KINGS WINTER, GEFRIERBRAND und DUSTHEAD - Troisdorf

25.09.2024 | 10:17

20.09.2024, Bauhaus

Revival of the Jugendzentrum.

Freitag, High Noon. Es wird Zeit, den Laptop zuzuklappen und mich mit der mobilen Einraumwohnung auf die Autobahn zu begeben. 356 Kilometer liegen vor mir, behauptet das Navi. Viel Zeit also, um in Erinnerungen zu schwelgen. Gott, wie lange mag das her sein, dass ich das letzte Mal ein Konzert in einem Jugendzentrum besucht habe? Zumindest sind mir wenig Veranstaltungen in Erinnerung geblieben. Okay, GEIER STURZFLUG haben vor Dekaden mit ihrem 'Bruttosozialprodukt' mal das JZ in meiner alten Heimat gerockt. Doch viel mehr kam nicht mehr danach in diesen Lokalitäten.

Trotz Stau und zahlreichen Baustellen erreichen meine weibliche Begleitung und ich überpünktlich das Bauhaus Troisdorf. Ein Schild am Eingang lässt das Blut in meinen Adern gefrieren: "Alkohol verboten" steht mit schwarzen Lettern auf weißem Grund. Okay, Hochprozentiges passt mit Jugend nicht so ganz zusammen, doch ein Konzert so ganz ohne ein kühles Helles? Wir beschließen, die Zeit bis zum Konzertbeginn noch sinnvoll zu nutzen und finden eine Pizzeria, welche auch Bier im Angebot hat.

Frisch gestärkt geht's zurück zum Bauhaus. Bei sommerlichen Temperaturen stehen Musiker und Metalheads vor der Tür und unterhalten sich angeregt, bis der Veranstalter darauf hinweist, dass die Show nun losgeht. Am Tresen heißt es dann doch noch Entwarnung. Für 2,50 Euro erhalte ich eine Glasflasche mit edlem Gerstensaft und begebe mich in die, nun ja, wirklich kuschelige "Halle". Es scheint so, als ob die Bühne und der FOH mehr Platz einnehmen, als für die Besucher übrig bleibt.



Den Abend beginnt DUSTHEAD aus Köln. Die Band liefert soliden (Blues)Rock, unter anderem von ihrem 2022 veröffentlichten Album "Madness Or Insanity". Obwohl noch ein paar Besucher die Herbstsonne auf der Straße genießen, ist die Stimmung in der nicht ganz gefüllten Location vor der Bühne recht gut. 11 Stücke stehen auf der Setliste. 'I Obey', der erste Track ist im Gegensatz zu den anderen Liedern etwas schneller, insgesamt lässt es die Band aber eher gemütlich angehen. Dem Stil geschuldet, ist hier kein kollektives Ausrasten angesagt. Dennoch spenden die anwesenden Besucher immer wieder anerkennenden Applaus. Die Mitglieder von DUSTHEAD verstehen durchaus ihr Handwerk und machen ihre Sache wirklich gut. Da ich tauber Uhu mich nicht wirklich auf mein Gehör verlassen kann, bescheinigt mir meine Herzdame, dass der Sound in dem kleinen Raum recht anständig abgemischt ist.

Als Fotograf heißt es für mich "Back to the Roots". Hier gibt es keine Lightshow, keinen Verfolger auf den Sänger. Jugendzentrumsmäßig ist die Beleuchtung sehr knapp bemessen. Also, keine Angst vor hohem ISO und ab dafür. Der freundliche Fotograf neben mir hat es etwas leichter mit seinem Blitzdings, mit dem er zumindest indirekt die Musiker etwas besser ins Rampenlicht stellen kann. Ich tu mich da nach wie vor schwer mit, einen Blitz einzusetzen, auch wenn es - in sehr wenigen Fällen - erlaubt ist. Sei's drum. Die erste Show ist im Kasten, ein durchaus gelungener Auftritt. Ab mit einem Pülleken vor die Tür und die kurze Umbaupause genießen.



Auch von der nächsten Band habe ich noch nie etwas gehört. Es wird etwas voller im Raum, als die Black-Forest-Metal-Band die Bühne betritt. GEFRIERBRAND hat mit "...Vor Langer Zeit" das in diesem Jahr veröffentlichte Album mit nach Troisdorf gebracht. Das Quintett aus Pforzheim ist in Gewändern gehüllt, welche an eine heimische Tracht erinnern soll. Stilistisch drehen wir uns zu DUSTHEAD um 180 Grad. Es wird deutlich schneller und viel härter. Auch wenn ich nicht alle, durchweg deutschsprachigen, Texte verstehe, habe ich eine Menge Spaß an dem Auftritt. Okay, auf der Setliste steht "Kinderschlachten", was mir erst einmal den Atem stocken lässt. Letztlich heißt der Song dann aber 'Wie Kinder Schlachtens Miteinander Gespielt Haben' und basiert auf ein Märchen der Gebrüder Grimm aus dem Jahr 1812. In den Songs der Black Metal-Band geht es viel um Sagen und alte Geschichten, quasi Rotkäppchen für Erwachsene.

Musikalisch ist GEFRIERBRAND über jeden Zweifel erhaben. Gitarrentechnisch bekommt die anwesende Crowd von den beiden Axtmännern ordentlich einen vor den Latz geknallt. Der mir ebenfalls nicht namentlich bekannte Drummer spielt ordentlich nach vorne. Und dann ist da noch Ingo am Bass. Er spielt nicht nur einen astreinen Tieftöner, sondern muss noch für die ein oder andere Anekdote herhalten. So erfahren wir, dass er seit einiger Zeit, wohl unfreiwillig, verheiratet ist. Diese und andere Storys sorgen neben der Musik für gute Laune vor und auch auf der Bühne.  Mit der Zugabe 'Vanitas' verabschiedet sich die Band unter großem Applaus aus Troisdorf. Die Temperatur ist deutlich gestiegen, GEFRIEBRAND hat für den heutigen Headliner ordentlich eingeheizt.



Eine Umbaupause später befinde ich mich wieder in dem nun brechend gefüllten Raum. Der Grund, warum ich mich überhaupt heute auf den weiten Weg ins Bauhaus gemacht habe heißt schlicht und einfach KINGS WINTER. Ich bin zu der Band gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Das mag damit zu tun haben, dass Tobias und Jule Dahs, die hinter KINGS WINTER stecken, Redaktionskollegen sind. Ich kam Anfang des Jahres in den Genuss, in "The Other Side Of Fear" reinzuhören und war, ähnlich wie Kollege Dahl in seinem Review, einfach hin und weg von den Songs auf dem Silberling. Heavy Metal vom Feinsten und bis zum heutigen Tag lief die Scheibe bei mir zig Mal. Was zu dem Zeitpunkt jedoch fehlte, war ein Auftritt der Band. Es zog sich etwas hin, bis Tobias die passenden Musiker beisammen hatte. Doch heute ist es endlich soweit. KINGS WINTER gibt ihr Live-Debüt und das direkt mal als Headliner. Welche Band kann das schon von sich behaupten?

Natürlich ist diese Gegebenheit dem Umstand geschuldet, dass die Band aus dieser Ecke stammt und somit eine gute lokale Fanbase hat. Doch so etwas zu stemmen ist für einen Debütanten immer ein gewagtes Spiel. Unter großem Jubel betritt die Band die recht kleine Bühne und beginnt mit 'Edge Of Existence' vom 2021 veröffentlichten gleichnamigen Album ihr Set. Sollte einer der Musikanten Lampenfieber haben, dringt davon definitiv nichts nach außen. Für mich wirkt der Auftritt, als hätte die Band schon jahrelang nichts Anderes gemacht. Völlig routiniert und mit sehr viel Spaß geht es durch die acht Songs umfassende Setliste. Ich bekomme genau das, was ich erwartet habe. KINGS WINTER liefert interessanten, melodiösen Heavy Metal. Sängerin Jule agiert auf der Bühne, als würde sie das ganze schon jahrzehntelang machen. Jeder kennt die Situation von Alben, die bis ins Gehtnichtmehr gepimpt werden und dann live für eine Enttäuschung sorgen. Nicht so an diesem Abend. Jule ist extrem stimmgewaltig und bringt die Songs wie auf der CD rüber. Echt krass, was die kleine Frau aus sich rausholen kann. Und Mastermind Tobi? Dem gefällt scheinbar die Rolle, nicht im Rampenlicht zu stehen. Fast introvertiert klampft er seine Stücke eher im halbdunklen Hintergrund. Doch auch bei der schlechten Beleuchtung erkenne ich immer wieder, wie ihm ab und zu ein Lächeln über die Lippen geht.

Die Meute ist außer Rand und Band und feiert KINGS WINTER frenetisch. Klar, dass die anwesenden Metalheads jeden Song kennen und entsprechend steil gehen. Nach 'Kingdom Of The Blind' begrüßt Jule das Publikum und erklärt, dass sie durch Corona das Singen quasi neu lernen musste. Das Virus ist nach wie vor ein Arschloch, doch scheinbar hat es die Dame am Mikrofon sehr gut gemeistert. Aber ich möchte auch nicht den Rest der Band unerwähnt lassen. Christian Schmitz an der Gitarre, Hendrik Franke am Bass und Schlagzeuger Javed Razzaq wirken zusammen mit den anderen beiden extrem eingespielt und machen einen echt guten Job.



Es ist mittlerweile brüllend heiß im Bauhaus, ein ums andere Mal muss ich meine Fanbrille zurechtrücken. Meine nicht vorhandene Matte kreist zu Songs wie 'Sonic Thunderstorm' und 'Destroyer Of Worlds', bevor es mit 'When Tyrants Fall' leider auf die Zielgerade geht. Nicht nur ich möchte mehr von KINGS WINTER hören. Lauthals fordern die Fans der Metallmusik nach Zugaben, welche leider angesichts der Uhrzeit nicht erfüllt werden können. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns in einem innerstädtischen Jugendzentrum befinden. Doch ich denke positiv und bin überzeugt davon, dass es mit KINGS WINTER weitergeht. Früher oder später werde ich die Band sehen, ohne 365 Kilometer weit zu fahren. Auch werde ich in Zukunft öfter mal in mittelfränkische Jugendzentren vorbei schauen. Hier treten immer wieder Bands auf, denen ich ein Ohr gönnen sollte.

Transparenzhinweis: Jule und Tobias sind Mitglieder unserer Redaktion. Natürlich sind Konzertberichte immer subjektiv. Der Verfasser dieser Zeilen hat bei diesem Bericht die gleichen Maßstäbe angesetzt wie bei seinen bisher erschienenen Berichten.

Text und Photo Credit: Andre Schnittker

Redakteur:
Andre Schnittker

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