KAMELOT, LEAVES' EYES - München

30.09.2018 | 16:14

29.09.2018, Backstage

Eine schöne, lange Tour zieht die US Band KAMELOT zu ihrem neuesten Meisterstück "The Shadow Theory" durch unsere Lande. Nachdem Kollegin Leoni Dowidat bereits aus Köln berichtete, habe ich mich aufgemacht, den Auftritt in München anzusehen.

Mit dabei ist diesmal neben den beiden üblichen Vorbands noch eine weitere Truppe, aber dadurch beginnt das Konzert zu einer sehr frühen Stunde und wohl auch früher, als es angekündigt war. Jedenfalls treffe ich aufgrund von Verkehr und Parkplatzproblematik, die momentan am Backstage katastrophale Ausmaße annimmt, erst gegen 20:00 Uhr ein und muss dann noch ein bisschen warten, da es Probleme mit der Gästeliste gibt. So etwas kommt immer mal wieder vor, schwierig ist nur, dass kein Fotopass mehr an der Kasse verfügbar ist, aber der Tourmanager hilft schnell und unbürokratisch. Leider sind aber die letzten Töne von VISIONS OF ATLANTIS bereits verklungen. Ich treffe noch einen Fotokollegen und frage, wie diese gewesen seien, aber die Antwort ist auch hier, dass die Band bereits von der Bühne gegangen war, als dieser eintraf. Schade, denn Leoni war ja sehr angetan gewesen.

So ist die erste Band des Abends für mich LEAVES' EYES. Zu Beginn werden erstmal so eine Art Wikinger-Daltons auf die Bühne geschickt. Vier als Wikinger Verkleidete, wahrscheinlich die Roadies der Band, stehen in Helm und mit Waffen und Schilden da und klopfen einen Rhythmus aufs Holz. Ich bin irgendwie hin- und hergerissen. Einerseits hat das etwas von Kasperltheater , andererseits ist es mit Bühnenbild und Musik natürlich ganz stimmig. Dann aber geht es los und Alexander Krull zeigt mit seiner Band LEAVES' EYES beziehungsweise ATROCITY, denn alle Musiker spielen in beiden Bands, wie man sich so die heroischen Wikinger-Zeiten romantisch-germanisch verklärt vorstellt. 'Sign Of The Dragonhead' eröffnet den Reigen und die seit 2016 neben Alex singende Frontfrau Elina Siirala stößt ebenfalls zu der Truppe und wird uns vierzig Minuten durch Krieg, Gewässer und Stahlepen führen. Das gesangliche Beauty-and-Beast-Konzept ist sicher schon gehörig in die Jahre gekommen, aber effektiv ist es immer noch. Was besonders auffällt ist, dass die Band gut aufeinander abgestimmt ist. Posen sitzen, Bewegungsabläufe stören sich nicht, und der Funke springt durchaus auf das münchner Publikum, das heute Abend das Backstage dem Oktoberfest vorgezogen hat, über. Ich persönlich störe mich ein bisschen an dem matschigen Sound oben auf der Ballustrade, was die Lieder von LEAVES' EYES, die an sich schon recht simpel gestrickt sind, auch noch ziemlich gleichförmig machen. Auch könnte es etwas lauter sein. Nach den besagten vierzig Minuten habe ich dann auch genug und stimme zwar in den Applaus ein, meine aber, dass mehr auch nicht notwendig gewesen wäre. Passt so.

Pünktlich um halb zehn geht es dann mit dem Headliner KAMELOT los. Gleich der Opener 'Phantom Divine (Shadow Empire)' vom aktuellen Album "The Shadow Theory" ist ein Brett! Ja, wer es sich leisten kann, mit so einem makellosen Lied zu beginnen, hat keine Setlistenprobleme!  Gleich danach geht es zurück in die Page,  als noch Roy Khan am Mikrophon stand. 'Rule The World' ist zwar nicht mein Lieblingslied der Scheibe, aber ich muss zugeben, dass das Lied live funktioniert. Sänger Tommy Karevik, der mit Kapuze ein wenig zwischen Wichtel und Fantasy-Zauberer schwankt, klingt anfangs noch etwas holprig, fängt sich aber bald und beweist wieder einmal, dass er gegenüber seinem Vorgänger live einfach der beständigere Frontmann ist. Während einiger Lieder setzt KAMELOT auf weibliche Unterstützung, die auf dieser Tour durch Lauren Hart geleistet wird, die Karevik in den hohen Passagen unterstützt und auch die Growls beisteuert. Respekt!

Eine besondere Erwähnung ist Bassist Sean Tibbetts wert, der Hummeln im Hintern hat und sichtlich Freude an der Musik und der Interaktion mit dem Publikum. Letzteres ist auch ein Hauptaugenmerk von Sänger Tommy, der immer wieder die Anwesenden auffordert zu klatschen, mitzusingen oder die Fäuste in die Luft zu recken. Leider gibt es auch bei KAMELOT noch Raum für Verbesserung im Sound, zwar ist es nun laut genug, aber die Gesangsmelodien und Gitarrenriffs sind manchmal doch eher zu erahnen als deutlich zu hören. So spielt sich die Band durch eine sehr abwechslungsreiche Setliste, die Songs aus den Alben mit Khan und Karevik mischt und einen Schwerpunkt auf das aktuelle Album, von dem mit ' Burns To Embrace' seit Leonis Bericht ein weiterer Song seinen Weg in die Setliste gefunden hat, und "Haven" legt. Erstaunlicherweise wird diesmal das "Epica"-Album komplett ignoriert, allerdings hat KAMELOT auch einen großen Fundus, aus dem man schöpfen kann, sodass es völlig in Ordnung ist, wenn man von Tour zu Tour die Setliste durchmischt. Insgesamt geht die Band mit der Zusammenstellung immer noch auf Nummer sicher und lässt die Stücke, die die Musiker als essentiell erachten und auf den letzten Touren immer gespielt haben, auch heute erklingen. An dieser Stelle würde ich mir sogar noch mehr Mut wünschen. Auch dass die ersten vier Alben nicht berücksichtigt werden, ist zwar angesichts der zwölf Alben und durchschnittlich recht langen Spielzeit der Lieder verständlich, aber dennoch schade.

Was allerdings tatsächlich ziemlich überflüssig ist, ist das Keyboard- und Schlagzeugsolo. Abgesehen davon, dass man in der Kombination aus den beiden Instrumenten immerhin schon mal einen Schritt weg gemacht hat von der eigentlich immer belanglosen Performance eines reinen Drumsolos, klingt es manchmal ziemlich chaotisch und alle hätten wohl lieber statt dieser Performance einen weiteren Song gehört. Vielleicht sollte Sänger Karevik eine Pause bekommen, aber wie wäre es dann mit einem kompletten Bandauftritt, in dem sie ein paar alte Lieder als instrumentales Medley verwursten? Vielleicht hätte ja auch Lauren Hart einen solchen Auftritt veredeln können. Wen die Solopassage am wenigsten gestört haben dürfte, ist der Veranstalter, denn während KAMELOT die Zuschauer zumeist kraftvoll im Bann hält, wird es bei diesem Interludium an der Getränketheke plötzlich voll. Vielleicht ist das ja ein perfider Plan zur Bierumsatzerhöhung?

Im Vergleich zu dem Auftritt in Köln gibt es noch eine weitere Änderung in der Setliste. 'My Confession' wurde durch den Kracher 'Karma' ersetzt, was ich persönlich befürworte, da das schnelle Lied zwischen 'March Of Mephisto' und dem neuen 'Amnesiac' die Schlagzahl erhöht, während 'My Confession' auch im Midtempo wurstelt. Beinahe pünktlich gegen elf Uhr ist der Auftritt nach eine Zugabe und neunzig Minuten beendet. KAMELOT hat ihren symphonischen Metal eindrucksvoll dargeboten und klar gemacht, dass die Zeiten als Vorband endgültig vorbei sein sollten. Mit "The Shadow Theory" hat man erneut einen echten Meilenstein veröffentlicht, der der Band hoffentlich zu einem weitere Schritt in der Erfolgs- und Berühmtheitsskala verhilft. Da die US Amerikaner bei Napalm unter Vertrag sind, könnte ich mir gut vorstellen, dass wir sie im kommenden Sommer auf dem einen oder anderen Festival wiedersehen. Das wäre eine echte Empfehlung, denn die aktuelle Tour ist mit zwei weiteren Gigs in Pratteln und Mannheim leider auch schon wieder vorbei. Hut ab, das war klasse. Ich werde wiederkommen.

Setliste: Knight's March, Phantom Divine (Shadow Empire), Rule The World, Insomnia, The Great Pandemonium, When The Lights Are Down, End Of Innocence, Veil Of Elysium, Here's To The Fall, RavenLight, March Of Mephisto, Karma, Amnesiac, Sacrimony (Angel Of Afterlife), Burns To Embrace, Forever, Liar Liar (Wasteland Monarchy)

Redakteur:
Frank Jaeger

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