlesenen Göteborg-Sounds und/oder hingebungsvoll zelebrierter Suizid-Hymnen.
So war es denn auch nicht weiter verwunderlich, daß sich vor der Batschkapp in Frankfurt wahre Scharen von Fans versammelt hatten, um dort allerdings erst einmal eine ganze Stunde (!) auf den Einlaß zu warten; Gründe für die Verspätung wurden keine genannt. Als ob das noch nicht genug gewesen wäre, begann das Konzert bereits, als noch etwa ein Drittel der Fans vor der Halle anstanden; erst gegen Ende des ersten Auftritts hatten alle Besucher die Security-Schergen passiert. Ein dickes \"Bäh!\" an die Batschkapp! Aber genug des Vorgeplänkels, reden wir von Mucke.
TO/DIE/FOR hatten die Aufgabe, das zu diesem Zeitpunkt bereits sehr vielversprechend gefüllte Auditorium für die nachfolgenden Acts ein bischen anzuwärmen und dabei natürlich auch kräftig Werbung für sich selbst zu machen. Allerdings, so ganz gelingen wollte dies den finnischen Newcomern nicht. Zwar wußte ihr irgendwo in der Schnittmenge aus H.I.M., CHARON und SENTENCED angesiedeltes, sauber vorgetragenes Material durchaus zu gefallen, allerdings machte Sänger Jape den eigentlich ordentlichen Eindruck mit seinem grauenhaften Gejaule wieder zunichte. Der Kommentar meiner Begleiterin (Gruß an Tatze) \"Der war in seinem früheren Leben ein Hund\" beschreibt das schiefe Gewinsel des Frontmanns sehr treffend. Sicher, das tut der Qualität der Mucke per se keinen Abbruch, zumal wenigstens die Gitarristen Joonas und J.P. mit ordentlichen backings aufwarten konnten, allerdings wies die ganze Chause weder hinsichtlich des Songaufbaus noch in Bezug auf Tempi und Rhythmik nennenswerte Variationen auf, so daß TO/DIE/FOR letztendlich über das Prädikat \"ganz nett, wenn man sich den Sänger wegdenkt\" leider nicht hinaus kamen.
Allerdings, das sei an dieser Stelle erwähnt, bei einem mehr als respektablen Anteil der Anwesenden kam während des halbstündigen gigs trotzdem bereits ordentlich Stimmung auf. Wie überhaupt sich das Publikum an diesem Abend als äusserst begeisterungsfähig erweisen sollte, insbesondere für Frankfurter Verhältnisse.
Davon konnten auch die -nach einer überraschend kurzen Umbaupause- nachfolgenden Melody Deathsters DARK TRANQUILLITY profitieren. Mit \"The Wonders At Your Feet\" vom aktuellen \"Haven\"-Output legten die Schweden gleich mächtig los und lieferten im Verlauf ihrer dreiviertelstündigen Spielzeit eine höchst amtliche Show ab. Die Band bestach durch Spielfreude und technisches Können, Frontmann Mikael Stanne beeindruckte in gewohnter Manier durch sein mächtiges Organ. Zudem erwies sich der äusserst sympathische Sänger als ausgesprochen volksnah.
Nicht zu übersehen, mit wieviel Spaß die Elchtöter bei der Sache waren und das Publikum dankte es ihnen denn auch mit einem konstant hohen Stimmungspegel. Begünstigt von einem ausgezeichneten Sound -der auch bei allen anderen Gruppen für entsprechenden Hörgenuß sorgte- zelebrierten DARK TRANQUILLITY einen ausgesprochen unterhaltsamen Set. Wenngleich das Hauptgewicht fast schon zu sehr auf dem neuen Album lag und man sich neben \"Punish My Heaven\" von der genialen \"The Gallery\"-Scheibe auch noch ein paar andere ältere Tracks gewünscht hätte, konnten auch die Nummern von \"Haven\" und dem Vorgänger \"Projector\" (z.B. \"UnDo Control\") rundum begeistern.
Langer Rede kurzer Sinn: die Göteborger räumten in gewohnter Manier ab und hinterliessen eine sichtlich begeisterte Menge.
Wenn eine \"Vorgruppe\" schon derart gut ankommt, macht das die Aufgabe für den (Co-)Headliner natürlich nicht unbedingt einfacher. SENTENCED allerdings liessen sich davon nicht aus der (Wodka-)Ruhe bringen und hielten mit ihren schmissig intonierten Geschichten von Liebe, Verzweiflung und Selbstmord unerschütterlich dagegen. Ich gebe ja unumwunden zu, daß sich meine Begeisterung für die Finnen lediglich auf ihre Veröffentlichungen bis einschließlich der \"Love&Death\"-EP bezieht, an diesem Abend aber wussten sie mir trotzdem leidlich zu gefallen.
Mit einer clever zusammengestellten Setlist, die neben diversen Nummern vom aktuellen \"Crimson\"-Album (z.B. \"Bleed In My Arms\", \"Broken\") die erklärten Highlights ihrer letzten beiden Scheiben beinhaltete, konnten die Skandinavier kaum etwas verkehrt machen. 4 Stücke von \"Frozen\", darunter \"Farewell\" und \"The Suicider\" sowie mit \"Bleed\" und \"Nooze\" zwei echte Ohrwürmer vom \"Down\"-Output, das Alles kam ausgezeichnet an und hielt den Stimmungspegel 50 Minuten lang auf ähnlichen Höhen wie bei den vorausgegangenen DARK TRANQUILLITY. Und als die Finnen mit \"Nephente\" auch noch den absoluten Höhepunkt ihres für meinen unmaßgeblichen Geschmack besten Albums \"Amok\" auspackten, addierte sichtlich nicht nur meiner Einer im Geiste einen Extrapunkt. Kurz und gut, eine gelungene Darbietung von SENTENCED, wenngleich die Vocals von Ville wie üblich weissgott keine Offenbarung waren.
Der uneingeschränkte Höhepunkt des Abends allerdings kam, ganz vorschriftsgemäß, zum Abschluß. Müssig eigentlich zu erwähnen, welch erstklassige Liveband IN FLAMES sind, so stark wie an diesem Abend allerdings habe ich die unangefochtenen Könige des melodischen Todesbleis noch nie gesehen. Nach einem quietschvergnügten 60er-Jahre-Intro (aus einem \"Austin Powers\"-Streifen), mit dem sich die Schweden ebenso über ihr Girlie-Death-Image lustig machten wie mit einem ans Drumkit montierten (Star Wars-)Sturmtruppen-Helm, gab es mit \"Embody The Insivible\" vom letztjährigen \"Colony\"-Opus gleich mächtig etwas auf die Glocke. Die Band gab konstant Vollgas und beeindruckte dabei durch die Lockerheit, mit der -angetrieben von Daniel Svenssons elegant-präzisem Drumming- das teilweise hochkomplizierte Material dargeboten wurde. Die Herren Musikanten bewegten sich fleissig, bangten dabei ununterbrochen und waren sichtlich mit enormem Vergnügen bei der Sache. Bemerkenswert auch, wie locker und gleichzeitig souverän der liebenswerte Sänger Anders Fridén mit der Menge umging und trotz sichtlich angegriffener Stimme seinen galligen Kreischgesang ohne jegliche Abstriche rüberbrachte. Ganz nebenbei erwies sich die Truppe wie eh und je als erfrischend unprätentiös sowie durch und durch sympathisch. Nicht zuletzt, weil sich Shouter Anders -auch im Namen der anderen Bands- mehrfach für das Kommen der Zuschauer und die ausgezeichnete Stimmung bedankte.
Das allein allerdings macht allerdings noch keinen guten Gig aus, dessen bin ich mir bei den Lobeshymnen wohl bewußt. IN FLAMES allerdings gelang es, die rappelvolle Batschkapp 70 Minuten lang in ein wahres Tollhaus zu verwandeln; derart euphorische Publikumsreaktionen erlebt man wirklich nicht allzu oft. Egal ob Nummern vom fantastischen aktuellen \"Clayman\"-Album (z.B. \"Pinball Map\", \"Clayman\", \"Swim\") oder von den nicht minder gelungenen Vorgängern (\"Ordinary Story\", \"Scorn\" und der Titeltrack von \"Colony\"; \"Jotun\", \"Gyroscope\" und \"Episode 666\" von \"Whoracle\"), die Menge hüpfte, grölte und klatschte enthusiastisch mit, Stagediver und Crowdsurfer waren pausenlos unterwegs. Den Siedepunkt erreichte der Stimmungspegel, als einer der DARK TRANQUILLITY-Musiker, der sich angetan mit einem Camcorder bis dahin eher am Bühnenrand aufgehalten hatte, beim vergleichsweise getragenen \"Only For The Weak\" über die stage wuselte, um die Nummer für ein geplantes IN FLAMES-Homevideo festzuhalten. Entsprechend hingebungsvoll legte sich natürlich auch das Publikum ins Zeug, um sich für die Aufnahmen von seiner allerbesten Seite zu präsentieren.
Sicher, neben \"Behind Space\" vom \"Lunar Strain\"-Debüt und \"Moonshield\" von der gottgleichen \"The Jester Race\"-Scheibe hätten auch ein paar ältere Tracks mehr in der setlist auftauchen dürfen; allerdings stehen -und das macht die Band eben zu einer der besten überhaupt- auch die Songs von neueren Scheiben nicht hinter alten Klassikern zurück. Insofern gab es an der Songauswahl meines Erachtens letztendlich nichts auszusetzen, zumal IN FLAMES ohnehin auch über Dutzende von anderen exzellenten Liedern verfügen, die sie genausogut hätten intonieren können.
Wie auch immer, nach einer 70-minütigen Vollbedienung -nebenbei bemerkt mit aussergewöhnlich gutem Sound und einer stimmungsvollen Lightshow- verliessen 5 sichtlich glückliche Schweden die Bühne und liessen ein komplett ausgepowertes, rundum zufriedenes Publikum zurück, kaum Einer dürfte sein Kommen an diesem Sonntagabend bereut haben. Einmal mehr ein wahrer Hammer-Gig der unanfechtbaren Elchtod-Könige.
Bleibt insgesamt nur noch festzustellen, daß man soviel erstklassige Musik, noch dazu zu einem derartigen Freundschaftspreis (in Frankfurt schlappe 30 Märker), höchst selten erleben darf und dieser hochgradig unterhaltsame Abend eines der besten Konzerte bot, die meine Wenigkeit heuer erleben durfte.
Und speziell was IN FLAMES und DARK TRANQUILLITY betrifft, so sollten die beiden Bands nächstes Jahr am Besten wieder zusammen auf Tour gehen, denn bekanntlich sind aller guten Dinge nun mal drei.
- Redakteur:
- Rainer Raithel