KATAKLYSM, HYPOCRISY, THE SPIRIT - Leipzig
22.11.2018 | 12:0617.11.2018, Hellraiser
Mit einer neuen Folge von "Death... Is Just The Beginning" hat das Donzdorfer Label Nuclear Blast kürzlich seiner Kultsamplerreihe aus den 90er Jahren neues Leben eingehaucht. Unter dem gleichen Banner wurde auch eine Tour angekündigt, die mit HYPOCRISY und KATAKLYSM gleich mit zwei Urgesteinen der Death-Metal-Szene aufwarten kann.
Als Anheizer gibt es noch THE SPIRIT, ebenfalls eine Band, die in Donzdorf unter Vertrag steht. Da mich die beiden Headliner bereits seit meiner Jugend begleiten, steht es für mich natürlich außer Frage, dass ich bei dieser Tour dabei sein muss. Nach genauem Studium der Termine fällt mir die Wahl der Location nicht schwer: Leipzig. Das Hellraiser ist ohnehin einer meiner Lieblingslocations, was Konzerte angeht, außerdem findet das Ganze hier am Wochenende statt und bildet zudem noch den Tourabschluß. Das Hellraiser ist bereits seit Wochen ausverkauft, auch einiger meiner Kumpels sind leider leer ausgegangen. Der frühe Vogel und so. Deshalb fahre ich diesmal alleine nach Leipzig, was meine Vorfreude auf einen geilen Abend und sattem Death-Metal-Geknüppel allerdings nicht im Geringsten trüben kann.
Pünktlich um halb acht betreten die Jungs von THE SPIRIT die Bühne und bauen sich vorerst mit dem Rücken zum Publikum auf. Als die letzten Töne von 'Sounds From The Vortex', dem Intro des gleichbetitelten Debütalbums der Truppe aus dem Jahr 2017 verklungen ist, wendet man sich dem Publikum zu und stimmt mit 'Cosmic Fear' sogleich den zweiten Song des Erstwerkes an. Dieser angeschwärzte Death Metal, der nicht selten an DISSECTION erinnert, kommt beim Leipziger Publikum auch recht gut an, Soundprobleme wie sie in anderen Locations dieser Tour bemängelt wurden, gibt es im Hellraiser nicht zu vermelden. Hier klingt alles durchweg gut, auch der Mann am Mischpult leistet hervorragende Arbeit. Nach 'Cosmic Fear' tätigt Sänger MT mit dem Spruch "Macht doch mal das scheiß Licht aus!" die erste (und einzige) Ansage dieses Auftritts, woraufhin postwendend die Scheinwerfer, welche die Band von vorne bestrahlen, erlöschen.
Da im hinteren Bereich der Bühne bereits das Equipment von HYPOCRISY und KATAKLYSM aufgebaut und mit Tüchern bedeckt ist, geht auch vieles vom Licht der hinteren Scheinwerfer verloren und man kann die Musiker selbst in den vorderen Reihen teilweise nur noch als Schatten wahrnehmen. Für Fotografen ist das natürlich der reinste Alptraum, denn auf Konzerten darf nur ohne Blitz fotografiert werden. Die Bilder, auf denen die Band noch richtig gut erkennbar ist, sind alle während des ersten Songs entstanden. Dabei sind die Jungs doch gar nicht so unfotogen, wenn sie nur nicht immer so böse und grimmig dreinschauen würden (sorry, der musste jetzt sein). An den Lichtverhältnissen ändert sich auch über die gesamte Dauer des Auftritts nichts mehr, THE SPIRIT zockt das Debütalbum in Albumreihenfolge runter, nur auf den letzten Track 'Fields Of The Unknown' wird wohl aus zeitlichen Gründen verzichtet. Nach einer halben Stunde ist dann auch schon Schluss, insgesamt eine recht nette Show und ein gelungener Appetitanreger. Die Songs haben mir gut gefallen und ich mache mir eine Notiz an mich selbst, dass ich mich mit dem Debüt von THE SPIRIT demnächst etwas näher beschäftigen sollte.
Setliste: Sounds From The Vortex; Cosmic Fear; The Clouds Of Damnation; Cross The Bridge To Eternity; Illuminate The Night Sky; The Grat Mortality
Die sonst übliche Zigarette während der Umbaupause verkneife ich mir diesmal, denn das ausverkaufte Hellraiser ist schon ziemlich dicht gefüllt und mit der Kamera im Schlepptau will ich mich jetzt nicht durch die Massen zum Ausgang kämpfen. Stattdessen lausche ich den entspannenden Klängen alter AC/DC Klassiker, die während dem Umbau zur Untermalung laufen und den einen oder anderen Gast zum Mitsingen animieren.
Zeit für den ersten Headliner des Abends: HYPOCRISY. Auf die Mannen um Tausendsassa und Hansdampf-in-allen-Gassen Peter Tägtgren freue ich mich besonders, denn zuletzt deutete einiges darauf hin, dass der letzte Longplayer "End Of Disclosure", der mittlerweile auch schon fünf Jahre auf dem Buckel hat, vielleicht sogar der letzte der schwedischen Death-Metal-Legende sein könnte. Als das Licht ausgeht, warte ich brav im Fotograben, bis die Band nacheinander unter großem Jubel die Bühne betritt. Und gleich mache ich mit dem nächsten Alptraum (aus der Sicht eines Fotografen) Bekanntschaft: Nebel. Was THE SPIRIT diesbezüglich eingespart hat (ich glaube sogar, dass auf den Einsatz komplett verzichtet wurde), haut HYPOCRISY jetzt in geballter Form raus. Und das nicht zu knapp. Licht ist zwar jetzt in mehr als ausreichendem Maße vorhanden, allerdings macht es einem der Nebel dafür umso schwerer, etwas zu erkennen und auf die Speicherkarte zu bannen. Mimimimi, als Konzertfotograf hat man es aber auch schon nicht leicht heutzutage.
Zugegeben, für die Atmosphäre ist das schon ein genialer Effekt und passt auch perfekt zur Alien-Thematik, welche die Schweden auf diversen Alben verfolgen. Dem Publikum scheint es auch egal zu sein, ob man etwas sieht oder nicht, denn die schnellen, alles niederwalzenden Riffs von HYPOCRISY, gepaart mit den markerschütternden Growls von Peter Tägtgren sind definitiv über jeden Zweifel erhaben. Davon, dass ihm für HYPOCRISY nach eigener Aussage derzeit die Motivation fehlt, ist heute Abend absolut nichts zu spüren, man hat sogar den Eindruck, dass er richtig Bock drauf hat, dem Publikum in Leipzig seine alten Klassiker zu präsentieren. Er muss sogar zufrieden grinsen, als er sich in einer seiner wenigen Ansagen nach dem Wohlbefinden der Menge erkundigt und diese ihm die Antwort in Form von lautstarkem Jubel und Geschrei gibt. Die Leipziger machen es ihm aber auch sehr leicht heute, ausnahmslos jeder Song wird mit großem und ausgelassenem Jubel quittiert, er hätte wohl auch Weihnachtslieder anstimmen können und wäre trotzdem von der Menge gefeiert worden.
Das Hellraiser ist mittlerweile der reinste Hexenkessel geworden. Trotz der knackig kalten Temperaturen draußen wird es in der Halle immer wärmer und das Publikum wird trotz ausgiebigen Headbangens nicht müde. Es entstehen immer wieder Pits und auch die Stimmung könnte fast nicht besser sein. Das Best Of-Set, welches die Schweden parat haben, kommt da natürlich absolut gelegen, Klassiker wie 'Eraser' oder 'Fire In The Sky' treten auch im Jahr 2018 noch gehörig Arsch. Nach einer guten Stunde markiert die Bandhymne 'Roswell 47' leider schon den Schluss, ich kann nach einem Blick auf die Uhr gar nicht glauben wie schnell die Zeit vergangen ist. Lieber Peter, das war ein verdammt geiler Auftritt, Du kannst mir nicht erzählen, dass Dir das keinen Spaß gemacht hat. Also geh nochmal in Dich und zimmere mit Deinen Kollegen schleunigst ein neues Album zusammen! Danke.
Setliste: Fractured Millenium; Valley Of The Damned; End Of Disclosure; Adjusting The Sun; Eraser; Medley: Pleasure Of Molestation/Obsculum Obscenum/Penetralia; Fire In The Sky; Killing Art; Buried; Warpath; The Final Chapter; Roswell 47
Von Durst und der Nikotinsucht getrieben bahne ich mir nun doch den Weg durch die Menge zur Bar und nach draußen. Die kühlen Temperaturen sind eine willkommene Abkühlung, denn die vergangene Stunde hat mich doch ganz schön ins Schwitzen gebracht. Nachdem ich es wieder bis vor die Bühne geschafft habe, lausche ich noch den letzten AC/DC-Songs, bereite mich auf den Headliner des heutigen Abends vor und frage mich, ob KATAKLYSM das eben Gebotene wohl noch toppen kann.
Mit "Meditations" haben die Kanadier KATAKLYSM zumindest eine aktuelle Scheibe am Start, von der als Opener gleich 'Narcissist' auf die aufgeheizte Meute im Hellraiser losgelassen wird. Die Truppe knüpft nahtlos da an, wo HYPOCRISY aufgehört hat, und feuert der gierigen Menge einen "Northern Hyperblast"-Song nach dem anderen entgegen. Bei den etwas gemächlicheren Tracks der neueren Scheiben wird sogar die Geschwindigkeit teilweise deutlich erhöht, und somit erreichen diese Live nochmal eine ganz andere Intensität als auf Platte. Bestes Beispiel dafür ist 'Guillotine' vom aktuellen Longplayer "Meditations". Dass der Auftritt alles andere als eine Meditation werden würde, dürfte nun auch dem letzten Anwesenden klar geworden sein, wobei damit sicher auch niemand gerechnet hat. Die Band hat sichtlich Spaß, was bei diesem geilen Publikum aber auch kein Wunder ist. Sänger Maurizio betont sogar, dass auf dieser Tour unbedingt in Leipzig Halt machen wollte, weil es hier viele "crazy fucks with a metal heart" gibt. Auch wenn er das wahrscheinlich in anderen Städten ebenso erzählt hat, in Leipzig liegt er damit definitiv nicht falsch.
Als man denkt, die Stimmung könne nicht mehr besser werden, verspricht Maurizio jedem Zuschauer ein Bier, der es zu ihm vor die Bühne schafft. Da lässt sich das Leipziger Publikum natürlich nicht zweimal bitten, und in kürzester Zeit haben die beiden Sicherheitskräfte vor der Bühne alle Hände voll zu tun, um den vielen Crowdsurfern einen sicheren Abstieg zu ermöglichen. Natürlich hält Maurizio Wort und hat für jeden eine Flasche Corona parat. Die ca. 20 Flaschen sind dann auch recht schnell weg, aber die Zuschauer haben Gefallen daran gefunden, und so werden es immer mehr Crowdsurfer. Mittlerweile sind sogar noch zwei Securities zur Verstärkung herbeigeeilt, mit vereinten Kräften wird diese Ausnahmesituation jedoch locker gestemmt. Im Publikum sind übrigens auch sehr viele Frauen, die zu den Klängen von KATAKLYSM ebenso bereitwillig die Matte kreisen lassen wie die Herren. Auch hier wird jeder Song gnadenlos abgefeiert, was die Jungs auf der Bühne nur noch mehr anspornt, wirklich das Letzte aus sich herauszuholen und den Zuschauern einen unvergessenen Abend zu bereiten. Mission erfüllt, gar keine Frage. Maurizio holt sogar den guten Peter Tägtgren nochmal auf die Bühne und sagt ihm, dass es jetzt an der Zeit sei, mit HYPOCRISY zurückzukommen. Oha, steht da etwa doch eine neue Scheibe an? Sowohl ich als auch alle anderen Anwesenden hätten sicher nichts dagegen einzuwenden.
Nach guten 90 Minuten wird mit 'At The Edge Of The World' leider schon der letzte Song angekündigt, nach dessen Ende dann auch die Drumsticks und Plektren in Richtung Publikum fliegen. Es gibt zwar "Zugabe"-Rufe, diese bleiben jedoch ohne Erfolg und verstummen auch, als die Roadies mit dem Abbau der Instrumente und Bühnendekoration beginnen. Schade, aber dennoch eine hammergeile Show. Einziger Kritikpunkt auch hier: es hätte gerne länger dauern dürfen. Ein Umstand, den leider alle guten Konzerte gemeinsam haben. Soundtechnisch gab es nichts zu meckern, hier hat alles gestimmt. Ich kann mich ehrlich gesagt auch nicht erinnern, dass ich so etwas im Hellraiser schonmal erlebt hätte. Auch das Publikum war wieder richtig gut drauf, viele "crazy fucks with metal hearts" halt. So geht um kurz nach 23:30 Uhr erneut ein sehr gelungener Konzertabend in Leipzig zu Ende und ich trete zufrieden und erschöpft den Heimweg an.
Setliste: Narcissist; The Black Sheep; Fire; Thy Serpent’s Tongue; 10 Seconds From The End; Guillotine; As I Slither; Crippled And Broken; Outsider; Manipulation Of Souls; In Shadows & Dust; ...And Then I Saw Blood; Like Animals; Blood In Heaven: At The Edge Of The World
Wer keine Karten mehr bekommen hat, darf sich gerne in den Allerwertesten beißen und beim nächsten Mal denselben etwas eher hochbekommen, denn das war ganz großes Kino!
- Redakteur:
- Hermann Wunner