MEH SUFF! Festival 2023 - Hüttikon
02.10.2023 | 17:3107.09.2023, Hüttikerberg
Extreme-Metal in idyllischer Umgebung
Unser Fotograf Andre hat sich mit Gastautor Daniel Frick zum MEH SUFF!-Festival begeben. Daniel hat seine Eindrücke niedergeschrieben.
In der Schweiz ist alles netter, kleiner, beschaulicher, friedlicher? Auf das in der Schweizer Szene bestens etablierte Extreme-Metal-Festival "Meh Suff" in Hüttikon bei Zürich trifft das irgendwie zu. Und irgendwie auch wieder nicht. Denn was den Härtegrad des Band-Line-ups betrifft, steht der "Schweizer Cousin" des von POWERMETAL.de auch im kommenden Jahr präsentierten "Party.San"-Festivals in Thüringen seinem deutschen Verwandten in nichts nach. Neben kleineren Club-Shows findet zwei Mal im Jahr ein zweitägiges, bestens organisiertes, familiäres Festival statt. Das am zweiten Septemberwochenende über die Bühne gegangene Sommerfestival ist das Highlight des Jahres. Für das über 100 Personen umfassende, ehrenamtlich tätige und internationale Festival-Team genauso wie für die Fans. Und wie jedes Jahr setzen die Organisatoren auf eine gelungene, bunte Mischung aus heimischen Nachwuchsbands, internationalen Szene-Größen und Genre-Veteranen.
Vier Mal Schweizer Hartgemüse zum Auftakt
Es ist ein brütend heißer Freitagmittag, als auf der abgelegenen, wunderschönen Waldlichtung auf dem Hüttikerberg die ersten Metalheads eintrudeln. Und so sind die 200 Metalheads beim Festivalauftakt am frühen Nachmittag schon ohne Headbangen ordentlich am Schwitzen. Das hält die Schweizer Black-Metaller HEATHEN HERETIC, die das Festival eröffnen, jedoch nicht davon ab, der Menge ordentlich einzuheizen. Die wenigen Schattenplätze in der prallen Sonne sind begehrt. Das noch junge Quintett aus Zürich mit einer männlich-weiblichen Doppelspitze am Mikrofon beweist dafür, dass der erste Live-Auftritt erst anderthalb Jahre her ist, ordentliche Potenz. Die Riffs und die Growls stimmen und gegen Ende des Auftritts überrascht der Fünfer mit symphonisch-balladesken Elementen. Das junge, ebenfalls einheimische DSBM-Duo BEDRÄNGNIS drischt stilecht mit Corpsepaint und Gesten voller Pathos auf Saiten und Schlagzeug-Felle ein. Die Doublebass-Drum wummert gnadenlos böse über die zugegeben schwer verständlichen, deutschen Texte. Die Menge ist zwischenzeitlich nochmals spürbar angeschwollen und vor der Bühne fliegen die verschwitzten Haare der begeisterten Metalheads.
CONSTRAINT aus Bern sind die dritte Schweizer Band im Bunde, mit ihrem Death-Thrash setzen die Jungs einen etwas anderen stilistischen Schwerpunkt, mit viel Leidenschaft und guter Laune wohlgemerkt. Die thrashigen Riffs lassen keine Spur von Groove vermissen und knallen gnadenlos wie die Festivalsonne auf das Publikum herab. Kenner der Szene finden den Beweis für die eingangs erwähnte Schweizer Beschaulichkeit in Form des Bassisten Märs Bühler. Der zupft nämlich auch bei den ebenfalls aus dem Berner Oberland stammenden, bekannten Folk-Thrashern PERTNESS den Viersaiter. Gegen 17 Uhr betritt das Thrash-Trio MORTAL FACTOR die Bühne, das in diesem Jahr seinen 20. Geburtstag feiert. Die Band kommt auf sympathische Art und Weise routiniert rüber und das Publikum weiß das durchaus zu schätzen. Auch wenn die drei gut aufgelegten Jungs ziemliche Standardkost abliefern, tut das der Stimmung keinen Abbruch. Das ganze Festivalgelände und sein bestens gelauntes Publikum hat beim Bombenwetter nach einer langen, heißen Arbeitswoche einfach Bock zu feiern!
Freitagabend mit VOMITORY, CARACH ANGREN, GRAVE und WATAIN
Die brütende Septemberhitze beginnt sich am frühen Freitagabend zu legen, die Sonne steht schon tiefer, als mit VOMITORY die ersten Szene-Veteranen die Bühne betreten. Die Brutal-Deather aus Schweden feiern im kommenden Jahr ihren 35. Geburtstag – genauso lange scheinen Haare und Bärte schon gewachsen zu sein. Doch zum alten Eisen gehört die erste skandinavische Band des Tages noch lange nicht. Im Gegenteil: Erst drei Monate vor dem Festival erschien der neunte Longplayer des Quartetts beim bekannten Label Metal Blade, das erste Album seit 12 Jahren. Mit dem bildhaften Titel "All Heads Are Gonna Roll" lässt die neue Scheibe keinen Zweifel, dass auch das jüngste Werk des Quartetts sich problemlos auf dem derbsten Niveau des Genres bewegt. Da wird erbarmungslos und ohne Atempause durchgeballert und auch an der Reaktion des Publikums lässt sich zweifelsfrei ablesen, dass hier der erste richtige Kracher des Tages auf den Brettern steht. Die niederländischen Symphonic-Black-Metaller CARACH ANGREN mit ihren schaurig geschminkten Gesichtern sind als nächstes an der Reihe. Sie bestechen neben der weißen Schminke vor allem mit einem kreischend-eiskalten Gitarrensound. Das Keyboard der Symphonic-Black-Metaller fügt sich sehr prominent in das Gesamtgerüst des Klangs und macht neben der charismatischen Bühnenpräsenz von Frontmann Seregor einen großen Reiz der Musik aus. Die violette Beleuchtung mit den grellweiß geschminkten Gesichtern ist in der Abenddämmerung des Festivals ein echtes Statement, ein Hammer-Eyecatcher. Tempomäßig geht es überwiegend schnell und heftig zur Sache, aber schleppend-düstere Arrangements sorgen auch für Abwechslung.
GRAVE aus Schweden ist eine Institution, zu der es nicht viel zu sagen gibt. Seit sage und schreibe 1986 prägt die Truppe um Bandleader Ola Lindgren den schwedischen Death Metal mit. Und zwar die raue Oldschool-Variante, die noch etliche Jahre vor der Melodic-Death-Metal-Schule aus Göteborg ihren Anfang nahm. Und so macht auch heute noch die rohe, ungeschönte Urgewalt des schonungslos brutalen Todesmetalls den bisher größten Eindruck auf die Fangemeinde auf dem "Meh Suff"-Festival.
Feuer, Symbolik und dissonante Klänge bestimmen diese Truppe aus bekennenden Satanisten: WATAIN. Die düsteren Gesellen knüppeln nicht nur brutal, sondern huldigen mit großen Gesten und viel, viel Feuer auch dem Gehörnten. Da wird analog einem katholischen Priester beim Abendmahl dem Publikum ein Kelch präsentiert, dessen Inhalt dann mit einer ruckartigen Bewegung von der Bühne gespritzt wird. Die teils schwer verständlichen "Ansprachen" zwischen den Songs versprühen einen unheilig-sakralen Odor. Man muss anerkennen, dass die Düsternis, mit der das Gesamterlebnis rüberkommt, unheimliches, echtes Gänsehaut-Feeling garantiert. Ob man die Band auch noch cool findet, wenn man Gerüchte über Verstöße gegen Tierrechte und rechtsextreme Äußerungen mit in Betracht zieht, sei jedem Einzelnen überlassen. Man mag von der okkulten Tour halten was man möchte, immerhin ist das Ganze mehr Metal als der lahme KISS-ABBA-Act GHOST. Dem überwiegenden Teil des Publikums scheint die zelebrierte schwarze Metal-Messe jedenfalls außerordentlich gut zu gefallen, zieht die Band doch definitiv die größte Zuschauer-Zahl vor die Bühne. Anmerkung des Fotografen: "Aufgrund der berühmt-berüchtigten Show von WATAIN habe ich es vorgezogen, Fotos vom FOH aus zu machen."
Nach dem Headliner WATAIN sorgen die Griechen von SEPTICFLESH nochmals für ein unheiliges Klanggewitter. Frontmann Spiroth "Seth" Antoniou verschwindet zwar nach dem Song hinter den Aufstellern der Bühnendekoration und sorgt so dafür, dass jedes Lied wie ein einzelner Akt einer Sinfonie daherkommt. Seiner Bühnenpräsenz tun die kurzen Unterbrechungen jedoch keinen Abbruch. Er ist der Dreh- und Angelpunkt der Aufmerksamkeit, präsentiert jeden Song einzeln und feuert das Publikum immer wieder an. Beim Sound machen die Herren keine Kompromisse mit ihrem typischen Stil aus technisch anspruchsvollem Death Metal mit Gothic-/Symphonic-Touch. Sehr abwechslungsreich ist das. Und auch wenn die Streicher und Keyboards vom Band kommen, die begeisternden Blastbeats tun es nicht.
Die Veteranen von MALEVOLENT CREATION wurden wegen eines ausgefallenen Fluges aus den USA an das Ende des ersten Festivaltages geschoben – glücklicherweise schaffen es die bärtigen Mittfünfziger noch rechtzeitig zum Tagesabschluss auf den Hüttikerberg. Seit 35 Jahren ist die Truppe Teil der Metalszene aus Florida, die so bekannte Bands wie DEATH, MORBID ANGEL oder CANNIBAL CORPSE hervorbrachte. Wenn jahrzehntelange Live-Erfahrung auf ein begeistertes Metal-Publikum trifft, das Oldschool-Bands besonders abfeiert, ist eine spektakuläre Atmosphäre garantiert. Trotz des etwas undankbaren letzten Slots des Tages bringen die Herren um Bandleader Phil Fascina auch die letzten noch nicht erschöpften Nackenmuskeln im Publikum zur Erschöpfung. Für die Uhrzeit um halb zwei morgens ist auf dem Festivalgelände und auch vor der Bühne noch einiges los, die Stimmung bierselig und glücklich. Was für ein Ausrufezeichen am Ende eines wunderbaren ersten Festivaltages!
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- Redakteur:
- Andre Schnittker