KREATOR, LAMB OF GOD, MUNICIPAL WASTE - LUDWIGSBURG

09.03.2023 | 23:44

25.02.2023, MHP-ARENA

"Immer mitten in die Fresse rein",...

...kann man diesen im Gedächtnis ordentlich nachwummernden, samstäglichen Konzertabend der musikalisch etwas kernigeren Gangart, aus dem 'Schunder-Song' DIE ÄRZTE zitierend, bedenkenlos umschreiben.

Doch ich greife vor: Bevor eine Band aus Richmond (Welche der beiden aufspielenden es ist, lasse ich an dieser Stelle noch offen; MUNICIPAL WASTE und LAMB OF GOD kommen beide aus Richmond im US-Bundesstaat Virginia.) mir den gesamten Körper musikalisch durchmassiert, ohne dass ich mich verwegen in irgendeinen noch so verlockend aussehenden Pit stürze, muss ich erst einmal ins circa 110 Kilometer von meinem Wohnort in der schwäbischen Provinz entfernt gelegene Ludwigsburg gelangen. Gesagt, getan: Noch schnell bei feinstem, schon leicht wärmendem Nachmittagssonnenschein den Hund Gassi-geführt, die Gattin verabschiedet, und schon finde ich mich hinter dem Steuer meines Wagens wieder, um wie ein echter Metalwarrior in einen mordoresken, polaren Schneesturm zu fahren! Richtig gelesen: Es schneit urplötzlich, bei gegen 16:00 Uhr immer dunkler werdenden Lichtverhältnissen. Gut, ich übertreibe etwas, aber unbequem ist die Autofahrt über die ersten 70 Kilometer allemal.

In Ludwigsburg um ziemlich genau 18:10 Uhr vor Ort angelangt, fahre ich gleich meinen gewohnten Weg um die MHP-Arena herum, um zur Einfahrt der unter dem Gebäude gelegenen, recht großen Parkgarage zu gelangen. Dies gelingt mir fast nicht, da diverse LKWs und Busse genau in meiner Spur stehen. Heldenhaft schaffe ich es dennoch in einer Anwandlung zivilen Ungehorsams, mich mittels Überfahren einer durchgezogenen Linie zur Einfahrt durchzuschlagen. Nach Bezahlen der annehmbaren Parkpauschale von 6€, die nervtötendes Anstehen und eventuelles, stressiges Automaten-Malheur nach den Veranstaltungen verhindert, stapfe ich das Treppenhaus zum Vorplatz der Halle hinauf, um festzustellen, dass der Einlass schon längst begonnen hat. Kein Abtasten, kein Nix! Es ist ja durchaus schön, dass man Metallern in RoFa-City so grenzenlos vertraut, aber mein Sicherheitsgefühl kann durch solcherlei Nachlässigkeit leider nicht unbedingt aufrechterhalten werden. Da ließe ich mich im Zweifelsfall doch gerne mal abtasten, auch wenn es nur dazu dienen würde zu wissen, dass es jenen gestörten Zeitgenossen, die eventuell irgendetwas dabeihaben, das anderen den Abend vermiesen könnte (Waffen, Flaschen, et cetera), genauso ginge.

Im mit fröhlichen Menschen bereits gut gefüllten Vorraum der MHP-Arena nehme ich sogleich die Auslagen der Merchandise-Verkäufer in Augenschein, die hier immer gleich rechts und/oder links neben dem Eingang zu finden sind. Wie erwartet haben alle drei Bands in Menge und Arten reichlich, bunte Fan-Utensilien zum Verkauf bei leicht angezogenen Preisen dabei. Schließlich muss ja Geld reinkommen, nach Corona, mit allen seinen finanziellen Schattenseiten im Live-Sektor, konsequenter denn je. Mit "leicht angezogen" meine ich da 35€ für Shirts und 40€ für Tour-Shirts. Schal, Mützen und Flagge beispielsweise kosten bei KREATOR vertretbare 20€, und zwei Patches für 10€ sind ebenfalls in Ordnung. Pulli für 75€ und Longsleeve für 50€ sind sicher nicht billig, im Vergleich zu Preisen anderer Künstler aber tatsächlich noch fast günstig. Die Augenbrauen heben sich mir allerdings leicht tadelnd ob der Tatsache, dass alle drei Bands, auch MUNICIPAL WASTE als kleinste im Bunde, signiertes Vinyl für 50€ anbieten. Jene verlangen zudem 10€ für ein aus zwei Aufklebern (!) bestehendes Set.

Beim Vertilgen einer roten "Arena-Wurst" im Brötchen samt "Fahrer-Spezi" zu annehmbaren Preisen jeweils zwischen 4 und 5€, nehme ich das lustige Metal-Völkchen um mich herum mal etwas genauer unter die Lupe: Relativ viele "alte" Männer jenseits der 40 oder gar 50 Jahre, zudem viele Frauen. Außerdem macht eine nicht unbeträchtliche Anzahl an (Metal-) Kuttenträgern jeden Alters den drei Bands an diesem Abend ihre Aufwartung. Unter dem Strich ist ein angenehm in Altersstufen und Geschlechtern gemischtes, bereits gut gelauntes Publikum anwesend, mit leichter Tendenz hin zu älteren Semestern. Dies bemerke ich später vor allem, als ich mich bei KREATOR im hinteren Teil des Innenraums aufhalte: Hier stehen alle, die keine Lust auf Sport haben.

Für den letzten Appetit schnappe ich mir also noch ein Schälchen Curry-Wurst und laufe um ziemlich genau 19:00 Uhr durch das Treppenhaus nach unten in den Innenraum, den bereits vernehmbaren ersten Klängen der Thrasher von MUNICIPAL WASTE entgegen. Die Band hat ihr rund 35 Minuten langes Set mit 'Demoralizer' begonnen und der Innenraum ist für eine eröffnende Kapelle schon recht gut gefüllt. Ich platziere mich zunächst, wohlwollend zu 'Breathe Grease' vor mich hin nickend, direkt an den Sitzen der untersten Reihe, um einen Becherhalter zu nutzen. Meine Curry-Wurst mampfend stelle ich etwas enttäuscht fest, dass die erste Band aus Richmond an diesem Abend keinesfalls die von mir erwartete Bühnen-Action bietet, sondern unerwartet, bis auf den Sänger Tony Foresta, eher zum "Schuhe-", beziehungsweise "Griffbrettglotzen" neigt. Da hatte ich im Vorfeld anderes von Freunden gehört und dementsprechend mehr Bewegung erwartet. Diese Schilderungen stammen wohl aber allesamt von kleinen Club-Gigs, muss ich fairerweise ergänzen. Zu dieser Beobachtung passt dann auch die hörbare Tatsache, dass Dave Witte an der "Schießbude" nicht so ganz tight spielt. Da hatte ich beim Streaming-Dienst meines Vertrauens auf Studio-Longplayern anderes gehört und daher auch erwartet. Trotz dieser Mankos unterhält der "Siedlungsmüll" mit seinem überaus flotten Thrash nebst humorvollen Texten, gekleidet in Retro-Hippie-Metaller-Outfits, das Publikum in der MHP-Arena recht kurzweilig. Kurze und knackige Tracks, wie 'Sadistic Magician' oder 'Headbangers Face Rip', bringen mich selbst schließlich auch etwas mehr in Wallung, bevor ich mich gegen Ende zum Fotografieren noch todesmutig bis kurz vor den mittlerweile amtlich großen Pit wage. Der abschließende Song 'Born To Party' wird vom vorderen Drittel der Halle zu guter Letzt enthusiastisch abgefeiert.

Setlist MUNICIPAL WASTE: Demoralizer; Breathe Grease; The Thrashin' Of The Christ; Poison The Preacher; Grave Dive; You're Cut Off; Sadistic Magician; Slime And Punishment; Headbangers Face Rip; High Speed Steel; Wave Of Death; Born To Party

Jetzt muss es raus: Vor mittlerweile circa dreieinhalb Jahren hatte ich diese Karte für ein KREATOR-Konzert zum ersten Mal nicht wegen KREATOR selbst gekauft. Der eigentliche Antrieb, nach Ludwigsburg zu fahren, war damals wie heute jene Kapelle, die im November 2018 die Münchener Olympiahalle derart aufmischte, dass ich schon dachte, SLAYER sei zum ersten Mal stehend KO. Das war dann gottlob mitnichten so, aber LAMB OF GOD hinterließ einen sehr guten, nachhaltigen Eindruck bei mir. Ich suche mir also ein mittiges Plätzchen, kurz vor dem vorderen Innenraumdrittel, an dem viele Pärchen stehen: Stets ein Ort des geballten Beschützerinstinktes, wenn der Pit platztechnisch zu invasiv werden sollte. Die Mannen um Randy Blythe legen dann auch mit blubbernd bratzenden Grooves in den ersten drei Songs 'Memento Mori', 'Ruin' und 'Walk With Me In Hell' los, dass es eine wahre Freude ist! Der Frontmann, der mit seiner hageren Gestalt und den dicken, hüftlangen Dreadlocks immer noch wie ein durch die Gegend rennender Free-Climber im Yosemite-Nationalpark aussieht, dem sein "Gras" geklaut wurde, rast im kraftvollen Hopser-Lauf ganz Mike Muir-like wutschnaubend über die Bühne, wenn er nicht gerade auf einem Podest in der Mitte steht, um die Massen zu dirigieren und in allen growlenden Stimmlagen wüst anzuschreien, zu knurren und zu keifen, sowie seinen verfilzten Haarteppich propellergleich kreisen zu lassen. Während dieser teils parcous-artigen Bühnenaction von Randy Blythe (mehrfach sieht es für mich in der Entfernung so aus, als ob er an Bühnenaufbauten seitlich abspringt) pumpen Willie Adler, Mark Morton (Gitarren), John Campbell (Bass) und Art Cruz (Schlagzeug, Ersatz für Chris Adler) eine groovende Extreme-Metal-Power-Dampfwalze nach der anderen in die Halle. Vor allem 'Now You've Got Something To Die For' wird von Randy Blythe gekonnt dazu benutzt, das Publikum in Fahrt zu bringen. Ab Song Nummer acht‚ 'Omerta', ist stimmungsmäßig "Endrunde" in der zweckentfremdeten Basketballhalle angesagt. Ab jetzt gibt es von LAMB OF GOD nur noch heftig den Körper mit satten Grooves durchmassierende, wuchtig-eruptive Metal-Raserei der feinsten Güteklasse: 'Omens', '11th Hour', '512', und es geht gerade so weiter. Der brachial pulsierende, wenn auch ein wenig in den Obertönen grelle Gesamtsound (MHP-Arena halt..., wer schon öfter dort war, kennt das) sowie das düstere, überwiegend in dunklen Grün-, Blau- und Rottönen gehaltene Licht in Einklang mit dem an Freimaurersymbole erinnernden Bühnenbild, tun ein Übriges, um die Metal-Lawine der ebenfalls in Richmond/Virginia ansässigen fünf Musiker angemessen in Szene zu setzen. Ich weiß nicht mehr wann genau, aber spätestens, als beim letzten Song 'Redneck' der Innenraum vor mir (Stichwort: "Geballter Beschützerinstinkt" um mich herum) komplett in einem von Randy geforderten riesigen Circle-Pit vor sich hinrennt, fällt mir ein Plattencover ein, das die musikalische Energie dieser Band treffend ausdrückt: "Vulgar Display Of Power" von PANTERA. Dieser etwa achtzigminütige Gig war im übertragenen Sinne ebenfalls ein richtiger Schwinger in die Fresse!

Setlist LAMB OF GOD: Memento Mori; Ruin; Walk With Me In Hell; Resurrection Man; Ditch; Now You’Ve Got Something To Die For; Contractor; Omerta; Omens; 11th Hour; 512; Vigil; Laid To Rest; Redneck

KREATOR hat live immer geliefert und wird das auch in Zukunft weiterhin so handhaben! Zu diesem Schluss komme ich nach dem heutigen Gig erneut. Und das, obwohl ich diese Tour ohne LAMB OF GOD wahrscheinlich nicht besucht hätte, da ich KREATOR wirklich schon oft sehen durfte. Von Beginn an haben die vier Jungs, und natürlich vor allem Mille, das Publikum vollständig im Griff. Und auch wenn mich das neue Album letztes Jahr nicht richtig packen konnte, muss ich eingestehen, dass 'Hate Über Alles' ein perfekter Opener ist. 'Hail To The Hordes' übernimmt dann quasi die pathetische Überleitung von der Klarstellung des Mottos (eben "Hate Über Alles") hin zu einer perfekten Mischung aus den schlotzigsten neueren Liedern, vor allem des neuen Albums, wie 'Become Immortal' und 'Strongest Of The Strong' oder der 2020er Single '666-World Divided', gespickt mit zeitlosen Krachern der Marke 'Enemy Of God', 'Phobia' und 'Hordes Of Chaos (A Necrologue For The Elite)', um nur einige Beispiele zu nennen. Wie meist wirken Milles Ansagen grundsympathisch, wenn auch etwas aufgesetzt und einstudiert, was jedoch keiner der Anwesenden ernsthaft kritisieren würde, da man als Metalhead seine Mannen aus Essen ja kennt. Wobei mir einfällt, dass ich den Herrn Leclercq (Ex-DRAGONFORCE) zum ersten Mal bei KREATOR live erlebe, der sehr bewegungsfreudig viel Spaß zu haben scheint. Auch die Optik stimmt: Wechselnde Bühnenbackdrops, nette Effekte, wie eine Fontaine aus roten Girlanden über dem Innenraum, zwei "Kreatoren", die mit leuchtenden roten Neon-Speeren zwei eingespielte Intros in Szene setzen, reichlich Feuer und das übliche, überwiegend rot-weiß-gelbe Licht, schaffen neben der Musik die gewohnte KREATOR-Live-Gig-Atmosphäre. Mein Lieblings-Effekt sind diesmal die 4 "Gehängten", die in rote Tücher gewickelt über der Band von der Lichttraverse baumeln. Das Publikum geht, wie zu erwarten war, wieder richtig "steil" zur Livedarbietung von Herrn Petrozza und seinen Jungs. Die von LAMB OF GOD aufgebaute Stimmung wird gut gehalten und etwas gesteigert, wenn auch nicht so deutlich, wie bei vielen anderen Touren mit mehreren Bands. Demnach muss man attestieren, dass in diesem Fall das Konzept des "Doppel-Headliners", auf das Publikum bezogen, sehr gut funktioniert hat. In der vorderen Hälfte des Innenraums werden jedenfalls fleißig Todesmauern zerrannt und Kreise gelaufen, so dass Sport-Fanatiker durchaus auch eine Beschäftigung finden können. Als ich nach etwa 75 Minuten beim Schlussakkord von 'Pleasure To Kill' bereits ins Treppenhaus entschwinde, um meinen Heimweg durch die schneenasse Nacht zeitnah anzutreten, bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich mir wieder vornehmen sollte, die nächste KREATOR-Tour mal auszulassen.

Setlist KREATOR: (Sergio Corbucci Is Dead); Hate Über Alles; Hail To The Hordes: Enemy Of God; Phobia; Become Immortal; Satan Is Real; Hordes Of Chaos (A Necrologue For The Elite); 666 – World Divided; (Mars Mantra); Phantom Anticrist; Strongest Of The Strong; Flag Of Hate; (The Patriarch); Violent Revolution; Pleasure to Kill

Redakteur:
Timo Reiser

Login

Neu registrieren