LORDI, ALMANAC und DYMYTRY - München
12.01.2023 | 15:5928.11.2022, Backstage Werk
Wer kennt den Unterschied zwischen "Ja" und "Jaja"?
Ich muss zugeben, dass mich nicht so sehr der musikalische Aspekt sondern vielmehr die Neugierde auf eine opulente Bühnenshow von LORDI zu diesem Konzert gelockt hat. Dass die Band schon seit Anfang der 2000er konstant tourt und Alben veröffentlicht, bedeutet aber auch, dass sie musikalisch mehr zu bieten haben muss als nur den einen Hit, den jeder vom Eurovision Song Contest kennt.
Bevor wir jedoch unsere erste Monstershow erleben dürfen, widmen wir unsere Aufmerksamkeit den Vorbands. DYMYTRY ist dabei ein No-Name für mich. Die Band kommt aus Tschechien, trägt ähnlich wie LORDI auch Masken, spielt aber mit deutlich moderneren Sounds als LORDI auf. Eine Besonderheit ist, dass DYMYTRY zwei Sänger hat. Während einer für Livegigs in Tschechien (auf tschechisch) zuständig ist, so tritt auf internationaler Bühne Alen Ljubic auf und performt die englischen Versionen. Auch vom letzten Studioalbum "Revolt" gibt es zwei Versionen, eine tschechische (2019) und eine englische (2022).
Wir sehen eine sehr aktive und engagierte Band auf der Bühne, die auch erstaunlich viele Anhänger im Publikum hat. Ihr Stil, harte, groovige Nu-Metal-Riffs mit einfachen, eingängigen Refrains zu paaren, klingt jetzt zwar wenig originell, bietet aber für eine gute halbe Stunde beste Unterhaltung. Oftmals erinnert mich die Musik an die kroatischen Folk-Metaller MANNTRA, die am Vortag hier im Backstage Club einen Gig ihrer ersten Headliner-Tour spielten, und liegt damit voll im Trend.
Interessanterweise gibt es auch eine Verbindung zwischen DYMYTRY und Victors Smolskis ALMANAC. Der ex-RAGE Gitarrero griff nämlich bei DYMYTRYs Coverversion von ROCKWELLs '84er Pophit 'Somebody's Watching Me' (Michael Jackson singt hier ja nur den Refrain) in die Saiten. Nun ja, ich ziehe das Original vor, doch Smolski wohnt DYMYTRY auch bei der heutigen Livedarbietung des Songs bei, und auf einmal baut sich eine gewisse Vorfreude auf den Mann beim gleich folgenden ALMANAC-Gig auf.
Dieser beginnt aber etwas seltsam. Nur drei Musiker sind auf der Bühne zu sehen, die Keyboards vom Band sind überlaut und Gitarren höre ich erstmal so gut wie gar nicht. Doch kurz darauf wird die Situation verständlich. Viktor erklärt, dass wir heute leider ohne Gesang auskommen müssen, weil der gerade erst offiziell bestätigte neue Live-Sänger (Leonel Silva) erkrankt ist. Also heißt es improvisieren, was bedeutet, dass die heutige Show größtenteils instrumental gestaltet werden muss. Doch nachdem sich der Sound ausbalanciert hat, ist dieses Manko gar nicht mehr so schwerwiegend, denn ein Viktor Smolski weiß schon, wie man diese Lücke füllt. Sein Stageacting ist sympathisch und engagiert, doch seine Hauptwaffe ist natürlich die Gitarre, der er je nach Kontext fette Heavy-Riffs, flitzende Soli oder gefühlvoll schwebende Töne entlockt. Das musikalische Repertoire erstreckt sich hierbei von Smolskis RAGE-Zeiten (ich meine einige Parts aus den 'Suite Lingua Mortis'-Stücken zu erkennen; und später wird noch 'Unity' gezockt) über ein paar ALMANAC-Schmankerl bis hin zu einem Song von Smolskis kommendem Solo-Album "Guitar Force". Auch DYMYTRYS Maskenmann Alen darf noch einmal die Bühne entern, doch ich finde, dass seine Vocals nicht so recht zu dem melodischen Power Metal von ALMANAC passen.
Wie dem auch sei, die insgesamt trotz aller Widrigkeiten sehr kurzweilige ALAMANC-Show ist recht bald vorbei (länger als eine halbe Stunde war das nicht) und die Bühne wird nun hergerichtet für LORDI. Die Finnen haben ja letztes Jahr ein rekordverdächtiges Mammutalbum namens "Lordiversity" auf den Markt gebracht, das insgesamt sieben Alben enthält. Jedes stammt aus einer anderen fiktiven Zeit und repräsentiert LORDI mit unterschiedlichen Stilen, vom Disko-Pop bis hin zum modernen Thrash Metal.
Und aus diesem riesigen Songpool schöpfen die Monstermänner auf dem heutigen Gig auch einen großen Anteil der gespielten Songs. Ich bin jedoch geneigt zu sagen, dass es bei einer LORDI-Show zunächst mal egal ist, welche Songs gespielt werden, denn das Hauptaugenmerk liegt natürlich auf den Kostümen. Wir sind tatsächlich sehr beeindruckt von dem bis ins letzte Detail perfekt durchdesignten Äußeren, das dann auch noch ausgezeichnet mit dem Bühnenbild harmoniert. Man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll. An der Gitarre ist mit Kone seit 2022 ein neuer Alien an Bord, der aussieht wie ein Cyborg mit Schläuchen im Kopf und langem blonden Haar. Auf der anderen Seite ist Basser Hiisi, der reptilische Troll aus der Arktis. Etwas menschlicher ist Keyboarderin Hella, eine Mischung aus Horrorpuppe und, ähem, DEE SNIDER, während Drummer Mana den Zombie eines Pastors darstellt. Tja, und in der Mitte dieser ganzen Knuddlies ist Mr. Lordi, den wohl jeder schon einmal irgendwo gesehen haben muss. Optisch ist das also allerbeste Unterhaltung. Und sonst so?
Wir haben definitiv unseren Spaß, vor allem Mr. Lordi unterhält mit witzigen Ansagen. Er nimmt ein klein wenig auch uns Deutsche auf die Schippe, als er erklärt, er kenne den Unterschied zwischen "ja" und "jaja".
Das "Jaja" wurde während des Gigs dann zum Running Gag, vor allem wenn der Chef ein wenig mehr Lärm von Seiten des Publikums wollte. Ansonsten lernen wir, dass Mr. Lordi seine Musik "scheiße" findet, diese aber sehr gerne zum Besten gibt, und wir haben zudem die Ehre, zukünftige alte Klassiker hören zu dürfen. Unter diesen ist auch ein Disko-Song namens 'Believe Me', der vor allem die harten Metaller unter uns, also die mit den ganz großen Scheuklappen, erschrecken soll. Und das tut er auch, glaubt mir, der Song ist tatsächlich schrecklich.
Ansonsten geht uns die Musik aber gut rein, vor allem weil zu Hause in der letzten Zeit doch hin und wieder mal KISS und TWISTED SISTER läuft, von denen LORDI bekanntlich nicht weit entfernt ist. Ich schäme mich deshalb nicht, bei Songs wie 'Down With The Devil' oder 'Would You Love A Monsterman' die Haare zu schütteln. Und auch instrumental haben die Zottel einiges drauf; jeder bekommt seinen Spot, sich auch solo profilieren zu dürfen, was bei Konzerten von großen Bands oftmals nervt. Hier aber nicht. Es ist musikalisch schmackhaft, unterhaltsam untermalt und auch nicht zu lang. Vor allem der Neue an der Klampfe gefällt mir richtig gut.
Und so vergehen die knapp zwei Stunden wie im Fluge; am Ende bietet Mr. Lordi dann noch einmal ein spektakuläres Motiv, indem er seine berühmten Fledermausflügel ausbreitet. Jaja, das kann schon was. Ich meine natürlich: Ja! Das kann schon was. Hard Rock Hallelujah.
Fotos: Nives Ivic
- Redakteur:
- Thomas Becker