LORNA SHORE, MENTAL CRUELTY und CHAVER - Dresden
08.06.2025 | 22:1306.06.2025, alter Schlachthof
Ein epochaler Warmabriss!
Was kann es Schöneres geben, als das bevorstehende verlängerte Wochenende im Rahmen eines gemütlichen Grillabends einzuleiten? Richtig, ein Besuch bei einem Extrem-Metal-Konzert der Superlative. Die Rede ist von niemand geringerem als der Melodic-Deathcore-Institution LORNA SHORE. Die US-Amerikaner aus New Jersey, sind spätestens seit dem Release von "Immortal" und "Pain Remains" der Maßstab an dem sich viele andere messen müssen. Nicht zuletzt durch den Wechsel am Mikrofon zu Will Ramos, bekam die Truppe nochmal einen gehörigen Schub in Sachen Bekanntheit und ist weit über die Grenzen der eigentlichen Fangemeinde ein Begriff. Die aktuelle Tour wird von SIGNS OF THE SWARM, MENTAL CRUELTY, CHAVER und FIT FOR AN AUTOPSY supportet, wobei der Stopp in Dresden von MENTAL CRUELTY, aus Karlsruhe, und CHAVER, aus der Nachbarstadt Leipzig, begleitet wird.
Für mich ist es der zweite Besuch bei LORNA SHORE, nach einem Konzert 2023 in Hannover. Damals war ich schon völlig geflasht, wie die Band es vermag, einen Raum mit Energie zu durchfluten und bin nun, zwei Jahre später, gespannt, ob sich daran anknüpfen lässt.
Aber um dies beurteilen zu können, steht die Anreise bevor, welche an einem Freitag durch die halbe Bundesrepublik zu einer Herausforderung werden kann. Ein Stau auf der Autobahn sollte sich später noch rächen und ein wenig Improvisation abverlangen. Zumindest am Einlass hat alles reibungslos funktioniert und die Akkreditierungsmaschinerie läuft wie ein Uhrwerk.
Pünktlich zum Opener CHAVER, geht es in den alten Schlachthof und wie angekündigt erklingen 18:55 Uhr die ersten Riffs aus den Lautsprechern, der bereits gut gefüllten Halle. Leider ist der Zugang zum Fotograben bereits verschlossen und ich komme tatsächlich 1 Minute zu spät, was mir nichts anderes übriglässt, als die Jungs aus Leipzig vom Publikum aus abzulichten. Sehr schade aber nicht zu ändern. Dem Auftritt des Trios tut das natürlich nichts zur Sache, denn die schieben Welle um Welle ihr aggressives Death/Black-Metal-Play nach vorn.
Vom Härtegrad passt die Band perfekt in das heutige Line-up, da sie den anderen Truppen in nichts nachsteht. Stilistisch geht CHAVER jedoch den Weg, dass weitestgehend auf Melodieparts verzichtet wird und die Stücke somit nur wenig Zwischenraum zum Luftholen innehaben. Getreu dem Motto, es geht auch ohne, treiben die beiden Sänger Chris und Willi die Songs keischend von Breakdown zu Breakdown. Für mich, als harmoniebedürftiger Musikliebhaber, fühlt sich das wie ein Tsunami an, der ebenso schnell, wie er gekommen, auch schon wieder vorbei ist.
Heftig und voller Zerstörungswut fegt CHAVER über Dresden hinweg. Nicht nur ihre angereisten Fans sind nun eingestimmt, auch das restliche Publikum hat einen klasse Opener gesehen, der sich jetzt über den einen oder anderen Anhänger mehr freuen dürfte. Nach nur dreißig Minuten verebben die Töne von der Stage und CHAVER räumt das Feld für die nächste Mannschaft.
Setliste: Eternal Night; Cries Of Despair; Abysmal Maze; In The Depths; Kingdom Of Lies; Born In A Cage; Efficiency; Cleanse Me; A Cellardoor
Diese tritt unter dem Banner von MENTAL CRUELTY an, um den zweiten Saunagang einzuleiten, da die Luft im ausverkauften Schlachthof mittlerweile finnische Holzfässer-Temperaturen erreicht hat. Das Konzept der Karlsruher beinhaltet zum eigentlichen Deathcore auch Symphonik- und Melodieelemente, die kompositorisch schon auf sehr hohem Niveau angesiedelt sind. Die fünf Jungs schaffen es in kürzester Zeit, das noch nach Luft ringende Publikum wieder auf die Stage zu fokussieren und schonungslos anzutreiben.
Durch die breite Klangvielfalt, der zwei Gitarren und zusätzlichen Synthesizern, sind die Songs mit einer hohen Varianz und Dynamik versehen, was durchweg auf positives Feedback vom Parkett stößt. Frontmann Lukas versteht es auch wie selbstverständlich, mit der Menge zu interagieren und ist gefühlt immer an der richtigen Stelle, um die Show mit seiner kraftvollen Stimme zu pushen. Durch die ausgefeilte Mischung aus treibenden und stumpf-aggressiven Parts kann hier der Spannungsbogen permanent oben gehalten werden und bringt Dresden auf ein neues Niveau, welches sich dadurch äußert, dass nun auch spürbar mehr Bewegung in die Masse kommt.
Eine dreiviertel Stunde beherrscht MENTAL CRUELTY die zweitausend Besucher und entlässt diese dann, teils schon nahe am Ende der Kräfte, in eine wohlverdiente Pause.
Wohl dem der noch Reserven hat, denn nun kommt der Headliner des heutigen Abends um Dresden den Rest zu geben. Pünktlich um 21:00 Uhr beginnt das Melodic-Deathcore-Spektakel und LORNA SHORE übernimmt die Kontrolle der mittlerweile dampfbadähnlichen Halle. Das Publikum ist sofort on fire und geht mit dem Opener 'Sun/Eater' in die Vollen. Hier gibt es nun auch kein Halten mehr und die transpirierende Masse verwandelt sich in ein Schlachtfeld aus Gliedmaßen. Ich kann dies recht gut beobachten, da der Fotograben nur für den zweiten Song geöffnet wird und mir so noch eine kurze Pause bleibt.
Natürlich wünscht man sich mehr Zeit, um die Band abzulichten, da dies bei den Jungs echt Spaß macht, aber ich kann verstehen, dass dem Publikum auch eine entsprechende Pyroshow geboten werden soll und diese nicht ewig pausieren kann. Ich nehme die Herausforderung gerne an und freue mich mit den ersten Klängen von 'Cursed To Die' in die "Reihe null" zu kommen.
Das Stagediving läuft bereits auf Hochtouren und die Security hat alle Hände voll zu tun, uns den Rücken frei zu halten. An der Stelle ein riesen Dankeschön, denn das war kein leichter Job an dem Abend. Zur Überraschung aller, gibt es noch gesangliche Unterstützung auf der Bühne und die brachialen Shouts werden von einer Doppelspitze geführt. So geht eine sehr eindrucksvolle Performance zu Ende und ich bin erstaunt wie viele Bilder man in weniger als fünf Minuten machen kann.
Nach dem nächsten Track, 'Of The Abyss', wird ein älteres Stück angekündigt und mit 'Immortal' geht der Warmabriss nicht nur in die nächste Runde, sondern auch auf ein neues Level.
Das weitere Set setzt einen Hochkaräter an den vorherigen, um den Hexenkessel am Laufen zu halten. Hervorheben möchte ich noch das neueste Stück 'Oblivion', welches erst vor kurzem veröffentlicht wurde. Der Song funktioniert live wunderbar und hat wesentlich mehr Energie, als es die heimischen Lautsprecher auszugeben vermögen, was ihn zu einem festen Bestandteil der kommenden Setlisten machen könnte.
'To The Hellfire' wird als letztes Stück des Abends angekündigt und dadurch viel Mut bewiesen, denn der Anspruch an das schon strapazierte Stimmorgan ist hier nochmal extrem hoch. Aber Ramos meistert auch diese Hürde mit Bravour und lässt keinen Zweifel daran, wer hier zurecht der Dirigent des heutigen Infernos ist.
Nach circa einer Stunde steht nur noch die Zugabe an und die kann wahrlich als epochales Finale eines memorablen Abends bezeichnet werden. Die "Pain Remains"-Trilogie kommt in voller Länge und Härte um hier den Deckel drauf zu machen. Im Publikum werden nicht nur die letzten Kraftreserven mobilisiert, sondern auch Emotionen frei, die man sonst auf einem Esoterikseminar vermuten würde.
Setliste: Sun/Eater; Cursed To Die; Of The Abyss; Immortal; Welcome Back, O' Sleeping Dreamer; Into The Earth; Soulless Existence; Oblivion; To The Hellfire; Zugaben: Pain Remains I: Dancing Like Flames; Pain Remains II: After All I've Done, I'll Disappear; Pain Remains III: In A Sea Of Fire
Es dürfte schwerfallen, diesen Konzertabend ohne Superlative zu beschreiben. Was hier heute auf der Bühne von allen Bands geboten wurde, war kein Gig, sondern ein Monument. Der Name LORNA SHORE wird sich nach diesem Event tief ins kollektive Gedächtnis gebrannt haben.
Text und Fotocredit: Norman Wernicke
- Redakteur:
- Norman Wernicke