Masters Of Rock - Vicocive

23.07.2008 | 13:22

10.07.2008, R. Jelinek's Destillery Area

Am Sonntagmorgen spielt eine Punk-Band mit Namen E!E, und wieder ärgere ich mich, dass ich mich vorher nicht über die Bands aus Tschechien informiert habe. Denn diese hätten bestimmt sehr gute Laune am Morgen verbreitet.

Los geht es für uns somit erst um kurz vor fünf. Doch wenn ich gewusst hätte, dass COMMUNIC eher Power Metal als den von mir vermuteten und nicht gerade zu meinen Faves zählenden Metalcore spielen [guten Morgen! - d. Red.], hätte ich mir diese Band mit Sicherheit auch aus der Nähe angeschaut, denn was ich vom Zeltplatz höre, klingt gar nicht mal so schlecht.

So sind VOLBEAT unsere erste Band, und nachdem ich diese schon wegen Faulheit auf dem Rock Hard Festival sausen gelassen hatte, mobilisiere ich meine Mitstreiter, uns diese Band anzuschauen. Mein erstes VOLBEAT-Konzert, und die Band überzeugt mich sehr. Zwar nicht von Anfang an - die ersten beiden Lieder lassen mich noch glauben, ich hätte mich im Stil getäuscht -, doch dann kommt der Gute-Laune-Faktor hinzu. 'Radio Girl' heißt dieses Lied und macht einfach Spaß. Der Platz ist ungefähr halb gefüllt, doch wenn man genau hinsieht, wird es während des Auftritts immer voller. Diese Band überzeugt also nicht nur mich. Sänger Michael widmet die nächste Ansage seinem erst vor zwei Wochen verstorbenen Vater, lässt aber dennoch keine traurige Stimmung, sondern eher eine würdevolle Atmosphäre aufkommen. Überhaupt punktet er mit sehr witzigen Sprüchen, die sehr spontan rüberkommen. Ob sie wirklich spontan sind, wie in dem neuen Rock-Hard-Interview behandelt, weiß ich nicht; witzig, unterhaltsam und auf jeden Fall sympathisch sind sie. Sie spielen noch den Song 'Hallelujah Goat' vom bald erscheinenden neuen Album und einen Track namens 'Rebel Monster' und gewinnen auf jeden Fall einen neuen Fan hinzu. VOLBEAT: Eure nächste Scheibe wird mein sein.

Bei der schweizerischen Hardrock-Band GOTTHARD ist das Gelände noch ein gutes Stück mehr gefüllt, und deren Performance erinnert mich von Anfang an an Hardrock-Legenden wie AEROSMITH. Posing, über die Bühne stolzieren, mit dem Mikroständer jonglieren – eine klasse Show und für meinen Geschmack fast noch besser als die vom Stil her ähnlichen DEF LEPPARD. 'Top Of The World' ist ihr dritter Song, gefolgt von 'The Call' und 'Hush', die eigentlich jeder kennt und einfach nur klasse sind. Ein bisschen schämen muss ich mich ja schon, dass ich bisher nicht wusste, dass dieser Song mit dem berühmten "Na, na, na" im Refrain von dieser Band stammt ['Hush' ist ein DEEP PURPLE-Cover. - d. Red.]

Sänger Steve lacht ins Mikro, als die Bahn am Gelände vorüber fährt und (wie immer) lautstark hupt. "What is this? A train? Hahaha! Yeah, that's rock 'n' roll!" Doch dann kommen richtig dicke Regentropfen, und jeder beobachtet den Himmel, der Unwetter androht. Die Leute, geschädigt vom Vortag, verlassen fluchtartig das Gelände, so dass ab jetzt auch nur noch die Die-hard-Fans ausharren, diese aber bleiben, komme was wolle. Mit dem Song 'The Oscar Goes To' verabschiedet sich diese sehr starke Band, bei der man sich wundert, warum sie nicht einen noch größeren Erfolg feiern kann.

Ich bezweifelte ehrlich gesagt im Vorfeld, dass SONATA ARCTICA ein Festival solcher Größe headlinen können. Nicht wegen ihrer Fähigkeiten, aber von ihrem Status her. Doch in Tschechien funktioniert dies problemlos, und man sieht ganz deutlich, welcher Musikstil hier bevorzugt wird. SONATA spielen einen guten Gig mit ihren beliebtesten Hits. Ziemlich am Anfang wird schon 'Paid In Full' dargeboten, was mich wundert, da dieser doch vom aktuellen Album stammt und aufgrund diverser Sampler recht bekannt ist. Einige weitere Songs folgen noch, bevor es massive technische Probleme gibt. Sänger Tony weiß zuerst nicht recht, was er mit der Zeit anstellen soll, denn sein Mikro funktioniert. Doch dann reißt er sich endlich am Riemen, beweist Mut und singt 'Full Moon' ohne jegliche instrumentale Begleitung nur mit Hilfe des Publikums. Eine Entscheidung, die er nicht bereuen soll. Das Publikum zollt ihm mit tosendem Applaus Respekt, die Wartezeit ist überbrückt, und er beweist ganz eindeutig, dass er singen kann.

Überhaupt fällt auf, dass die Band live sehr viel besser rüberkommt, als mir bisher aufgrund der Platten bewusst war, auf denen sie doch eher dem Durchschnitt zuzuordnen ist. Es folgt auch die normale Version von 'Full Moon' und ziemlich zum Schluss dann noch ein gutes 'The Cage'.

Da es schon wieder regnet, beschließe ich, meine Freundin ans Zelt zu begleiten, da ich mich auch nicht zu den größten Fans von WITHIN TEMPTATION zähle. Okay, live sind sie für mich erträglicher als auf CD, doch 'Mother Earth', das ziemlich zum Schluss kommt, mag ich dennoch irgendwie überhaupt nicht. Geschmackssache eben, denn das Publikum an sich hält bei dem Wetter tapfer aus und füllt das ganze Gelände und ist sichtlich begeistert von dieser Band.

DIE APOKALYPTISCHEN REITER sind eine meiner "neueren" Lieblingsbands. Darauf habe ich gewartet, und ich harre aus. Sie sollen eigentlich um 23:45 Uhr starten. Doch nach den ganzen Verzögerungen habe ich keinen Überblick mehr, ich schätze es ist halb zwei. Mir egal. Die Beine und Füße tun weh, ich bin kurz vorm Einschlafen und befürchte schon, bei der Masse an Leuten, die nach WITHIN TEMPTATION vom Gelände strömen, es würden keine mehr dableiben, um mit mir zu feiern.

Aber so sind sie, die Tschechen: nutzen die Umbaupause zum Essen, Trinken und Ausruhen, während wirklich nur die dicksten Fans vorne bleiben. Sobald eine Band beginnt, füllt es sich wieder schlagartig. Lustig, diese Unterschiede zwischen dem Publikum der Nachbarländer.

Mit dem gewohnten Intro starten die REITER in einen kurzen Übergang, der zu 'Friede sei mit dir' wird. Man merkt dem Publikum eindeutig an: Hier sind nicht die Fans der REITER, sondern neugierige, feierwütige Leute, die auch noch die letzte Band des Abends mitnehmen wollen und nur zu gut mit dieser arschgeilen Band bedient werden.

'Riders On The Storm' fegt über die Meute, und mein Haargummi verliert zum letzten Mal an diesem Wochenende den Halt. Lady Cat-Man spielt souverän - ob sie die richtige Wahl ist? Lassen wir ihr noch ein wenig Zeit. Bei einem Solo zumindest fällt eine große Soundlücke auf, ansonsten könnte sie noch etwas bei der Bühnenperformance zulegen. Doch der Rest ist 1a.

Vom neuen, bald erscheinenden Album kommt 'Es wird schlimmer', das man sich zurzeit auch schon auf MySpace reinziehen kann. Es folgt ein älterer Song, und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich diesen nicht kenne. Denn ich bin ein Fan jüngster Stunde und ja, mir gefallen zum Entsetzen von einigen die neuen Songs besser als die alten. Garniert wird dieser Song auf jeden Fall mit Feuerspucken, während Fuchs unfreiwillig seine Lady Cat-Man mit der Gitarre ausstöpselt.

Bei jedem Lied passiert etwas Besonderes. 'Revolution' wird im Mittelteil durch eine schwenkende Flagge symbolisiert, während zum 'Seemann' eine Frau (wie immer) auf die Bühne gebeten wird. Dieses Mal trifft es eine total ausrastende, Kopf schüttelnde, fülligere Polin, die mit den Worten "I've heard you got the best looking girls here in Czech?" begrüßt wird. Egal, wo man hinsieht, nur grinsende Gesichter. Fuchs, den Kopf mit weißer Farbe bemalt (Volk-Man hingegen in Gold), entschuldigt sich, dass er gelogen hat. Er habe natürlich Dr. Pest gemeint, der früher ein Seemann war, und deswegen wird die gute Dame für die nächsten zwei, drei Songs zu ihm an die Stahlschaukel gekettet. Sie nimmt's mit Humor, und es ertönt 'Sehnsucht' und 'Schenk mir heut Nacht'. Danach feuert ein 'We Will Never' die Meute an, und mit 'Der Weg' ertönt nochmals ein neues, noch unveröffentlichtes Lied, das super beim Publikum ankommt.

Bei 'Du kleiner Wicht' will Fuchs dann eine Schaummaschine starten. Für einige Sekunden klappt das auch, bevor mehr unten herausplätschert, als Zuschauer getroffen werden. Fuchs versucht noch während des Songs, zu retten, was zu retten ist, doch dann löst der Schlauch sich vollends, und die ganze Suppe ergießt sich nur noch auf den Boden. Lady Cat-Man findet das genauso witzig wie ich und der Rest der Leute.

Zur 'Reitermania' werden dann die Schlauchboote ausgepackt, und eine Tschechin, die wild nach vorne stürmt und mir in ihrer Sprache erklären will, was jetzt folgt, drückt mich und andere nach vorne. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, denn durch die Reiter gibt es doch tatsächlich die ersten Crowdsurfer des Festivals. Das erste Boot schafft zwar den Mischpultturm, kippt aber kurz vor der Bühne um. Das zweite Boot vollführt noch nicht mal einen halben Weg zum Turm und geht direkt wieder zurück. Dieser Banger ist auch ganz stolz auf seine Leistung und Fuchs wahrscheinlich auf seine tolle blau-weiß karierte Hose. Jedenfalls hat jeder Spaß, und die Zugabe 'Metal Will Never Die' wird ebenso zurückgepfeffert. Selbst beim Outro stehen Leute headbangend auf dem Festivalgelände.
[Gastautor Robin Geiß]

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