Marduk - Berlin
28.01.2008 | 06:0226.01.2008, K17
Keine Begrüßung, nichts. MARDUK anno 2008 sind wieder eine Black-Metal-Band der alten Unfreundlichkeitsschule. Beim Abschlusskonzert ihrer aktuellen Tour im Berliner K17 wird dies besonders deutlich. Denn wo die anderen Bands feiern und sich traditionelle Abschluss-Späße gönnen, treten MARDUK mit einer Ernsthaftigkeit auf, als gelte es gerade heute besonders, den Christus Jesus musikalisch zur Strecke zu bringen. Da er nicht da ist, bekommen eben die Fans eine Breitseite Hass-Black-Metal ab - und lassen sich davon mitreißen. Auch ohne Begrüßung.
Doch bevor es soweit ist, haben die Vorbands Zeit genug zu zeigen, dass Feiern und Metal doch zusammen passt. Nach ARTISAN, die manche Fans wegen des EM-Handball-Halbfinales verpassen, sind ZONARIA an der Reihe, eine neue schwedische Antwort auf HYPOCRISY und DIMMU BORGIR: Der Sound klingt zumindest exakt nach einem frischen Hybrid der beiden erfolgreichen Bands. Allerdings agieren ZONARIA durchaus nicht seelenlos, sondern im Gegenteil äußerst agil und von ihrer Sache überzeugt. Was für eine Black/Death-Metal-Band überrascht, ist die Optik: So hat sich der jung wirkende Frontmann Simon Berglund eine adrette Oberkörper-Klamotte angezogen, eine Mischung aus Rüstung und Gothic-Schick. Und auch der Rest der Band hat sich in Kleider gehüllt, die in der Gruftie-Szene ebenso beliebt sind. Doch was soll's? CRADLE OF FILTH oder ANOREXIA NERVOSA machen das genauso und sind trotzdem musikalisch absolut erhaben. Ganz so weit wie diese Größen sind ZONARIA vielleicht noch nicht. Doch zeigt ihr Gig, dass von diesen Schweden als nette Düster-Kapelle noch viel zu erwarten ist.
Ihre Sporen schon lange verdient haben sich IN BATTLE. Schon 1997 machten sie mit ihrem gleichnamigen Debüt auf sich aufmerksam, allerdings damals noch mit einer deutlich massiveren Black-Metal-Breitseite. Heutzutage sind die Schweden dagegen brutale Death-Metal-Klopper, die allerdings auch ihre Wurzeln nicht vernachlässigen. So krachen im K17 alte Klassiker wie 'Rage of The Northmen' und neue Hits wie 'Terrorkings' einträchtig in die Nackenmuskulatur. Als Anheizer besonderer Güte präsentiert sich dabei Frontmann Odhinn Sandin, der wie eine Art Bruce Willis des Death Metals auf der Bühne wütet und sich den letzten Fetzen Hass aus der Seele brüllt. Erstaunlich wirkt zugleich, wie krass druckvoll IN BATTLE ihre Zerstörungswut zelebrieren, obwohl sie nur eine Gitarre haben. Von all der musikalischen Wut werden auch die Fans im gut gefüllten K17 ergriffen, vor der Bühne wird ordentlich gefeiert und geschrieen. Von all dieser Todesblei-Aggression lassen sich allerdings vier junge Männer nicht sonderlich beeindrucken: Kurz vor Ende des Gigs kommen ZONARIA in wunderbar tuffigen Clownkostümen auf die Bühne und herzen sich mit den IN-BATTLE-Musikern. Die wissen erst gar nicht recht, wie ihnen passiert, lassen sich aber dann doch auf den großen Spaß ein. Letzter Song ihrer Tour ist schließlich 'Helhorde' - und ein genialer Auftritt damit abgeschlossen.
Bei MARDUK lassen ZONARIA allerdings ihren Schabernack. Was vielleicht auch gesünder ist. Denn die Panzerdivision MARDUK um ihren inzwischen nicht mehr ganz neuen Sänger Mortuus liefert einen Gig ab, der nihilistischer kaum sein könnte. "Black Metal ist Krieg", schreit ein Fan zwischendrin. Und damit liegt er fast richtig. Denn Songs wie 'Wolves' oder 'Beyond The Grace Of God' zelebrieren MARDUK als perfekt eingespielte Kriegsmaschinerie, bar jeder Fröhlichkeit. Allerdings haben sie zwei Probleme: Mortuus ist zwar auf der Bühne schon allein durch seine Gestik und seine Erscheinung ein vorzüglicher Höllenfürst, doch machen sich in Berlin für ein Tourende typische Stimmprobleme bemerkbar. Oft kann er in den kurzen Zwischenansagen nur noch röcheln - und sein Gekeife ist zwar laut, aber eben auch ohne wirkliche Prägnanz. Dazu kommt, dass extrem schnelle Titel wie 'Baptism By Fire' unter einem etwas matschigen Sound leiden. So sorgen vor allem die langsameren Stücke á la 'Materialized In Stone' für Gänsehaut, weil hier die gesamte negative Energie dieser Band schon fast körperlich fühlbar ist. Dies kompensiert denn auch die kleinen Schwierigkeiten, mit denen MARDUK an diesem Abend zu kämpfen haben. Insgesamt präsentieren sie sich nach dem geglückten Sängerwechsel nämlich als wahrhaft neu erfundene Band, gerade die Songs der neuen "Rom 5:12" blasen mächtig gewaltig durch die Hörgänge. In dieser Form können MARDUK also schon Wetten darauf abschließen, wie viele Veranstalter der Sommer-Festivals ihnen verlockende Angebote machen dürften. Auch ohne, dass sie bei ihren Konzerten ihren Fans einen Gruß zum Abschied hinterlassen müssen. Unfreundlichkeit gehört zum Nihilismus wohl dazu.
- Redakteur:
- Henri Kramer