Keep It True XI - Würzburg
13.12.2008 | 19:1415.11.2008, Posthalle
Kutten über Kutten, verwüstete Fernseher und Party pur bei einem hochkarätigen Old-School-Event unter Freunden. Das Kultfestival geht in die elfte Auflage.
Am 15.11.2008 ist es wieder soweit: Mit Bands wie FLOTSAM & JETSAM, NASTY SAVAGE oder auch TOKYO BLADE lassen Oliver Weinsheimer und Tarek Maghary, die Organisatoren des in Underground-Kreisen viel geschätzten KEEP IT TRUE-Festivals, die Herzen von Anhängern traditionellen Stahls höher schlagen. Die zwölfte Ausgabe des KIT bietet in der Posthalle Würzburg ein musikalisch breit gefächertes Spektrum an alten Helden der Achtziger, aber auch einige neue Bands, die das Banner des traditionellen Metals stolz in die Höhe halten.
[Martin Loga]
HELLHOUND
Um 12:00 Uhr eröffnet die mit Abstand am weitesten gereiste Band des elften Keep It True den heutigen Konzerttag: HELLHOUND. Obgleich das Festival für seine überaus starken Opener-Bands bekannt ist, so darf es doch als Überraschung gewertet werden, dass die Herren aus Japan eine derart beachtliche Riege an Zuschauer anziehen können. Von Beginn an gelingt es den Kuttenträgern aus Nippon, die Rockstar-like mit Sonnenbrillen ausgestattet sind, mit ihrer traditionellen Mucke die Gefolgschaft zu früher Stunde in die Puschen zu bringen. Musikalisch zeigen sich HELLHOUND besonders von Bands wie ACCEPT und IRON MAIDEN beeinflusst. Frontsirene und Gitarrist Crossfire überzeugt mit hohem, kraftvollem Gesang und bereits nach dem ersten Stück 'Metal Zone' gibt es zahlreiche Huldigungen.
Für einen neben mir stehenden Headbanger scheint das KIT jedoch schon gelaufen zu sein, bevor es überhaupt begonnen hat. Die trostlose Gestalt hat sich schon um die Mittagszeit derart abgeschossen, dass es ihr nicht einmal mehr möglich ist, halbwegs sicher zu stehen. Der Trunkenbold stolpert umher, versucht in tief gebückter Haltung und Zeitlupe zu bangen, er fällt hin. Immer und immer wieder. Was für ein Trauerspiel! Vom spielerisch tollen Gig (wenn man mal die kurzzeitigen Timing-Unstimmigkeiten bei der Bandhymne 'Hellhound' außer Acht lässt), dürfte der Kamerad wohl nichts mehr mitbekommen haben. Gleichgültig, ob die Band die Hymne 'Heavy Metal Patrol', das überraschend laut mitgesungene 'Samurai Warrior' oder auch das an IRON MAIDEN erinnernde 'Warriors Of The Rising Sun' spielt: Die Stimmung könnte kaum besser sein, und man sieht gereckte Fäuste und wehende Matten, soweit das Auge reicht. Mit 'Heavy Metal Warrior' bringen HELLHOUND das Publikum nochmals in Wallung und die Band beendet ihren heutigen Feldzug. Für mich persönlich war HELLHOUND eine der großen Überraschungen des Tages. Wenn jetzt nicht endlich METALUCIFER ihren "Heavy Metal Bulldozer" anwerfen, so werden HELLHOUND die Band bald vom Thron stoßen.
[Martin Loga]
Setlist:
- Metal Zone
- Hellhound
- Metal Psycho
- Heavy Metal Patrol
- Samurai Warrior
- Warriors Of The Rising Sun
- Metal Warrior
CAST IRON
Die finnischen RUNNING WILD-Epigonen CAST IRON, denen im Zuge ihres Demos "Leather & Metal" einige Aufmerksamkeit zuteil wurde, haben da schon einen etwas schwereren Stand beim Publikum. Dies liegt primär an der spröden, teilweise sogar etwas verkrampft wirkenden Performance der Finnen. Während bei Dampframmen wie dem krachigen 'Breakout' sowie dem leckeren Highspeed-Stück 'Like A Hammerhead' (neue Komposition) die Stimmung im Publikum durchaus passabel ist, bleiben die Resonanzen auf einfach gestrickte Midtempo-Stücke wie 'Hearts Of Ice' oder 'Preacher Of Evil' verhalten. Auch spielerisch fehlt es CAST IRON etwas an der Spritzigkeit, die HELLHOUND zuvor an den Tag gelegt hatten.
Outfit-technisch könnte man glauben, mit CAST IRON die alten RUNNING WILD vor sich zu haben, haben sich die Finnen doch Bühnenklamotten zugelegt, die den Outfits der Fotos aus dem "Gates To Purgatory"-Booklet fatal ähneln. Da wären wir auch schon bei der nächsten Parallele beider Kapellen: Als "Special Guest" kommt im Zugabenteil Gerald Warnecke alias "Preacher" auf die Bühne, der bekanntermaßen auf dem RUNNING WILD-Debüt "Gates To Purgatory" in die Saiten griff, ehe er die Band verließ, um seine Brötchen als evangelischer Pfarrer zu verdienen. Frenetisch wird er vom Publikum empfangen, doch der Enthusiasmus des Akteurs wird zunächst gebremst. Preacher sucht verzweifelt nach einem Kabel, um seine Klampfe mit dem Verstärker zu verbinden. Hektisches Suchen beginnt, bis dann schließlich Gitarrist Antti Salminen sein Kabel hergibt, um fortan zu den Klängen des RUNNING WILD Stampfers 'Genghis Khan' auf der Bühne zu bangen. Schlagartig hebt sich die Stimmung beträchtlich und die Teilnahmslosigkeit im Publikum weicht euphorischem Mattenschwenken und Mitsingen.
Dass Preacher bei 'Genghis Khan' in Sachen Timing vereinzelt gehörig daneben greift, sieht ihm das Publikum gerne nach, und mit 'Victim Of States Power' gibt es zudem noch eine frühe Granate der alten Preacher-Formation, die man von Rock'n'Rolf und seinem Verein schon seit Urzeiten nicht mehr live gehört hat. Obgleich der Auftritt von CAST IRON einen Unterhaltungswert hatte – besonders im Spielteil mit Preacher – so hätte ich mir nach den Vorschusslorbeeren doch mehr von dieser Formation versprochen.
[Martin Loga]
TIMELORD
Nach CAST IRONs RUNNING WILD-Tribute-Show - wie war das doch gleich bei J.B.O.?! - ist es dann an TIMELORD, den ersten Höhepunkt des Tages zu setzen. CAST IRON waren nicht schlecht und HELLHOUND sogar richtig gut, aber TIMELORD sind doch eine ganz andere Klasse.
TIMELORD haben zwar bislang erst ein Album veröffentlicht, nämlich "Regeneration" (2007), aber wenn man dieses komplett spielt, dann kann man damit auch ganz gut eine Spielzeit von einer Dreiviertelstunde bestreiten. Und das tun die vier Musiker aus Springfield, Virginia, auch fast - nur den Longtrack 'Faster Than The Speed Of Light' haben sie zu Hause gelassen.
Sie legen mit 'Sparks Of Rebellion' gleich sehr ordentlich los und lassen 'Sirens' direkt folgen. Diese beiden Songs reichen TIMELORD auch aus, um das Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Ich bin aufgrund der Optik von Sänger Matt Aub zwar zunächst ein wenig skeptisch - okay, wer Wollmützen mag, bitte -, aber auch ich lasse mich schnell von der Musik überzeugen. Diese Mischung von Power Metal, Speed Metal und Thrash Metal ist zwar nicht wirklich innovativ, aber sie wird von dem amerikanischen Quartett dermaßen frisch und voller Spielfreude dargeboten, dass es eine wahre Freude ist. Dies setzt sich auch mit dem Doppelpack 'The Great Machine'/'Slaves' fort, und die Leute vor der Bühne gehen entsprechend begeistert mit.
Die Musiker auf der Bühne haben auch sichtlich ihren Spaß und lassen mit 'The Alchemist' und 'Aeons Calling' zwei weitere Stücke von ihrem Debütalbum folgen. Und dieses Album ist an diesem Tag natürlich auch käuflich zu erwerben - wie Matt Aub mehrmals betont -, und ich würde mich doch sehr wundern, wenn es nicht zahlreiche Abnehmer gefunden hat. [Es hätte mehr Abnehmer gefunden, wenn die Jungs einen Stapel davon am Merch-Stand abgegeben hätten, statt es irgendwo vorm Klo an den Mann zu bringen - R.S.]
Mit 'Dawn Of Dissent' ziehen TIMELORD dann aber auch schon den Endspurt an, um schließlich mit 'Cult Of The Dead' zum Ende zu kommen. Insgesamt ein wirklich großartiger Auftritt und für mich die Überraschung des Festivals.
[Martin Schaich]
FAITH FACTOR
Man mag zu Frontmann Norm "Ski" Kiersznowski und seiner sehr offensiv religiösen Botschaft stehen, wie man möchte, Tatsache ist, dass der einstige DEADLY BLESSING-Frontmann mit seiner Sirenenstimme ein absoluter Ausnahmesänger ist. Er hat aufgrund seiner unglaublichen Bühnenpräsenz auch nicht das geringste Problem damit, seiner stimmlichen Brillanz den nötigen Rahmen zu verleihen. Dass er sein Outfit dabei mindestens ebenso oft wechselt wie Käpt'n Rolf Kasparek ist nur eine schrullige Randnotiz, die nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass Ski eine großartige neue Band um sich geschart hat und dass FAITH FACTORs eigenes Songmaterial sich nicht hinter den Großtaten der früheren Band des Sängers zu verstecken braucht. Klar, die neuen Sachen sind stilistisch schon anders gelagert als DEADLY BLESSING, aber meines Erachtens keineswegs schwächer.
Deshalb muss sich auch niemand grämen, dass am Schluss mit 'Deliver Us From Evil' lediglich ein D.B.-Cover gespielt wird und sich das Quintett ansonsten den Eigenkompositionen widmet, die ausnahmslos abgefeiert werden. Jedenfalls in Anbetracht der Tatsache, dass die meisten Anwesenden die Songs nicht gekannt haben dürften, ist der Zuspruch immens. Ganz egal, ob es sich um Stücke von der Debüt-EP handelt wie 'Deceiver' oder das balladeske 'The Angel And The Butterfly' oder aber um Lieder vom brandneuen Studioalbum "Against A Darkened Sky" wie die neue Festivalhymne 'Keep It True' oder das sehr eingängige und sehr hart riffende 'In God's Shadow'.
Dass Ski dabei stets im Kontakt mit dem Publikum bleibt und schauspielerisch, mimisch und mit seiner Gestik alles tut, um eine gehaltvolle Show zu bieten, wird keinen überraschen, der ihn schon mal live gesehen hat. Wer meint, dass es ihn stören muss, dass Ski und seine vier Mitstreiter wirklich sehr offensichtlich versuchen, eine christliche Botschaft rüber zu bringen, der hat halt Pech gehabt. Ich habe jedoch den Eindruck, dass sich daran nur wenige stoßen, weshalb FAITH FACTOR auch nach dem Auftritt noch gebührend gefeiert werden und Ski seine Rückkehr nach Europa als vollen Erfolg buchen kann. Mission accomplished!
[Rüdiger Stehle]
EVIL
Die dänischen EVIL können nicht gerade auf eine üppige Diskographie zurückblicken. Hauptsächlich basiert ihr Ruf, der in Untergrundkreisen erheblich ist und aus der Sicht der heutigen Zeit dabei auch deutlich überzogen scheint, auf einer offiziellen EP und einem Video. Es ist manchmal erstaunlich, woher Oliver immer diese obskuren Bands holt, die eigentlich gar nicht tot sind, sondern eher schon zu Staub zerfallen, die aber dennoch einen irren Kultfaktor innehaben. Natürlich kann das nicht immer ein Rohdiamant sein, und in Bezug auf EVIL darf man attestieren, dass es sicher schon bessere Bands auf dem Keep It True und auch an diesem Tag gegeben hat und noch geben soll.
Das Songmaterial ist an sich nicht schlecht, aber auch nicht wirklich spektakulär. Typischer Achziger-Jahre-Metal, häufig auch von der zügigen Sorte, der nach den Glaubenskriegern vorher doch ein wenig fad wirkt. Nur zwei der Musiker vermögen beim Auftritt der Dänen Akzente zu setzen: Der Basser, der vollkultig direkt aus dem Jahr 1983 herüber gebeamt wurde und der anfangs doch einen ziemlich entrückten Eindruck macht, setzt den positiven. Der Sänger ist allerdings das genaue Gegenteil. Sicher, da die Optik Nebensache ist, darf man auf der Bühne aussehen wie der Bänker von nebenan. Vielleicht hätte er sich die Perücke von FAITH FACTOR ausleihen sollen. Aber dass er dabei so unmetallisch rum hampelt, dass es einem selbst im Publikum peinlich ist, muss ja dann doch nicht sein. Das zieht seine sonst ordentliche Leistung deutlich nach unten, so dass EVIL am Ende nicht mehr als eine mittelmäßige Show zeigen, was am heutigen Tage leider unter dem Durchschnitt liegt.
[Frank Jaeger]
ARTILLERY
Auf die Dänen ARTILLERY, die bekanntermaßen seit einiger Zeit wieder aktiv sind, freue ich mich mit Abstand am meisten. Und dies, obwohl Sänger Flemming Rönsdorf nicht mehr dabei ist. Die Gründe hierfür sind in diesem Interview nachzulesen. Auf dem Weg in die Posthalle war mir die Band unterwegs begegnet und ich sagte Shouter Søren Nico Adamsen, wie sehr ich mich darauf freue, einen musikalischen Arschtritt versetzt zu bekommen.
Diese Floskel nimmt Nico sogleich auf: "We are ARTILLERY and we are here to kick your fucking ass!" röhrt der Aktivposten der Band voller Energie in die Menge. Klassiker des Kalibers 'By Inheritance' oder 'Bombfood' setzt die Band mit unbändiger Spielfreude derart druckvoll um, dass so manchem Zuschauer die Kinnlade herunter geklappt sein dürfte. Das unbändige, leicht punkig orientierte Drumming von Carsten Nielsen macht Druck, dass die Schwarte kracht. Die Brüder Morten und Michael Stützer mögen zwar optisch aufgrund des dünnen Haares und der Bewegungsarmut ein wenig an Frührentner erinnern, aber was hier musikalisch abgeliefert wird, das klingt derart frisch, dass ARTILLERY in dieser Verfassung eine gehypte Formation wie beispielsweise LEGION OF THE DAMNED meilenweit hinter sicher lassen. Der neue ARTILLERY-Frontmann Søren Nico Adamsen macht seinen Job hinter dem Mikro im Übrigen verdammt gut. Obgleich er mit seinen Schreien etwas an Rob Halford erinnert und sich damit doch merklich vom Vocal-Output eines Flemming Rönsdorf unterscheidet, so fügt er sich auch gesanglich prima in die Band ein. Und er ist vor allem eines: hoch motiviert. Zweifelsohne der Aktivposten der Band.
Paradoxerweise zeigt sich das Publikum trotz der arschtighten Darbietung kaum Anzeichen von Begeisterung. Zu mehr als Schmalspur-Klatschen scheinen die Leute nicht im Stande zu sein, warum auch immer. Was ist los, meine Herrn? 'In The Trash' sowie das eindrucksvoll geholzte 'The Challenge' werden mit Herzblut und vor allem bemerkenswerter Präzision getrümmert. Mehr davon! Auch ein neues Stück haben die Stützer-Brüder auf Lager: 'When Death Comes' erinnert an beste ARTILLERY-Zeiten und umfasst alle Qualitätsmerkmale, die einen guten ARTILLERY-Song ausmachen: messerscharfe Riffs, grandiose Soli und ein gehöriger Schuss musikalischer Aggression.
Im Schlussteil ihrer Show hauen ARTILLLERY mit großen Klassikern gewaltig ins Mett. 'Khomaniac', der Groovekiller 'Terror Squad' und das starke 'Into The Universe' bringen wenigstens die vorderen Reihen mächtig zum Bangen (mein Nacken kann ein Lied davon singen). Warum die Band nach diesem Killer-Auftritt nur derart wenig Applaus einheimsen kann, wird mir auf immer ein Rätsel bleiben.
[Martin Loga]
TOKYO BLADE
Bei der nun aufspielenden NWoBHM-Legende TOKYO BLADE sieht die Sache schon erheblich anders aus. Vom Fleck weg sind die Headbanger voll bei der Sache und spätestens mit dem schnellen 'Death On Main Street' reißen TOKYO BLADE die gesamte Halle mit. Shouter Chris Gillen ist hervorragend bei Stimme und die gesamte Hintermannschaft hinterlässt im Hinblick auf Timing-Sicherheit und Motivation ein stimmiges Bild.
Das enthusiastisch vorgetragene 'Attack' entfacht lautstarke "Tokyo Blade!"-Rufe und mit Stücken wie 'Midnight Rendezvous' oder 'If Six Was Nine' sichern sich TOKYO BLADE eindeutig einen Ptz auf dem Siegertreppchen des KEEP IT TRUE XI. Selbst die im Metal-Business allzu oft hervorkramte RAINBOW-Coverversion 'Long Live Rock'n'Roll' trübt das Gesamtbild nicht, ganz im Gegenteil. Die Halle kocht und als dann noch der Überklassiker 'Night Of The Blade' angestimmt wird ist die Meute komplett aus dem Häuschen. Starker Auftritt, meine Herren!
[Martin Loga]
Gerade zu TOKYO BLADE ist aus meiner Sicht noch hinzuzufügen, dass ich sehr überrascht bin, wie authentisch das NWoBHM-Feeling nach all den Jahren noch rüber gebracht wird. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass mit Andy Boulton nur noch ein Originalmitglied am Start ist, dass die Band seit 1984 kein Album mehr heraus gebracht hat, das richtig Arsch getreten hätten und dass seit über zehn Jahren in Sachen neuer Mucke absolute Funkstille herrscht. Respekt!
[Rüdiger Stehle]
GIRLSCHOOL
Allzu viele Worte der Einleitung über GIRLSCHOOL zu verlieren, sollte eher überflüssig sein. Wer als Rocker oder Headbanger die seit nunmehr dreißig Jahren im Business aktiven Ladys noch nicht kennt, der dürfte sich auch nicht übermäßig für einen Bericht zum "Keep It True"-Festival interessieren. Wer die inzwischen schon etwas älter gewordenen Damen indes kennt, den wird es kaum überraschen, dass Denise, Kim, Jackie und Enid auch das elfte KIT rocken, dass es eine wahre Freude ist. Dass sich zur lieb gewonnenen Klassiker-Setlist der Gastspiele vergangener Jahre nun auch der eine oder andere Hammer vom neuen Album gesellt, dürfte keinen überraschen und mit Sicherheit auch keinen stören, nachdem "Legacy" ohne Wenn und Aber ein echtes Sahnestückchen ist.
So lässt das Quartett aus Old England zum Einstieg mit 'C'mon Let's Go' und 'Hit And Run' den rockenden Vorschlaghammer kreisen, bevor mit 'I Spy' eines der besten Stücke der neuen Scheibe folgt. Danach folgen in loser Folge weitere essentielle Göttergaben aus der Frühzeit ('Take It All Away', 'Screaming Blue Murder') und ein weiteres Stück vom neuen Album, bevor der reguläre Rausschmeißer 'Demolition Boys' und die obligatorische Zugabe 'Emergency' das Publikum noch mal ein bisschen zum Austicken und Abrocken bringen.
Obwohl der Sound bei GIRLSCHOOL nicht ganz so optimal ist wie bei den meisten anderen Bands und das Ganze daher bisweilen ein kleines bisschen zu sehr dröhnt, möchte ich den Schulmädels einen sehr gelungenen Auftritt attestieren, der Laune macht und vor allem von der natürlichen und humorigen Ausstrahlung der Musikerinnen lebt, wobei sich vor allem Enid und Kim mit ihren netten Ansagen positiv hervortun. Fraglos eine Band, die ich mir immer wieder gerne anschaue.
[Rüdiger Stehle]
NASTY SAVAGE
Pünktlich um 21:10 Uhr entern die Co-Headliner NASTY SAVAGE mit 'No Sympathy' die Bühne. Die Meute kocht und schon nach kurzer Zeit ist klar, wer hier der Entertainer des Abends ist. Der sehr beleibte Frontmann Nasty Ronny schwört das Publikum auf die folgende Stunde ein: "Are you in? Back to the old school?". Zu warm ist es dem früheren Profi-Wrestler dann wohl geworden und so entledigt sich der Koloss seiner Stoffhose und seiner Stiefel, um fortan in Boxershorts barfuß über die Bühnenbretter zu stampfen.
Im Set der altgedienten Formation finden sich dankenswerter Weise auch etliche Stücke des "Wage Of Mayhem"-Demos. Gerade das oberkultige 'Witches Sabbath', das auch im Hier und Jetzt noch mit spitzen King-Diamond-Gedächtnis-Schreien gewaltig regelt, knallt vollmundig aus dem Equipment. 'Psycho Psycho', der Titeltrack der letzten Studioscheibe der US-Metaller, wirkt leider etwas blass im Vergleich zu den übrigen Stücken der Setlist. Bei der Demo-Hymne 'Savage Desire' frischt der Publikumswind wieder erheblich auf und Nasty Ronny und seiner Band gelingt es wieder, das Publikum gehörig anzuheizen. "Are you in?" - Klar doch! Ronny wirft im Verlauf der Show immer wieder ein gieriges Auge auf den zu Beginn des Auftritts angeschleppten Fernseher, den er immer wieder umschleicht, liebevoll tätschelt und zurecht rückt. Und die Show geht weiter. 'Stabbed In The Back' und 'The Morgue' bieten abermals eine ruppige Old-School Ladung - Mann, waren die Achtziger geil! Bei 'Metal Knights' ist kollektives Singen angesagt ("...live on - posers will die..."). Der Punch von Drummer Curtis Beeson ist wuchtig wie nur was, so auch bei 'Dungeon Of Pleasure'.
Bei 'You Snooze You Lose' folgt nun die NASTY SAVAGE TV-Show. Nasty Ronny hat sich hierfür extra in einen neuen Wollpulli mit Azteken-Muster geworfen, um den Fernseher, den er die ganze Zeit gierig im Auge hatte, standesgemäß zu zertrümmern. Das Röhren-TV Gerät muss fortan dran glauben. Er hievt das Gerät in die Höhe, hält es über seinen Kopf und lässt es auf seinen Brustkorb und schließlich auf seine Stirn prallen. Diese Aktion wiederholt er mehrmals. Schließlich schmettert er die Reste des Geräts mit Wucht auf die Bühnenbretter und haut sich die Reste des Elektroschrottes immer wieder auf seinen Kopf, um sie dann sukzessive in das Publikum zu schleudern. Zu guter Letzt wird die Setlist noch mit Ronny-Blut benetzt, dann verschwindet die Band von der Bühne. Das Publikum wirkt einigermaßen geplättet und "Zugabe!"-Rufe sind nur vereinzelt zu vernehmen. Aber ein Stück fehlt noch im Set von NASTY SAVAGE: 'XXX'! Das Publikum mobilisiert noch einmal seine Kräfte. Dann ist der Spuk vorbei. NASTY SAVAGE sind die Definition von Old School Metal, so viel steht fest.
[Frank Hirnschal] & [Martin Loga]
FLOTSAM AND JETSAM
Nun ist es Zeit für den Headliner, der anders als bei früheren Keep-It-True-Festivals das Billing dominiert: FLOTSAM AND JETSAM. Die Band hat eine ziemliche Berg- und Talfahrt hinter sich, was ihre Karriere angeht. Häufig wurden musikalische Entwicklungen von der Fanbasis nicht geschätzt, und phantastische Alben wie "Cuatro", "Drift" oder auch "My God" erreichten nur Verkaufszahlen zwischen mäßig und saumäßig. Die Rückkehr zu härteren Sounds und Thrash mit dem letzten Album zeigte die Band allerdings unentschlossen und war eine zwiespältige Angelegenheit. Der Spirit ist wohl nicht so einfach reproduzierbar, weder bei den Musikern noch bei den Fans.
Entsprechend enthusiastisch ist die Schar an diesem Abend, denn es ist eine Old-School-Show angekündigt. Zwar nicht das beliebte "Wir spielen unser Album XY am Stück", wobei ich als wahrscheinlich Einziger im Saal für "Drift" oder "When The Storm Comes Down" plädiert hätte, aber dennoch ist klar, dass alle Jahre des neuen Jahrtausends und wahrscheinlich auch die Neunziger heute nicht zum Zuge kommen werden. Und als ob die Band klar machen will, wo es in den nächsten 75 Minuten langgeht, holzen sie erstmal einen fantastischen Longtrack in die Runde, möglicherweise um nicht während des ganzen Gigs die Rufe nach eben diesem Song hören zu müssen: 'Doomsday For The Deceiver', der Titelsong des ersten Albums, treibt die Meute sofort von Null auf Hundert. Danach folgt 'No Place For Disgrace', und es gibt kein Halten mehr. Die Band sprüht vor Spielfreude und fühlt sich sichtlich wohl; der Nachteil, dass die aktuellen musikalischen Werke nicht gewünscht sind, wird wohl durch die Freude über die Klassiker in den Augen der Fans aufgewogen. Es ist auch eine ziemlich große Crowd. Noch im Frühjahr spielten FLOTSAM AND JETSAM in Frankfurt nur vor etwa hundert Fans. Das hier ist eine ganz andere Baustelle, und Sänger Eric, dessen Frustration über den ausbleibenden kommerziellen Erfolg schon einmal fast zum Ende der Band geführt hätte, genießt die Reaktionen sichtlich.
Nach dem fantastischen 'The Master Sleeps', sicher einem der besten Songs von FLOTSAM AND JETSAM, wird den Fans ein Dreierpack vom "No Place For Disgrace"-Album serviert, und spätestens hier wird klar, dass falls die Band einmal ein Album in Gänze aufführen sollte, es wohl ihr Zweitwerk wäre. Eingebettet in das Triple bekommen wir noch das LARD-Cover 'Fuck Boy' zu hören und später auch noch ELTON JOHNs 'Saturday Night's Alright For Fighting'. Alle Musiker haben dabei sichtlich großen Spaß, aber besonders Sänger Eric ist ständig in Bewegung und macht den Auftritt auch zu einem Hingucker.
So ganz auf ihren drei frühen Thrash-Hämmern wollen sich FLOTSAM AND JETSAM dann aber doch nicht ausruhen. Mit 'Swatting At Flies' und 'Secret Square' gibt es zwei Stücke vom "Cuatro"-Album, die gut angenommen werden, was aber möglicherweise mehr an der allgemein ausgelassenen Stimmung liegt als an der Songkenntnis der Zuschauer. Das wird aber alles zu einem erneuten Höhepunkt gebracht, als 'Iron Tears' vom Debüt intoniert wird. Es ist mittlerweile bereits Mitternacht, und da für den folgenden Tag ein "Tanzverbot" in Bayern gilt, und auch das Bekenntnis "Wir tanzten auch gar nicht und singen nur ganz wenig mit" bei den Behörden kaum zu mildernden Umständen führen würde, kommt der Auftritt zum Ende, was Eric mit den Worten "Tomorrow is a holy day, so they want us to get the fuck out of here" klarstellt. Aber nicht, ohne vorher mit 'I Live, You Die' noch einen Klassiker gespielt zu haben.
Mit Sicherheit sind FLOTSAM AND JETSAM ein würdiger Headliner und die beste Band des Tages. Erics häufige "Shit"-Rufe beim Betrachten der Setlist sind zwar sowohl seltsam als auch unnötig, zumal er stimmlich alle Klippen mit Bravour meistert, aber immerhin gibt es auch einen Song, dem er mit "I like this song" ein Lob ausstellt. In dieser Form dürfen die Jungs aus Arizona gerne weitermachen, und vielleicht kommen wir alle ja doch noch Mal in den Genuss eines Konzerts der Band, bei dem Klassiker und neuere Songs gleichberechtigt nebeneinander stehen. Zur Spielzeit von 75 Minuten, die nicht nur auf dem Festival das übliche Flots-Limit darstellt, könnte man ebenfalls eine Schippe drauflegen und müsste dabei nicht einmal auf Klassiker verzichten. Eric, ich hoffe, du liest das hier mit!
[Frank Jaeger]
Fazit
Unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass die elfte Auflage des KEEP IT TRUE ein ungewohnt breites Spektrum und damit stilistisch noch mehr Abwechslung bot, als andere KIT-Shows. Von beinhartem Thrash (ARTILLERY), über progressiven Power Metal (TIMELORD) bis hin zu klassischem Hardrock (GIRLSCHOOL) war alles dabei, was das Herz eines Kuttenträgers höher schlagen lässt.
Der Ort des Geschehens, die Posthalle in Würzburg, hat zwar meiner Ansicht nach gegenüber der Tauberfrankenhalle in Lauda-Königshofen eindeutig die bessere Akustik (obgleich die selbe PA wie beim KIT X zum Einsatz kam), aber sie wird wahrscheinlich das erste und letzte Mal als Halle für das KEEP IT TRUE genutzt werden. Das KEEP IT TRUE XII wird wieder in Lauda-Königshofen veranstaltet werden und in Zukunft zwei Festivaltage umfassen.
Obgleich die Bands in der Posthalle allesamt zu überzeugen wussten, kam nicht wirklich das Festival-Feeling auf, das in Lauda-Königshofen sonst in der Tauberfrankenhalle herrscht. Dies ist aber auch der einzige Anknüpfungspunkt für Kritik. Der Sound war bombig, die Preise für Essen und Getränke human und die Schreiber der Zeilen dieses Berichts hatten allesamt mächtig Spaß in den Backen. [Zumindest nachdem sie den Schock der Parkplatz-Suche überwunden hatten - R.S.]
Waschechte Headbanger dürfen sich jetzt schon auf ARMORED SAINT, LIZZY BORDEN, die göttlichen EXXPLORER und auf viele mehr freuen. Wir sehen uns auf dem KEEP IT TRUE XII! Bis dahin: Hoch die Pommesgabel!
[Martin Loga]
- Redakteur:
- Martin Loga