MINISTRY - Köln

11.08.2016 | 22:46

06.08.2016, Essigfabrik

A new World Order!

MINISTRY sah ich zuletzt vor genau vier Jahren auf dem Wacken Open Air. Trotz bärenstarker Setliste war der Gig in vielerlei Hinsichten ein trauriger. Zum einen war der Platz des Festivals vor dieser Industrial-Legende sehr spärlich besetzt. Gut, das mag auch an der damaligen Spielzeit irgendwann tief in der Nacht gelegen haben, doch eigentlich sollte man sich MINISTRY nicht entgehen lassen. Des Weiteren war es das letzte Mal, dass ich Mike Scaccia sah, der einige Monate später einen Herzanfall erlitt und starb. Aus diesem Grunde widmete ihm Al Jourgensen auch die "Enjoy The Quiet"-Veröffentlichung. Ein dritter Punkt, der mich zumindest sehr nachdenklich stimmte, war der Zustand jenen Als, dem man in jeder einzelnen Faser seinen bisherigen Lebensweg angesehen hat. Er wirkte steif, nicht ganz auf der Höhe, das Alter hatte ihn mehr als eingeholt. Nun sind vier Jahre ins Land gezogen und genau einen Tag nach dem Auftritt auf dem diesjährigen Wacken Open Air kommen MINISTRY in die Kölner Essigfabrik. Fragen über Fragen, Sorgen über Sorgen, die jedoch retrospektiv gesehen keinerlei Gründe hatten. Doch der Reihe nach.

Es ist Samstagabend und in Anbetracht der tobenden Festivalsaison konnte man im Vorfeld davon ausgehen, dass MINISTRY die Essigfabrik nicht voll bekommen könnte. Doch so kann man sich täuschen, denn die Halle ist mehr als gut gefüllt. Im Vorfeld darf sich GEIST als Support-Act behaupten, eine Band, die es Dank ihres hochatmosphärischen, dichten Klangs ab der ersten Sekunde schafft, mich in ihren Bann zu ziehen. Die Musik ist fesselnd, einlullend und die Musiker geben alles, um auch die restliche Essigfabrik in ihren Bann zu ziehen. Intensive, fast schon bedrohliche Klänge und mit "Ausser Kontrolle" – welch passender Titel – im Gepäck stehen die Zeichen auf Sturm. Das war jedenfalls Werbung in eigener Sache.

Nach einer halbstündigen Umbaupause jedoch verdunkelt sich die Essigfabrik, die im Hintergrund stets aktive Leinwand wirft ihre ersten Bilder in die Menge und 'Hail To His Majesty (Peasants)' macht den Anfang. Gleich zu Beginn fallen jedoch einige Sachen auf, die ich in direkter Verbindung zum W:O:A 2012er Gig loswerden muss. Erstens spielt MINISTRY vor fast vollem Haus, was in Anbetracht des Zeitpunkts wahrlich keine Selbstverständlichkeit ist. Zweitens hat sich Neu-Klampfer Cesar Soto wunderbar ins Bandgefüge integriert und sorgt zusammen mit Sinhue Quirin für die nötige Riffgewalt zwischen sämtlichen Samples und drittens, und das ist heute noch viel bemerkenswerter als die vorangegangenen Punkte, ist Al Jourgensen wie ausgewechselt: Frisch und unbekümmert tanzt er von links nach rechts, grinst zufrieden neben die Bühne und die gesamte Essigfabrik liegt ihm zu Füßen. Stimmlich auch in Schuss und – wie gesagt – für seine Verhältnisse fit wie ein Turnschuh sorgt er mit 'Punch In The Face', 'PermaWar' und 'Rio Grande Blood' für deftigen Zündstoff. Die Stimmung wird von Song zu Song besser, Al macht es dieser gleich und Dank 'Senor Peligro', 'LiesLiesLies' und 'Waiting' ebbt diese auch zu keiner Sekunde ab. Die dazugehörigen Samples, die Lichtshow und die wie immer herrlich verstörenden Leinwand-Sequenzen sorgen für das I-Tüpfelchen auf diesem intonierten Fiebertraum. Dieser erfährt mit dem "Psalm 69"-Doppelpack 'N.W.O.' und 'Just One Fix' seinen Höhepunkt, die Menge geht ab und Jourgensen sieht wie ein König zu seinem Fußvolk hinab. Leider kann im weiteren Verlauf nur 'Thieves' dieses Energielevel im Publikum halten, doch auch 'The Missing', 'Deity', 'Stigmata' und 'So What' sind wahrlich nicht von schlechten Eltern. Abgerundet wird dieser durch und durch superbe MINISTRY-Gig vom DEVO-Cover 'Gates Of Steel' und einem sichtlich zufriedenen Al Jourgensen.

Wer hätte das also im Vorfeld gedacht? Ein fitter Jourgensen und eine quasi ausverkaufte Halle, eine Setliste stellenweise zum Niederknien, obwohl ich 'No W' schmerzlich vermisst habe, und eine Band-Gesamtleistung, die so tight, abgebrüht und cool wirkte, wie man es sich von MINISTRY des Öfteren in der Vergangenheit gewünscht hätte. Die meterdicke Gänsehaut wird langsam wieder eingepackt, auch die restlichen Besucher aus dem Fiebertraum aufgeweckt und ich verlasse zufrieden die Essigfabrik mit nur einem Gedanken: A NEW WORLD ORDER!

Redakteur:
Marcel Rapp

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