METALLICA, ARCHITECTS, MAMMOTH WHV - München
28.05.2024 | 00:2124.05.2024, Olympiastadion
Der erste Tag des gigantischen METALLICA-Wochenendes in München.
Was sich zunächst als geile Idee darstellt, entpuppt sich im Vorfeld immer mehr zum organisatorischen Albtraum. Zwei Tage METALLICA mit komplett unterschiedlichen Setlisten, ordentlichen Vorgruppen und in einer traumhaften Stadt wie München, was gibt es da noch lange zu überlegen? Eben. Doch dann: Neben den saftigen Ticketpreisen gilt es, ein Hotel für mehrere Nächte zu buchen, die Anreise zu organisieren, das Rahmenprogramm zu gestalten und den Jahresurlaub anzuknapsen. Die Kollegen sind nach dem Rock Hard Festival nicht wirklich begeistert, dass ich schon wieder an einem beruflich heißen Wochenende weg bin. Die Vorfreude auf die Helden meiner Jugend ist aber so groß, dass alle Unwägbarkeiten und finanziellen Löcher in Kauf genommen werden. Es gibt für mich wohl nur noch eine Handvoll an Bands, für die ich diesen Aufstand tatsächlich auf mich nehmen würde, METALLICA gehört definitv dazu.
Die Anreise mit dem Zug ist entspannt. Schon am Frankfurter Hauptbahnhof sind neben etlichen Kaiserslautern-Trikots, die gerade auf dem Weg nach Berlin zum DFB-Pokalfinale sind, enorm viele schwarz bekleidete Anhänger zu erkennen. Die Familie kennt und schätzt sich, die Party startet bereits früh. Auch der Einlass ins Stadion ist angenehm locker. Die rein digitalen Tickets bereiten zwar leichte Kopfschmerzen bei einem digitalen Fossil wie mir, es klappt aber reibungslos. Das gesamte Olympiagelände ist nicht nur in schwarz-gelber Hand, sondern auch mit etlichen Verpflegungs- und Merchandisingständen belegt. Ein großes Treffen unter Gleichgesinnten. Im Stadion werden pünktlich um 18 Uhr die Plätze eingenommen, um MAMMOTH WVH zu erleben. Besser wäre: zu ertragen. Was auf Scheibe ganz ordentlich ist, zündet heuer nicht. Der Gesang von Wolfgang van Halen ist viel zu leise, die gesamte Band wirkt auf der gigantischen Rundbühne völlig verloren, der Aktionsradius von Bandkopf und Aushängeschild Wolfgang ist extrem überschaubar, sodass kaum Bewegung und Interaktion mit dem Publikum besteht. irgendwie ein schwacher Auftritt. Im Anschluss erwarten uns die Jungs von ARCHITECTS. Sie haben ebenfalls mit einem viel zu leisen Gesang zu kämpfen, sind dafür aber deutlich agiler. Die vielen Breakdowns und Subbässe lassen das altehrwürdige Olympiastadion ein ums andere Mal mächtig erzittern. Obwohl es mich persönlich jetzt ebenfalls nicht von meinem Sitz reißt, ist die Show aber definitiv unterhaltsam und hat auch musikalisch ihre Momente. Die Wartezeit auf den Headliner vertreiben sich die Anhänger unterdessen mit beeindruckenden La-Ola-Wellen über die Ränge. Die Stimmung passt schon einmal.
Und es ist echt erstaunlich. Nach über dreißig Jahren und selbst in meinem hohen Alter schaffen es Hetfield, Ulrich und Kollegen noch immer, in mir ein positives Kribbeln zu erzeugen. Schon beim obligatorischen 'It's A Long Way To The Top' kann ich kaum stillstehen, beim Intro 'The Ecstasy Of Gold' liegen sich tausende von wildfremden Menschen in den Armen und singen die ikonische Filmmusik von Ennio Morricone lauthals mit. Gleichzeitig haben die vier Jungs aus San Francisco ihren ganz besonderen "Walk Of Fame" durch die Menge. Ich bekomme Gänsehaut, als sich ein ganzes Stadion beim Einmarsch der Gladiatoren erhebt und ein ohrenbetäubender Jubel entbrennt. Als METALLICA dann überraschend mit 'Whiplash' in das Set startet, brechen alle Dämme. Hammer-Sound! Zwar ist die Band noch nicht richtig tight und wirkt noch leicht zurückhaltend, speziell Lars muss erst noch warm werden, aber die Meute geht direkt steil. Beim folgenden 'For Whom The Bell Tolls' dürfen dann auch zum ersten Mal die (vorsichtig aufgerundeten) 80.000 ihre stimmlichen Qualitäten unter Beweis stellen.
Grundsätzlich habe ich so meine Probleme mit dieser Rundbühne. Irgendwie sieht man ständig nur eine Person so richtig, wenn man denn ein Fernglas dabei hat und nicht ständig auf die mega-großen Videoleinwände schaut, während die anderen drei Protagonisten meist nur von hinten zu sehen sind. Es geht auch zum ersten Mal der Blick gen Himmel, denn schon den ganzen Tag wird über Regen und Gewitter getuschelt, aber noch ist nichts davon zu sehen. Es geht mit dem eher schleppenden 'Of Wolf And Men', dem großartigen 'The Memory Remains' (was für ein Publikumschor!) und 'Lux Aeterna' grandios weiter. James ist sehr gut bei Stimme, ein triumphaler Siegeszug? METALLICA kann eben nichts falsch machen, oder doch? Doch, denn danach bekommt die Show einen kleinen Hänger. Kirk und Rob dürfen im Anschluss an 'Too Far Gone' eine langweilige Hofbräuhaus-Jam abhalten, was den Fluss der Darbietung komplett unterbricht. Nach dem grandiosen 'Fade To Black' folgt mit 'Shadows Fall' der nächste Hänger - und selbst das überragende 'Orion', als Hommage an Cliff Burton, versprüht heute irgendwie keine Magie. Es ist schon echt auffällig, wie die Stimmung bei älteren Songs aufkocht (die gesamte Tribüne erhebt sich) und bei Songs neueren Datums eher abflacht (die gesamte Tribüne setzt sich). Doch dann wird es spannend.
Nach dem gewohnt stimmungsvollen 'Nothing Else Matters' setzt ohne große Vorankündigung bei 'Sad But True' der Regen ein. Ich sitze zum Glück im Trockenen und bekomme davon auch erst etwas mit, als die Videoleinwände Nahaufnahmen von James zeigen, wie er im strömenden Regen steht. Und es wird noch dramatischer: Am Horizont kündigt sich ein Gewitter an. Erste Lichtblitze sorgen für zahlreiche Aufschreie im weiten Rund, die Band lässt sich davon jedoch gar nicht beeindrucken und spielt unverdrossen weiter, überraschenderweise wird sie immer besser. Plötzlich muss das Quartett kämpfen und legt eine Energie an den Tag, die ihr sehr gut zu Gesicht steht. Der immer stärker werdende Regen erzeugt unfassbar majestätische Bilder für die Ewigkeit auf den Leinwänden. Erneut Gänsehaut, Publikum und Musiker, die nun alle gemeinsam in diesem durchnässten Boot sitzen, verschmelzen zu einer Einheit.
Musikalisch geht die Band in die Vollen. Eine Killerversion von 'The Day That Never Comes', ein ruppiges 'Hardwired', 'Fuel', und 'Seek & Destroy' inklusive Wasserbälle schrauben noch einmal am Energielevel, ehe es sich beim abschließenden 'Master Of Puppets' auch am Himmel mal so richtig entlädt. Was für ein Blitz-Spektakel, bei dem sich viele sicher an die Serie "Stranger Things" erinnert fühlen. Was für ein Panoramabild. So geht ein denkwürdiger erster Abend mit einem mächtigen Kawumm zuende, die Band hat ihr Set komplett durchgezogen, keinen Song gekürzt. Gegen Ende hin merkt man zwar, dass nicht mehr jeder Ton sitzt, die Mikrofone die eine oder andere Rückkopplung von sich geben und der Sound insgesamt etwas matschiger wird, der Stimmung und der Magie tut das jedoch keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil. Und am Ende leiden wir alle mit ihnen und zollen unseren ernst gemeinten Respekt vor der Leistung und dem Durchhaltevermögen der Kalifornier. Als Lars bei der Verabschiedung am ganzen Körper zitternd ins Mikrofon haucht: "Ich bin kalt", können wir alle mitfühlen und verabschieden die menschlich gewordenen Superstars unter tosendem Applaus ins Warme. Bitte schön einpacken, wir brauchen euch am Sonntag wieder.
Setliste: Whiplash; For Whom The Bell Tolls; Of Wolf And Men; The Memory Remains; Lux Aeterna; Too Far Gone (+ Jam); Fade To Black; Shadows Follow; Whiskey In The Jar; Orion; Nothing Else Matters; Sad But True; The Day That Never Comes; Hardwired; Fuel; Seek & Destroy; Master Of Puppets
Anmerkung: Ich habe bei solchen Großveranstaltungen völliges Vertrauen in die Verantwortlichen, die per Standleitung mit allen Wetterdiensten und Meteorologen dieser Welt verbunden sind. Auch der große Krisenstab wird solche Situationen kennen und Entscheidungen, ob weitergespielt wird oder eben abgebrochen werden muss, mit Bedacht und immer zum Wohle der Menschen treffen. Trotzdem war das spektakuläre Naturschauspiel furchteinflößend. Die Bilder, die an diesem Abend gemacht wurden, sind beeindruckend, magisch und geschichtsträchtig. Im Nachhinein ist das aber einfach zu sagen. Somit bleibt mir an dieser Stelle nicht nur meinen Respekt der Band gegenüber auszusprechen, sondern vor allem den ganzen Verantwortlichen zu danken, die für unser aller Sicherheit gesorgt haben.
Fotocredits: André Schnittker (Fotos vom 26. Mai)
[Chris Staubach]
- Redakteur:
- Chris Staubach