LAZULI - München
17.04.2018 | 07:2112.04.2018, Backstage Club
Beste Live-Band Frankreichs?
Vor kurzem erschien "Saison 8" das achte Album der französischen Prog-Eigenbrötler LAZULI. Die Band existiert schon seit 1998 und spielt seit sieben Jahren in derselben Besetzung. Dementsprechend eingespielt und aufeinander eingestimmt sind die Musiker. Und langjährige Konzertgänger wissen: Es gibt nichts genussreicheres als eine langjährig zusammengewachsene Band.
Und genau dies ist es, was an diesem Abend auch viele Hörer fasziniert, die vielleicht LAZULI zu ersten Mal sehen. Die Band hat wohl momentan über die kleine Progszene hinaus einen Geheimtip-Status, so dass sogar Kollegen und Freunde von mir ohne meine Propaganda von diesem Konzert mitbekommen haben. Und sogar hingegangen sind! Ja, und sie waren tatsächlich am Ende begeistert!
Fast genau vor einem Jahr habe ich die Band in derselben Location das erste Mal live gesehen. Sogar die Vorband war dieselbe. THE PROGNOSIS - für mich der Prototyp einer Hobby-Altherrenband, die laue Coverversionen von alten Prog-Rock-Hits mit fragwürdigem Gesang spielt. Ein guter Grund, später zu kommen, was sich bei den beiden gehörten Songs auch bestätigt. Allerdings schien das Publikum die Band ganz gut zu feiern.
LAZULI dagegen - schon vor einem Jahr fantastisch - zeigt sich auf dieser Tour sogar noch besser! Der Sound ist diesmal sehr gut ausbalanciert, auch wenn Dominique Leonettis Gesang an manchen Stellen immer noch etwas zu leise im Mix ist. Natürlich fokussiert man sich auf die Songs des neuen Albums, welches bis auf 'Les Côtes' komplett gespielt wird. Das heisst aber noch lange nicht, dass die Songauswahl einseitig ist. Die LAZULIs vermischen so viele verschiedene Elemente in ihrer Musik, dass es im Grunde nie langweilig wird. Basis für ihren Sound ist sicherlich der alte Progressive Rock, der ja auch in Frankreich mit ANGE oder NEMO hochangesehene Bands hervorgebracht hat. Und natürlich macht man auch keinen Bogen um konventionelle Songwriting-Strategien. Ein leiser Anfang mit folgender Steigerung ist für LAZULI nicht ungewöhnlich und eine paar prägnante Hooklines haben sie auch zu bieten. Was LAZULI einzigartig macht, sind aber die Individuen und deswegen wirkt die Band live immer noch ein Tick besser als auf CD. Keiner der Musiker spielt sich jedoch durch Extravaganzen empor. Klar ist die glockenhelle Stimme von Dominique Léonetti ein Hinhörer, klar ist Claudes Léonettis eigenst konzipierte Léode ein LAZULI-Trademark, über das die Leute vor und nach dem Konzert diskutieren, und das alle während des Konzerts fasziniert. Und klar ist auch das zottelige Äußere der Bandmitglieder etwas, an das man sich erinnert. Und dennoch ist LAZULI keine Show-Off-Band, die wie DREAM THEATER oder damals SPOCK'S BEARD einen Teil ihrer Show für die Zurschaustellung ihrer Künste nutzt. Nein, es ist immer der Song und dessen Wirkung, der bei LAZULI im Vordergrund steht.
Liebenswert sind die Szenen, in denen Dominique eine kurze Erklärung zu seinen Texten auf deutsch vorliest. 'Chronique Canine' beispielsweise handelt von einem Hund, der auf eine Autobahnraststätte ausgesetzt wurde. Dies sei eine Situation, in die sich der Frontmann bestens hineinversetzen könne, denn dies sei ihm selber auch schon passiert. Dabei deutet er auf seine Bandmitglieder und die das Publikum lacht. Manche Ansagen sind aber ernsthafter und nachdenklicher, erläutert er doch, dass er bei der täglichen Dosis schlechter Nachrichten kaum mehr in der Lage sei, seine Mitmenschen in sich wiederzukennen.
Auch musikalisch lassen die Franzosen nichts anbrennen. Es ist eine Wonne, wie sich Gitarre, Gesang und Léode die Harmonien zuspielen, wie Melodien vom einen aufs andere Instrument übergreifen. Und wie Dynamik und Spannung aufgebaut werden, ohne jemals in Noise-Orgien zu enden. Nein, die Band verliert niemals die Kontrolle oder lässt sich gehen. Was noch lange nicht heißen muss, dass LAZULI die Stimmung nicht zum Sieden bringen kann. Gerade der Ethno-Part am Ende von 'Le miroir aux alouettes' bringt auch beim älteren Prog-Publikum das Tanzbein ganz gut in Schwung.
Höhepunkte für mich sind dann allerdings die Momente, in denen Keyboarder Romain Thorel zum Titan wird und das Waldhorn ergreift. Der Ton dieses Instruments gibt LAZULIs Musik eine große Kraft und hinterlässt bleibende Eindrücke. So verwundert es nicht, dass das Publikum an Ende des Sets wieder minutenlang die Melodie des Ohrwurms 'Le temps et à la rage' mit Oh-Oh-Oh-Chöre nachsingt, während die Band langsam von der Bühne geht. Doch sie kommt wieder und schmettert nochmal eine beeindruckende Version des Titeltracks von Album Numero 7 'Nos Âmes Saoules' und am Schluß gibt es die obligatorische "Nine hands around marimba"-Einlage, wo sich alle Mitglieder um das Tasteninstrument versammeln und ein letztes Mal ihr perfektes Zusammenspiel offenbaren. Bitte nächstes Jahr wieder!
Setliste: J'attends un printemps; Un linquel de brume; Deraille; Le miroir aux alouettes; Mes amis, mes frères; Chronique canine; Je te laisse ce monde; L'arbre; Mes Semblables; Les 4 mortes saisons; De deux choses lune; Le lierre; Les courants ascendants; Le temps et a la rage; Nos ames saules.
- Redakteur:
- Thomas Becker