Leaves' Eyes - Wörgl
21.09.2006 | 15:0908.09.2006, Komma
Eigentlich trifft LEAVES' EYES ein ähnliches Schicksal wie KATATONIA, wenn es um Live-Auftritte geht: Je kleiner und intimer der Club, desto besser werden sie. Und das bestätigt sich auch bei einem Gig in Wörgl, der außerhalb der Tour stattfand. Immerhin ist dies der letzte Auftritt des Jahres auf europäischem Boden, denn danach gehen Liv und co. ins ferne Australien, um ihre Musik den Fans dort näher zu bringen. Und man kann nur hoffen, dass LEAVES' EYES Down Under genauso grandios sind wie an diesem Abend in Wörgl, dann kann nichts mehr schief gehen!
Aber eines nach dem Anderen, denn die Ehre diesen besonderen Abend zu eröffnen, gebührt den Kärntnern von MELY. Ein Glück, dass diese es doch noch nach Tirol geschafft haben und fast last minute als Opener ins Spiel kamen. Ihr Gothic-Rock im PARADISE LOST-, KATATONIA- und ANATHEMA-Gewand ist auf jeden Fall das erste Highlight des Abends und sorgt für einige erstaunte Gesichter und neue Fans. Als der erste Song 'Dust' ertönt, befinden sich die meisten Besucher noch oben an der Bar, doch schon nach kurzer Zeit füllt sich der Saal und in der ersten Reihe bangt der Metal-Nachwuchs (Schüler in DIMMU BORGIR- und CHILDREN OF BODOM-Shirts) unermüdlich zu den düsteren Klängen von MELY. So soll's sein! Sänger Andy wirkt am Anfang zwar etwas nervös, doch spätestens nach zehn Minuten ist die Stimmung auf der Bühne und im Publikum bestens, Andy zum Scherzen aufgelegt und das Publikum immer erstaunter ob der professionellen Darbietung und der eingängigen Songs. Vor allem das gelungene Cover des URIAH HEEP-Klassikers 'Lady in Black' (bei dem leider die zweite Gitarre ausfällt, Technikteufel...) sorgt für runtergeklappte Kinnladen, und am Ende stürmen die ersten neuen Fans den Merchandise-Stand der Kärntner. Wenn Andy seine Band so lustig bewirbt ("jetzt muss ich mich umdrehen um euch die Rückseite meines MELY-Shirts zu zeigen, ich mag aber meinen Hintern so ungern zeigen") und sich über jede verkaufte Scheibe und jeden Autogrammwunsch freut, dann kann man der Band nur mehr einen riesengroßen Sympathiebonus attestieren. Immerhin haben MELY sich schon auf der großen Metalcamp-Bühne von ihrer besten Seite gezeigt und der Auftritt im Komma stand dem um nichts nach, toll!
Danach schreit alles nach Gothic Metal, und mit der nächsten Band ATARGATIS startet man in einen Abend großer Frauenstimmen. Frontsirene Steffi macht nämlich nicht nur bei den Tirolern DARKWELL eine gute Figur, sondern ist auch bei ihrer ersten Band ATARGATIS ein wahres Stimmwunder. Und auch wenn das Line-Up mal so eben halb umgeworfen wurde und man statt einer Keyboarderin nun eine Geigerin hat, so wirken ATARGATIS wie ein alteingespieltes Team und lassen eine Energie vom Stapel, bei der sich manch andere Gothic-Metal-Kapelle mal ein Stückchen abschneiden könnte. Steffi ist nicht diese klassische Trällerelse mit zerbrelichem Stimmchen und weiß, wie man das Publikum animiert, wie man sich sexy und rockig bewegt und wie man Gothic-Metal-Klischees vermeidet. Wer ein Herz für epische Musik mit Frauenstimme hat (wir erinnern uns alle an WITHIN TEMPTATION) wird hier mehr als ein Ohr riskieren, und vor allem opulente Songs wie 'Selina, Widow Of The Moon' verursachen zumindest bei mir die eine oder andere Gänsehaut. Dass die Geigerin dann viele Keyboardparts übernimmt tut dem Sound auf jeden Fall gut und die Songs wirken dadurch noch authentischer.
Als ein verträumtes Intro ertönt und Liv Kristine im wunderschönen roten Kleid (das man auch auf den CD-Covern bewundern kann) die Bühne betritt, ist das Publikum endgültig begeistert und feiert vom ersten bis zum letzten Song. Liv bietet heute eine absolut stimmsichere Performance, wirkt selbsbewusst und leidenschaftlich auf der Bühne. Fast würde ich wagen zu behaupten, dass dies das beste LEAVES' EYES-Konzert ist, das ich je gesehen habe. Die netten Ansagen wirken persönlich, Liv freut sich in so einer familiären Atmosphäre zu spielen, interagiert mit den Fans, verteilt Handshakes und ist voll und ganz in ihrem Element. Vor allem Songs wie 'Farewell Proud Men' oder die traumhafte Ballade 'Into Your Light' werden mitgesungen und als dann auch noch der Ohrwurm 'Legend Land' ausgegraben wird, ist die Stimmung am Höhepunkt und der kleine aber feine Fankreis am Toben. Die Energie der Fans und der Band sorgt einfach für eine einmalige Stimmung, und Liv und ihr Mann Alex, der für ein paar Songs zum Grunzen auf die Bühne kommt, ernten Begeisterungsstürme und animieren das Publikum, alles zu geben. Vor allem Alex ist in seiner Euphorie kaum zu bremsen und bangt seine arschlangen Haare fast bis an die Decke - beeindruckend! Da muß sogar die Gitarrenfraktion immer wieder ein paar Schritte zur Seite gehen, um die Haarpracht nicht in den Klampfen zu haben. Nach 'Solemn Sea' ist erstmal Schluss, doch die Tiroler holen Liv und Co. natürlich mit Zugaberufen wieder auf die Bühne - und so kommen noch zwei der LEAVES' EYES-Hits schlechthin in die Setliste: 'Norwegian Lovesong' und 'Elegy'. Am Ende bedankt sich Liv ausgiebig für das positive Feedback und bemerkt sogar die Oben-Ohne-Herren in der ersten Reihe: "Ich hab selten so ein gut aussehendes Publikum gehabt" ... einfach süß! Das gut aussehende Publikum folgt dem Ruf, dass die Band nach der Show noch Autogramme geben würde und versammelt sich vor allem um Liv (die Herren wollen schließlich noch Unterschriften auf ihre nackten Oberkörper). LEAVES' EYES haben mit diesem perfekten Auftritt in Wörgl auf jeden Fall bewiesen, dass sie zu Recht internationalen Erfolg ernten, und man darf gespannt sein, was Liv und ihre Band für Eindrücke aus Australien zurückbringen.
Setlist:
Vinland Saga (Intro)
Farewell Proud Men
Ocean's Way
Tale Of The Seamaid
The Thorn
Into Your Light
Lyset
Legend Land
Leaves' Eyes
Senses Capture
Temptation
Solemn Sea
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Intro 2
Norwegian Lovesong
Elegy
- Redakteur:
- Caroline Traitler