MOTÖRHEAD / SKEW SISKIN / MUSTASCH - Stuttgart

14.12.2003 | 09:45

07.12.2003, Congreßcentrum B

Den Werdegang von MOTÖRHEAD und Mister Rock’n’Roll himself Ian “Lemmy“ Kilmister hier zu beschreiben, würde den Rahmen dieses Reviews sprengen. Seit der Gründung im Jahre 1975 zählen MOTÖRHEAD zur Führungsspitze der Rockmusik, was die zuletzt im September dieses Jahres verliehene Auszeichnung auf dem Hollywood Rockwalk eindrucksvoll unterstreicht. Seit dem ersten September sind die Handabdrücke von Lemmy, Phil Campbell und Mikkey Dee auch auf der berühmten Meile verewigt, was etwa einem Stern auf dem Hollywood Walk Of Fame der Filmindustrie gleich kommt. Veröffentlichungstechnisch gab es zuletzt ebenfalls einiges zu vermelden. Das letzte offizielle Studioalbum “Hammered“ ist ja nun gerade mal anderthalb Jahre alt, so dass mit einem neuen Werk in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Zur Überbrückung wurde im Oktober 2003 das ultimative CD-Boxset “Stone Deaf Forever“ veröffentlicht, dass mit seinen fünf CD’s den ganzen musikalischen Werdegang der Motorköppe umfasst. Als Draufgabe gibt es seit dem 09. Dezember mit “Live At The Brixton Academy“ auch noch ein aktuelles Livealbum. Genug Gründe also um erneut hierzulande auf Tour zu gehen. Dass eine MOTÖRHEAD-Show zum Pflichtprogramm eines Metalheads gehört, zeigt die beachtlich gefüllte Halle in Stuttgart. Wie bereits auch anderenorts ist das Haus nahezu ausverkauft, womit ich aufgrund der zahlreichen Veranstaltungen in den letzten Monaten nicht gerechnet habe. Vom Metal-Opa über Rock’n’Roller bis hin zum Punker sind am heutigen Abend nahezu alle Schattierungen der Szene vertreten.

MUSTASCH

Die im Jahre 1998 gegründeten MUSTASCH sorgten erstmals im Jahr 2002 mit ihrer Debüt-EP “All Above“ für Aufsehen, ehe im September 2003 mit “Ratsafari“ das erste komplette Album veröffentlicht wurde. Sicherlich gibt es leichtere Jobs für eine Band, als gerade für MOTÖRHEAD den Abend zu eröffnen. So kommt es auch, dass die Halle gerade einmal zur Hälfte gefüllt ist, als die Schweden die Bühne betreten. Dennoch lassen sich die Skandinavier nicht von der Nervosität anstecken und absolvieren einen ordentlichen Gig. An Selbstbewusstsein mangelt es besonders Frontmann Ralf Gyllenhammar nicht. Kraftvoll und aggressiv shoutet er sich durch Stücke wie ’Black City’ oder ’Down In Black’, wobei der dargebotene Rock’n’Roll keinesfalls so düster ausfällt, wie vielleicht die Songtitel vermuten lassen könnten. Ganz im Gegenteil, die Mucke entlockt dem willigen Publikum schon recht früh erste Beifallsbekundungen. Ein guter Einstieg.

SKEW SISKIN

Wenn es ein weibliches Gegenstück zu Lemmy gibt, dann wird zumindest in Deutschland immer wieder der Name Nina C. Alice mit ins Spiel gebracht. Wobei die Vergleiche lediglich stimmtechnisch zulässig sind. Optisch könnte sie am heutigen Abend auch bei Marilyn Manson in der Band mitspielen. Die kesse Berlinerin ähnelt mit ihrer Frisur und ihrem Outfit eher Twiggy Ramirez, dem ehemaligen Basser des Schockrockers. Bei SKEW SISKIN (schräge Vögel) ist der Name Programm und es wird zumindest etwas für das Auge geboten. Soundtechnisch hat die Band keinen besonders guten Tag erwischt. Zu Beginn ist der Gesang völlig übersteuert und abartig laut, so dass die ersten beide Stücke im Soundbrei untergehen. Mit ’In Another World’ bessert sich der Sound und der räudige Gesang von Nina verlässt etwas klarer die Boxen. SKEW SISKIN sind durch und durch Rock’n’Roller und treten kräftig ins Gemächt. Auch die Bühnenpräsenz der restlichen Bandmitglieder kommt reichlich cool rüber, wobei besonders Bassist Spray zu den besten Posern in Deutschland zählen dürfte. Die Songauswahl durchstreift alle vier Alben und stößt auf reichlich Gegenliebe bei den Fans. Lediglich der Mitsingpart beim letzten Stück ’If The Walls Could Talk’ geht ein wenig in die Hose. Alles in allem nur ein mäßiger Auftritt.

Setliste SKEW SISKIN:
We Hate
Shadows Of War
In Another World
Jesus Of Cool
Life Is A Bitch
Out Of Sight, Out Of Mind
The Goddess
Living On The Redline
If The Walls Could Talk

MOTÖRHEAD

Nach einem kleinen Erfrischungsbierchen und einem kurzen Durchschnaufer geht es nach einer ungewöhnlich langen Umbaupause weiter. Lemmy Kilmister stapft mit eine Kippe im Mundwinkel auf die Bühne und begrüßt die Anwesenden mit dem obligatorischen “Hello, we’re Motörhead, we kick your ass“. Getreu dem Motto “Same procedure as every year“. Nachdem dann seine beiden Mitmusiker ihren Platz eingenommen haben, startet das Trio mit ’We Are Motörhead’ gleich voll durch. Allen Trends zum Trotze verzichtet der Meister seit kurzem auf seine weißen Stiefel und tauscht diese gegen schwarze Treter ein. Sind ihm wohl derzeit zu sehr angesagt. Gitarrist Phil Campbell, mit schicker schwarzer Strickmütze auf dem Haupt, zockt wie gewohnt cool, während Drummer Mikky Dee wie Kollege “Animal“ aus der Muppet Show seine Stöcke wirbelt.
Weiter geht es mit ’No Class’, welches Lemmy sonst gerne seiner Freundin und ehemaligen Frontfrau der PLASMATICS Wendy O Williams gewidmet hat, die im Jahre 1995 verstarb. Am heutigen Abend ist Mr. Kilmister nicht übermäßig redselig und hält sich mit seinen Ansagen dezent zurück. Man konzentriert sich auf das Wesentliche, die Musik. Überhaupt wirkt auch die Bühne sehr spartanisch, wobei insbesondere beim Licht gespart wurde. Lediglich das übliche Paarlicht und ein paar ACL-Fächer sind auszumachen. Die stählerne Bomberkonstruktion wurde auch wieder eingemottet, nur noch der “Snagglehead“ thront imposant mit leuchtenden roten Augen über dem Drumkit.
Fortan geht es mit ’Stay Clean’, ’Metropolis’ oder ’God Save The Queen’ Schlag auf Schlag durch die Bandgeschichte. Bis Mikkey während ’Love Me Like A Reptile’ seine Snare zerlegt, wodurch es zu einer kleineren Austauschaktion kommt. Die Zeit wird von seinen Mitmusikern zu einem kleinen Smalltalk mit den Fans genutzt, indem man sich für das zahlreiche Erscheinen bedankt und bekundet wird, wie großartig das Publikum am heutigen Abend ist. Treffenderweise geht es dann mit ’Damage Case’ weiter. Den Belastungstest besteht das Schlagzeug wenig später bei einem wenig spektakulären Drumsolo, dass in das Stück ’Sacrifice’ eingebettet ist. Eigentlich hätte man auch darauf verzichten können. Das Schlussviertel läuten ’Killed By Death’ und ’Iron Fist’ ein, ehe es im kurzen Zugabeteil noch mit ’Ace Of Spades’ und ’Overkill’ was auf die Mütze gibt. Schade nur, dass danach auch schon Schluss war. Die Stimmung im Publikum war durchgehend gut, doch so richtig ausgepowert war keiner.

Fazit: Das Programm enthielt wie gewohnt alle Klassiker der Bandgeschichte, die man in einem achtzigminütigen Programm unterbringen kann. Wobei wir beim einzigen Kritikpunkt des Abends angekommen wären. Irgendwie finde ich es schon komisch, dass immer mehr Bands Livealben veröffentlichen, die zumeist aus zwei Silberlingen bestehen und mit einer Laufzeit von über 120 Minuten aufwarten! Mein letztes Konzert über 120 Minuten ist schon lange her und es hinterlässt bei den meisten Besuchern einen faden Beigeschmack, wenn die Anfahrt zum Konzert länger dauert als das eigentliche Ereignis. Ein bisschen mehr Spielzeit hätte auch ich mir versprochen. Nichtsdestotrotz bin ich mir sicher, wenn das nächste Mal zum Tanz gebeten wird, ist die Hütte wieder voll, so dass es wohl nicht zu einem Umdenken bei den Verantwortlichen kommen wird.

Setliste MOTÖRHEAD:
We Are Motörhead
No Class
Shoot You In The Back
Civil War
God Save The Queen
Metropolis
Doctor Rock
Stay Clean
Ramones
Love Me Like A Reptile
Damage Case
Over The Top
Sacrifice (mit Drum Solo)
Overnight Sensation
Going To Brazil
Killed By Death
Iron Fist
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Ace Of Spades
Overkill

Redakteur:
Frank Hameister

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