Keep It True XIII - Königshofen
03.05.2010 | 22:1823.04.2010, Tauber-Franken-Halle
Das Underground-Kult-Festival geht trotz Vulkanasche in die dreizehnte Runde.
Selten war die Aufregung vor dem KIT bei den Besuchern wohl so groß wie in diesem Jahr. Grund dafür war natürlich vulkanische Asche, die nicht nur Organisator Oliver Weinsheimer mehr als eine Schweißperle auf die Stirn getrieben haben dürfte. Bis zum Donnerstag war unklar, welche Bands genau spielen werden und wen gestrichene Flüge und andere Unwegsamkeiten von der Anreise abhalten würden. Immerhin schafften es mit FIFTH ANGEL, ANACRUSIS, WATCHTOWER, SATAN'S HOST, HEART OF CYGNUS und OBSESSION einige Zugnummern, der Asche zu entkommen und pünktlich anzureisen. Bands wie DEMON oder die TYGERS OF PAN TANG machten sich von Großbritannien bereits frühzeitig mit dem Bus auf dem Weg, um auch ja in Lauda-Königshofen auftreten zu können. Ein mehr als lobenswerter Einsatz für Bands, die seit dreißig Jahren im Geschäft sind.
Und doch wurden mit THOR und STRIKER zwei Bands direkt vom isländischen Vulkan ausgebremst und konnten leider nicht anreisen. Zudem mussten mit HADES und WHITE WIZZARD zwei Bands kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen absagen. Und dann waren da noch CANDLEMASS, die Angst hatten, nicht rechtzeitig zur Arbeit am Montag wieder in Schweden zu sein und ihren bereits vor Ort befindlichen Sänger Rob Lowe im Stich ließen. Und das, obwohl die Flüge hin definitiv geflogen wären und zurück - wie wir jetzt wissen - ebenfalls. Kein Wunder, dass das Wort "Cancelmess" recht fix die Runde machte.
Doch all diesen Hindernissen und Ausfällen hat das Team um Oliver und Tarek schnell und gut abgeholfen. Die in Deutschland befindlichen OMEN wurden fix als Freitagsheadliner engagiert, die eh mit SAVAGE GRACE vor Ort weilenden ROXXCALIBUR durften ebenfalls am Freitag ran, und auch die Niederländer EMERALD, die Düsseldorfer Thrasher WARRANT und die Österreicher MORTICIAN standen kurzfristig Gewehr bei Fuss, als der Ruf aus Lauda-Königshofen kam. Und man kann sicher schon jetzt sagen, dass man an dieses "Keep It True"-Festival noch lange und sehr positiv denken wird.
Und weil dies alles so ist, ist es auch keine Überraschung, dass nach dem etwas zähen Einlass als Erstes der KIT-Merchandise-Stand gestürmt wird, um Tickets für die nächste Ausgabe des Festivals, DVDs und Shirts zu erstehen.
Dieses Bild präsentiert sich einem auch noch, als STEELWING die Bühne entern, um ihr brandheißes Debüt "Lord Of The Wasteland" zu präsentieren. Sänger Riley ist dabei mit beiden Beinen in den Achtzigern stehen geblieben. Spandexhose, weiße Socken, Turnschuhe - das ist das Outfit, welches man ein wenig von einer Band erwartet, deren Vorbilder die frühen IRON MAIDEN sind. Auch der Rest der Truppe repräsentiert das goldene Zeitalter des Heavy Metal mit Stolz. Stolz kann das Quintett auch auf ihr neues Album und Granaten wie 'Roadkill (Or Be Killed)', 'Headhunter' oder das mit einem großartigen Riff versehene 'Sentinel Hill' sein. So soll im besten Sinne klassischer Heavy Metal klingen. Das sehen auch die vielen Interessierten vor der Bühne so. Und nicht wenige latschen danach zum Merchandise-Stand, um die Band mit dem Kauf von CDs/LPs/Shirts zu belohnen. Ein sehr gelungener Auftakt.
[Peter Kubaschk]
Es ist schon praktisch, wenn man im Notfall auf eine super eingespielte Band wie ROXXCALIBUR zurückgreifen kann, die authentisch vergessene Klassiker serviert. Bei der Spielfreude und der Obskurität diverser Songs vergisst man schnell, dass es sich hierbei eigentlich um eine Coverband handelt. So auch dieses Mal. Spätestens beim grandiosen 'The Gates Of Gehenna' von CLOVEN HOOF sieht man überall in der Halle gereckte Fäuste und hört den Karaokechor des Publikums. Dass sich '7 Days Of Splendour' zur Hitsingle gemausert hat, beweist auch dieser Auftritt erneut. Hätten JAMESON RAID doch nur damals schon daraus Profit schlagen können. Diese Nummer ist aber auch mal einfach toll. Wie auch das etwas später im Set auftauchende 'War Of The Rings', welches wohl ebenfalls erst jetzt zu wohl verdienten Ehren kommt. Die Aussage eines jungen Kollegen, dass diese Version sogar besser sei als das Original von ARC, schiebe ich mal gutmütig seiner späten Geburt und den damit verbundenen veränderten Hörgewohntheiten zu.
Als ROXXCALIBUR dann mit dem Eröffnungsriff von 'Witchfinder General' losschlagen, sieht man Hunderte von Köpfen wackeln. Diese Doom-Hymne hat nichts von ihrer Durchschlagskraft verloren. Und das Quintett brät uns eine extrem fette Version vor die Lätzchen. Leckerschmecker. Zur finalen Genickverbeugung gibt es 'Let It Loose' von SAVAGE übergezogen, und danach wissen alle Anwesenden, wie die beste Coverband heißt: ROXXCALIBUR. Wie auch sonst?
Setlist:
Running For The Line (JJ'S POWERHOUSE), The Gates Of Gehenna (CLOVEN HOOF), 7 Days Of Splendour (JAMESON RAID), Rainbow Warrior (BLEAK HOUSE), Axe Crazy (JAGUAR), Lady Of Mars (DARK STAR), War Of The Ring (ARC), Witchfinder General (WITCHFINDER GENERAL), Let It Loose (SAVAGE)
Die Polen CRYSTAL VIPER stehen als Nächstes auf dem überaus illustren Metallerspeiseplan des heutigen KIT-Freitags. Die zierliche Frontdame mit ihrer Vier-Oktaven-Stimme, Martha Gabriel. hat mittlerweile live die Rhythmusgitarre übernommen, und die spielt sie souverän, ohne dass ihre kraftvolle Gesangsleistung darunter leidet. Unfreiweillig lächerlich wirkt jedoch das Auftauchen eines in ein Wolfskostüm mit Maske gehüllten Statisten bei 'The Wolf And The Witch'. Wie eine Schlaftablette schleicht er über die Bühne und stochert und hantiert dabei lustlos mit einem Holzstab in der Gegend herum.
Soundtechnisch ist zwischendurch mal etwas der Wurm drin, denn es kommt leider zu Rückkopplungen bei den Gitarren, und in der zweiten Hälfte des Songs ist leider der Gesang von Martha völlig weg. Mit der vierten Nummer macht sich jedoch kollektive Euphorie in der Halle breit, denn der AGENT STEEL-Klassiker 'Agents Of Steel' wird mit ordentlich Pfeffer abgeschossen. Martha hat die Gitarre beiseitegestellt und erklimmt mit einer beachtlichen Power höchste Töne, ohne dass sie dabei angestrengt ist. Die Haare wehen im Publikum fleißig. 'Metal Nation' und das von einem leider etwas zu langen Mitsingspielchen mit dem Publikum flankierte 'Night Prowler' machen live sehr viel Spaß, so dass der Daumen für den Auftritt der Polen ganz klar nach oben zeigt. Mit 'The Last Axeman' schließen CRYSTAL VIPER eine blitzsaubere Performance, deren Highlight wohl die Mark erschütternde Darbietung von 'Agents Of Steel' bildet.
Aber ist das wirklich nur ein Ersatz? Mitnichten. Obwohl ich zugegebenermaßen mit ihrem Material nicht vertraut bin, rocken die Herren von Anfang an sehr ordentlich und können ihre Fanschar vor der Bühne mit jedem Song vergrößern. Und wie es sich für eine Band aus den Achtzigern gehört, die sich obendrein noch nach einem THIN LIZZY-Klassiker benannt hat, treffen sie ins Herz der typischen "Keep It True"-Gemeinde, denn traditioneller Metal ist der gemeinsame Nenner der Anwesenden.
EMERALD dürfen eine ganze Stunde spielen, da auf diesem KIT auf Spielzeiten sicher kaum geachtet werden muss, und es wird zu keiner Sekunde langweilig. Dazu trägt auch der offensichtliche Spaß bei, den die Band bei ihrem Auftritt hat. Man kann gar nicht anders, man muss sie einfach mögen. Der Mittelpunkt der Show ist Sänger Bert Kivits, der zwar offensichtlich auch nicht mehr der Allerjüngste ist, eine Tatsache, die er mit vielen Anwesenden auf und vor der Bühne teilt, aber dem dies egal ist und der mit zwei Nietenarmbändern bewaffnet demonstrativ den Metal raushängen lässt und dabei den Bauch einzieht. Seine Stimme kommt klar und treffsicher aus den Boxen und trägt die melodischen Songs problemlos über die sechzig Minuten.
Der Set besteht natürlich aus (fast?) allen Songs des besagten Albums, so dass EMERALD diejenigen, die sie bereits schon einmal gesehen haben, keine Überraschung bieten können. Aber da das die Minderheit in der Halle ist, dürfen die Holländer sich freuen, neue Fans gewonnen zu haben. Am Ende des Sets befindet sich jedenfalls eine sehr ansehnliche Meute vor der Bühne, die ausgelassen feiert. Obwohl auch einige dabei sind, die sich bereits auf den nun folgenden Block US-amerikanischer Bands freuen, deretwegen nicht wenige der Besucher den Weg nach Lauda gefunden haben.
[Frank Jaeger]
Für mich persönlich ist die Tatsache, dass OBSESSION es geschafft haben, Königshofen trotz aller Widrigkeiten zu erreichen, ein großes Highlight. Klar, relativ weit unten im Billing, aber dennoch mit einer ganzen Stunde Spielzeit bedacht, präsentieren sich die Amerikaner in großartiger Verfassung. Aber diese Band wird ganz entscheidend von ihrem Sänger Mike Vescera geprägt, der alle Alben OBSESSIONs eingesungen, aber auch mit den japanischen LOUDNESS und dem schwedischen Flitzefinger Yngwie Malmsteen gearbeitet und auch solo bereits aufgenommen hat. Sein Name ist ein Begriff in der Szene und steht für kraftvollen, melodischen Metal, und diesen Status stellt er heute eindrucksvoll unter Beweis. Schon vom ersten Ton des Openers 'Marshall Law' an ist klar, dass hier nichts anbrennen kann. Der eingängige Metal mit den nachvollziehbaren Chören passt den Anwesenden so gut zum Nachmittagsbier wie sonst Omas Streuselkuchen zum Kaffee.
Die Setlist bedenkt alle drei hier erhältlichen Studioalben (Anmerkung: Es gibt noch eine Veröffentlichung aus dem Jahr 2008, die aber nur in Japan erhältlich ist) mit jeweils vier Songs und enthält außerdem zwei Tracks der EP, die das erste Lebenszeichen der Band nach einem Song auf Metal Blades legendärem "Metal Massacre 2"-Sampler bedeutete.
Die sechzig Minuten schlagen in die gleiche Kerbe wie die vorherigen EMERALD, so dass das Publikum bereits von Anfang an begeistert mitgeht. Vescera, der am kommenden Tag noch einen weniger gefeierten Auftritt haben wird, dominiert die Bühne, animiert zum Mitmachen und schmettert mühelos die alten Gassenhauer in die Meute. Alles andere als das Prädikat "ein voller Erfolg" wäre Understatement.
Einige Songs werden zu einem Medley verwoben, was zwar diejenigen, die mit den Liedern der Band nicht so vertraut sind, einige Schwierigkeiten bereitet, aber für die Fans ist das natürlich etwas Besonderes. Dieser Gig ist übrigens der erste OBSESSION-Auftritt in Europa. Überhaupt! Ich kann nur hoffen, dass es nicht der letzte sein wird, und mit mir der Großteil der Anwesenden.
Setlist: Marshall Law, Methods Of Madness, Scarred For Life, Carnival Of Lies, In For The Kill, For The Love Of Money, Pure Evil, Medley (Four Play, Hard To The Core, Winner Take All, Killer Elite, Shadows Of Steel), Only The Strong Will Survive, Smoking Gun, Bang 'Em Till They Bleed
[Frank Jaeger]
Keine Frage. ANACRUSIS sind ohne jeden Zweifel die Band, auf welche ich mich am meisten freue. Der eher technische Thrash der Amis gipfelte für mich im fulminanten Überalbum "Screams & Whispers", welches ich noch heute zu meinen persönlichen Top 10 zähle. Dass die Band diesen Auftritt mehr als ernst nimmt, beweisen die Tatsachen, dass das Quartett bereits seit einem Jahr regelmäßig probt und dazu die beiden ersten Alben "Suffering Hour" und "Reason" als überarbeitete Version unter dem Titel "Hindsight" im hübschen Digipack für freundliche fünfzehn Euro im Gepäck hat. Und schon mit den ersten Takten des Openers 'Present Tense' wird klar, dass die Band hier und heute alles und jeden an die Wand spielen wird. Das Gitarrenduo Nardi/Heidbreder harmoniert unglaublich gut, da sitzt jedes Riff, jedes Solo, schlicht alles. Dazu screamt und whispert sich Kenn durch Songs wie 'Driven', 'Something Real', 'Release' und 'Butcher's Block', dass es eine wahre Freude ist. Die Reaktionen sind entsprechend enthusiastisch. Und da spreche ich nicht nur vom wild zuckenden Schreiber, sondern von der Masse der Fans auf der Tribüne und unten, die bis weit hinter dem Mischpult bangt und johlt, ergriffen und begeistert ist.
Besonders spürbar sind diese Reaktionen beim "Manic Impressions"-Doppel 'Paint A Picture'/'I Love The World', bei dem zumindest der vordere Teil der Halle zu beben scheint. Dass 'I Love The World' aus tausend Kehlen mitgesungen wird, muss da gar nicht mehr gesondert erwähnt werden. Mit dem alles vernichtenden 'Sound The Alarm' und dem Debütklassiker 'Imprisoned' geht dann ein absolut fantastischer Gig zu Ende, dem aus meiner Sicht bis zum Ende des Festivals niemand mehr das Wasser reichen kann. Nicht mal WATCHTOWER. Bleibt nur zu hoffen, dass ANACRUSIS in dieser Form neues Material schreiben und ein fester Bestandteil der Szene bleiben. Großartig.
[Peter Kubaschk]
Alles völlig richtig, was der Kollege da schreibt, denn das sympathische Quintett, welches an beiden Tagen permanent gut gelaunt in der Halle herumrennt, ungenervt etliche Fanfragen beantwortet und für Fotos posiert, liefert einen grandiosen Auftritt ab, an dem alles stimmt. Die Performance, die Setlist, die Spielfreude, die Energie und die musikalische Kompetenz. Wenn man an anderen Stellen über Spandexhosen und weiße Socken berichtet, darf man hier aber unter dem Aspekt der alljährlichen Metalmodenschau nicht vergessen, dass Kevin Heidbreder in seinem Broker-Outfit mit schwarzer Weste einen neuen Standard in Sachen Seriösität setzen kann. Ach, "Nicht mal WATCHTOWER." ist natürlich sehr subjektiv, junger Padawan.
Setlist: Present Tense, Driven, Something Real, Stop Me, Terrified, Release, Butcher's Block, Paint A Picture, I Love The World, Afraid To Feel, Fighting Evil, Still Black, Sound The Alarm, Imprisoned
Der Auftritt unserer texanischen Frickelgötter steht unter keinem guten Stern. Gelingt es den drei Musikanten noch, trotz Vulkanchaos ihren Flieger zu besteigen und pünktlich am Festival anzukommen, wird der stählerne Adler ihres neuen alten neuen Sängers Alan Tecchio erst einmal komplett gestrichen. So starte ich am Donnerstag meine Reise gen Lauda mit dem Gedanken, WATCHTOWER zum ersten Mal komplett instrumental erleben zu können/müssen. Eine aufbauende SMS während der Fahrt lässt dann allerdings die Faust zum Metal God erheben, denn die Veranstalter haben keine Kosten und Mühen gescheut und Alan für 2000 Tacken einfliegen können.
Wer das Vergnügen hatte, die Band schon einmal live zu erleben, weiß, dass immer eine extrem durchgeknallte Show geboten wird. Als die Jungs dann allerdings mit 'Asylum' über das Publikum herfallen, sind die überraschten Gesichter in der Überzahl. Bassmonster Doug Keyser, den man zuletzt noch als Fallschirm springenden Frosch auf einer Bühne in Balingen sehen konnte, hat eine völlig abgefahrene Maske auf dem Kopf und ein rotes Ensemble an, welches erneut jeder Beschreibung spottet. Alan kommt mit einer Art Fahrradhelm und dazu (nicht) passender Schutzbrille um die Ecke, und Ron Jarzombek hat sich in eine magische Rot-schwarz-Kombination gezwängt. Ganz der Hexer, der er an seinem Instrument nun einmal ist.
Hat man sich vom ersten optischen Schreck erholt und nach dem ersten Lachflash wieder Luft zum Atmen, stellt man sofort fest: WATCHTOWER haben nichts, aber auch gar nichts verlernt. Ganz im Gegenteil: Musikalisch eh aus einem komplett anderen Universum, flippen die drei Zappelphilippe noch mehr aus als beim letzten Mal. So kann vermeintlich anstrengende Musik sehr kurzweilig und unterhaltsam sein.
Wer nun befürchtet, dass bei all dem kranken Unsinn der musikalische Ernst verlorengeht, hat sich natürlich getäuscht. Da sitzt jede Note, da passt jeder Taktwechsel. Blindes Verständnis nennt man so etwas wohl. Und zwischen diesen unglaublich vielen Noten jongliert Alan mit einer mehr als passenden Show, die wie ein eingeübter Zufall im Randomverfahren aussieht. Sich angemessen zu den Taktvorgaben seiner Mitstreiter während der instrumentalen Passagen zu bewegen, ohne dabei über die eigenen Gliedmaßen zu stolpern, ist nämlich sicherlich nicht so einfach. Mister Tecchio ist es aber offensichtlich völlig gleichgültig, ob er sich zum Affen macht – was natürlich nicht der Fall ist –, und dreht gemäß dem Umstand, dass die Musik ja eh schon alle in der Halle überfordert, völlig am Rad. Und zwar am mentalen Riesenrad. Fernsehballett auf Ecstasy. Zwischen diversen Klassikern der beiden Alben, die natürlich fehlerfrei mit gymnastischen Übungen unterlegt und von staunenden Gesichtern ungläubig beobachtet werden, gibt es unterhaltsame Informationen über Elefanten sowie einen grandiosen neuen Song, der es nicht auf "Mathematics" geschafft hat. 'Volcano Blow' ist so kurz, da sind meine Chillirückstöße länger. Aber lassen wir das.
Das wirklich neue 'The Size Matters', welches es seit kurzer Zeit auf der MySpace-Seite der Band zu bestaunen gibt und welches laut Alan der eingängiste Titel von "Mathematics" sein soll, fügt sich nahtlos in das bekannte Material ein und lässt hoffen, dass wir nicht noch einmal zwei Dekaden warten müssen. Doug, der inzwischen seine Maske abgesetzt hat und dafür mit umso erstaunlicherer Gesichtsgymnastik erfreut, während er Katz und Maus mit Ron spielt, zeigt allen Bassisten dieses Erdballs, wo der Frosch die Locken hat, und tanzt mit seinen Fingern über das Griffbrett seiner Wundermaschine, als wäre es das Einfachste von der Welt.
Als die Jungs den "Energetic Dissassembly"-Smasher 'Tyrants In Distress' um eine 'I Kissed A Girl'- Passage erweitern, ist man sich in der Fanbase nicht sicher, ob das denn erlaubt sei. Katy Perry ist ja mal so gar nicht true. Völlig wurscht, die Texaner dürfen das. Hier geht es schließlich um Unterhaltung. Mehr wollen WATCHTOWER nämlich gar nicht. Sie wollen nur spielen.
Während ich versuche, mir die beim Luftgitarrespielen verknoteten Finger zu entwirren, sagt Alan 'The Fall Of Reason' an, was bei mir für kurzzeitigen Herzstillstand sorgt. Bei allem nordischen Enthusiasmusverbot wird hier mit dem Nachbarn Faust an Faust der komplette Text mit geschrien. Progressive Karaoke.
Zwischendurch spielen Doug und Ron hinter Alan fröhliche Abklatschspiele, ohne dabei natürlich ihre Einsätze zu verpassen. Im Hintergrund klöppelt sich beinahe unscheinbar Rick Colaluca ein paar mehr oder weniger zufällig richtige Primzahlen aus den Gliedmaßen und lächelt dabei entspannt aus der Hüfte. Mainstreampop ist halt leicht zu spielen. Während des Titelsongs des letzten Albums gibt es ein paar kurze RUSH-Zitate, die aber auch eher wie ein spontaner Einfall klingen, und als ob das alles noch nicht unterhaltsam genug ist, steht Master Tecchio auf einmal ohne Hose am Bühnenrand. Ja, mir ist auch beinahe einer abgegangen. Wie gut, dass einem das finale 'Meltdown' dazu keine Zeit lässt. Die Sauerei will ja hinterher keiner wegmachen. Besagtes 'Meltdown' beweist dann übrigens auch, dass man zu WATCHTOWER sehr wohl mitsingen und klatschen kann. Ein paar hundert Anwesende werden dies bestätigen. Und auch mir hat es insgesamt ziemlich gut gefallen.
[Holger Andrae]
Jetzt wollte ich natürlich auch unbedingt einen Kommentar zu WATCHTOWER loswerden, denn nicht nur freute ich mich im Vorfeld am meisten auf die Texaner, nein, sie waren auch für mich im Rückblick die beste Band des Festivals. Da aber wirklich alles schon gesagt wurde, ist mein Statement einfach der Ausgleich zu der obigen "ANACRUSIS sei die beste Band des Festivals gewesen"-Aussage. Weil: zweitbeste. Vergesst nicht, euch die Fotos von Dougs entgleisenden Gesichtszügen anzusehen!
Setlist: Asylum, Instruments of Random Murder, The Eldritch, Volcano's Blow (oder doch Vulcanoes Blow?), The Size Of Matter, Mayday In Kiev, Tyrants in Distress/I Kissed A Girl, The Fall Of Reason, Social Fears, Control And Resistance/Cygnus X-1, Meltdown
Die erste Überraschung ist, dass Chris Logue nur singt. Da er als Gitarrist angefangen und erst mit dem zweiten Album auch das Mikro in Beschlag genommen hat (nach dem Verschleiß von gleich drei auf Vinyl verewigten Sängern), ist das nicht unbedingt zu erwarten gewesen.
Mit 'Bound To Be Free' geht der Gig gleich richtig in die Vollen, so dass man keine Zeit hat, sich lange zu wundern. Chris hat den Kopf verhüllt, (vielleicht fehlt ihm die wallende Mähne an der einen oder anderen Stelle?), obwohl er sonst aussieht, als sei er direkt aus den Achtzigern rübergehüpft und seit "After The Fall From Grace" keinen Tag gealtert. Sofort nimmt er den Mittelpunkt der Bühne und alle Blicke in Beschlag.
Der Sound ist gut, auch wenn er heute schon besser war, und spätestens mit 'Into The Fire' weichen alle Befürchtungen einer allgemeinen Begeisterung. Dass die Band allerdings 'Betrayer' spielt, ist für mich ein Fauxpas, denn das ist der langweiligste Song, den die Band auf ihren ersten drei Veröffentlichungen hatte. Ansonsten stimmt die Songauswahl absolut; von beiden Alben werden die besten Tracks ausgewählt und von der EP "The Dominatress" wird der Titelsong gespielt. Leider nur der; über ein 'Fight For Your Life' oder 'Live To Burn' hätte ich mich gefreut.
Als Abschluss gibt es dann zum Erstaunen vieler Anwesender gar zwei Coverversionen, nämlich 'Burn' von DEEP PURPLE und 'Exciter' von JUDAS PRIEST. Beides gute Songs, und gefeiert werden sie auch, aber oben genannte Songs wären mir dann doch lieber gewesen, denn ich bleibe immer noch dabei: Wer weiß, wann man SAVAGE GRACE wiedersehen wird.
Setlist: Bound To Be Free, Into The Fire, Betrayer, After The Fall From Grace, Master Of Disguise, We Came, We Saw, We Conquered, The Dominatress, Sins Of The Damned, Burn (DEEP PURPLE-Cover), Exciter (JUDAS PRIEST-Cover)
Peter hat es euch im Vorwort bereits angedeutet, dass einer der gebuchten Headliner ausfiel und dafür hochkarätiger Ersatz beschafft werden musste, den Oliver und Co. schließlich in OMEN fanden. Doch der Reihe nach: Als Headliner für den Freitag waren lange CANDLEMASS mit einer speziellen Show zum fünfundzwanzigsten Jubiläum des Debütalbums bestätigt, die mit dem etatmäßigen Sänger Rob Lowe und Johan Langquist hätten auftreten sollen. Durch die Vulkanologie gerät das Unternehmen jedoch ins Wanken, weil es letztlich zwar möglich ist, den Sänger pünktlich über die Niederlande aus Texas einzufliegen, der Rest der Band sich jedoch trotz des bestätigten Hinflugs außer Stande sieht, aus Schweden anzureisen, weil es ja sein könnte, dass das Flugverbot nochmal in Kraft tritt und man dann in Frankfurt festsitzen könnte. Auch eine Fahrt mit dem Bus sei nicht möglich gewesen, weil Lars starke Rückenschmerzen habe. So sitzt nun ein reichlich gefrusteter Robert Lowe in Lauda, während seine Band vom Publikum kurzerhand in "Cancelmess" umbenannt wird. Eine Parteinahme verkneife ich mir an dieser Stelle, doch es dürfte feststehen, dass die Herren es trotz der nachgereichten Entschuldigung schwerhaben werden, das Vertrauen der enttäuschten Fans vom KIT zurückzugewinnen.
Lachender Dritter ist in diesem Fall eine Band mit gehöriger KIT-Erfahrung, die ebenfalls aschehalber in Deutschland festsitzt, weil zur Abwechslung mal die Rückflüge abgesagt wurden. Es handelt sich um niemand Geringeren als OMEN, die sich bis kurz vor dem KIT ohnehin mit SAVAGE GRACE auf Tour befanden, sich nicht zweimal bitten ließen und gerne für die schwedischen Doomster eingesprungen sind. So stehen Kenny Powell und seine drei Mitstreiter nach KIT I und KIT X mittlerweile zum dritten Mal in der Rolle des (Co-)Headliners auf den Brettern, und eine Blöße geben sie sich nicht. Die Setlist kommt zwar ohne größere Überraschungen aus, aber die meisten essentiellen Hits der ersten drei Alben werden gespielt.
Der Einstieg ist mit 'Termination' und 'Death Rider' furios gewählt, eine bärenstarke Version von 'Dragon's Breath' wird dem isländischen Vulkan gewidmet, der ja letztlich schuld an diesem Headliner-Gig der sympathischen Amis ist, und bei meinem persönlichen OMEN-Favoriten 'Ruby Eyes' gibt es für viele im zahlreich anwesenden Publikum kein Halten mehr. Weiter reiht sich Klassiker an Klassiker, und so ist das Publikum nach einer guten Dreiviertelstunde auch bereit, sich das neue Stück 'Blood On The Water' vorstellen zu lassen, das stilistisch an OMENs Frühwerk anknüpft, aber seine Livequalitäten erst noch entwickeln muss. Es lässt für das kommende Album aber durchaus hoffen.
Das reguläre Set endet mit einem brachialen Triple aus 'The Axeman' (mit Soloeinlagen von Kenny und Basser Andy Haas), 'The Curse' (bei dem das Publikum zusammen mit George Call den Werwolf mimen darf) und dem etwas seltener gespielten 'Don't Fear The Night'.
Mit großem Jubel allenthalben lässt natürlich die Zugabe nicht lange auf sich warten, und die beiden Titelstücke des Frühwerks, 'Battle Cry' und 'Warning Of Danger', beenden einen starken Auftritt mehr als würdig. Hier und da hört man leise Kritik dahingehend, dass der Sound nicht ganz optimal gewesen sei und dass George Call schwächer gesungen habe als sonst, doch das nenne ich an dieser Stelle einfach mal Jammern auf hohem Niveau. Es stimmt, dass George ein bisschen heiserer geklungen hat als noch beim KIT X, aber das mag sicher daran liegen, dass die enorm verstärkten Touraktivitäten auch mal ein bisschen auf die Stimme schlagen können. Außerdem mag bei einigen Leuten der Gewöhnungseffekt dazu führen, dass OMEN mittlerweile etwas kritischer beäugt werden als seinerzeit, als man sich noch glücklich schätzen durfte, die Band alle zehn oder fünfzehn Jahre mal live zu Gesicht zu bekommen.
Leise Kritik hin oder her: Für OMEN ist auch der dritte KIT-Auftritt ein Triumphzug. Die Band wird nach dem Verklingen der letzten Töne verdient abgefeiert, und durch die spontane Aushilfe und den ausgiebigen Kontakt zum Publikum dürften die Texaner beim KIT-Publikum auf ewig einen mächtigen Stein im Brett haben. Vor allem Kenny und Andy, aber auch George und Danny bewegen sich ständig in der Halle durch das Publikum, haben für jeden ein offenes Ohr, Zeit für ein Foto oder Autogramm und treffen sich auch am Samstag noch auf dem Parkplatz mit Fans und Bekannten, um gemeinsam das eine oder andere Bierchen zu köpfen. So macht eine durch und durch sympathische Band aus der Not eine Tugend. Wir freuen uns auf zukünftige Live-Auftritte OMENs und natürlich auch auf das hoffentlich bald kommende siebte Studioalbum.
Setlist: Termination, Death Rider, Dragon's Breath, Ruby Eyes (Of The Serpent), Die By The Blade, In The Arena, Teeth Of The Hydra, Blood On The Water, Soli (Gitarre & Bass), The Axeman, The Curse, Don't Fear The Night, Battle Cry, Warning Of Danger
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle