M'era Luna - Hildesheim
27.08.2011 | 10:2513.08.2011, Flugplatz Drispenstedt
Gothics, EBM-Tänzer und allerlei bunte Gestalten treffen sich zum jährlichen Kostümfest, begleitet von unterschiedlichsten Musikstilen.
Zu OMNIA zur freundlichen Zeit von 12:35 Uhr ist zumindest vor der Bühne schon ein bisschen was los. Der Platz um die Marktstände ist gähnend leer. Frühshoppen steht also nicht auf dem Programm. Die Holländer spielen Pagan Folk und benutzen außer Gitarre, Schlagzeug und Keyboard noch eine Harfe, ein Sligeridoo, ein Bouzouki und andere ungewöhnliche Instrumente. Ihre Wurzeln haben OMNIA in der römisch-keltischen Musik – dafür klingen sie leider etwas zu elektronisch. Vor allem die Harfe sorgt aber für Gänsehautmomente und ein paar wirklich schöne Melodien bereichern die Musik – allerdings erinnern diese eher an ältere Pop-Songs wie LOONAs 'Hijo De La Luna' denn an mittelalterliche Musik. In OMNIAs Reihen stehen auch keine talentierten Sänger, die Ansagen sind gesellschaftskritisch, kommen aber nicht richtig rüber. Ebenso wie die Texte: 'I Don't Speak Human' kritisiert die Umweltzerstörung; das haben andere Bands schon geschickter ausgedrückt. Mit 'Toys In The Attic' kommt wenigstens etwas Partystimmung auf und die vorderen Reihen klatschen eifrig mit.
[Pia-Kim Schaper]
Direkt im Anschluss steht mit QNTAL eine Band auf der Bühne, die sich schon einen gewissen Kultstatus erspielt hat. Die Süddeutschen um Sängerin Syrah waren eine der ersten Formationen, die sich der Vertonung mittelalterlicher Texte widmeten. Die Bandhistorie reicht bis in das Jahr 1992 zurück, man arbeitete unter anderem auch schon mit Enst Horn (DEINE LAKAIEN) zusammen. Im Hier und Jetzt kann man auch überzeugen. Das Zusamenspiel teils mittelalterlicher Instrumente mir geschickt eingesetzter Elektronik weiß zu gefallen, und wird mit ausreichend Applaus bedacht. So langsam fühlen sich auch immer mehr Zuschauer zur Bühne hingezogen. Den größten Zuspruch finden erwatungsgemäß die Klassiker wie das 'Palästinalied' und 'Ad Mortem Festinamus'. Eine feine halbe Stunde zu mittäglicher Zeit neigt sich dann auch schnell dem Ende und der persönliche Beginn des Festivals ist als gelungen zu betrachten.
Im Anschluss heißt es schnell in den Hangar sprinten. Mit FETISCH:MENSCH ist nun immerhin das aktuelle Projekt von Oswald Henke zu sehen. Auch er ist schon fast als Legende zu bezeichnen, gehörte er mit GOETHES ERBEN doch Anfang/Mitte der Neunziger zu den Mitbegründern der ''Neuen Deutschen Todeskunst''. Legendäre Konzerte und Alben folgten, doch der Raubkopierwahn mit Verbreitung der neuen Medien brach auch ihnen das Genick. Nach dem Ausstieg von Mitstreiterin Mindy Kumbalek schlägt sich Oswald Henke nun eben mit anderen Projekten durch. Was aber gerade jetzt deutlich wird: Er hat nichts von seinem Witz, Poesie und Abgründigkeit verloren. Spielfreudig wie immer präsentiert er den Anwesenden Titel wie 'Narbengarten', 'Kinderherzen' und das schnellere 'Schwarzer Schnee'. Und währenddessen werden wahlweise T-Shirts verteilt oder ein als Podest gedachter Rollwagen zum Fahrzeug umfunktioniert und jede Ecke der Bühne erkundet. Den krönenden Abschluss bildet das IDEAL-Cover 'Erschießen' und auch diese 40 Minuten sind leider schon wieder vorbei.
[Matthias Köppe]
Bei LEAVES'EYES sammelt sich bereits eine ansehnliche Menschenmenge vor der Bühne. Mit 'Velvet Heart' und 'Take The Devil In Me' legen sie poppig los und treffen damit ins Schwarze: Bis zum Soundturm gehen die Hände in die Luft, es wird geklatscht und mitgesungen. Mit 'My Destiny' erhöht die internationale Combo um Norwegerin Liv Kristine und ihren Mann Alexander Krull den Härtegrad ein wenig, um dann mit 'Melusine' richtig durchzustarten. Der Song entstand aus einer Zusammenarbeit mit dem Sonic Seducer und die Band staunte nicht schlecht, als er sich zu einem Live-Kracher entwickelte. Anschließend nimmt Liv die Fans mit auf eine Reise 'To France' (Mike-Oldfield-Cover). Besinnlich wird es, als die Frontsängerin ihre Interpretation des norwegischen Volksliedes 'Kråkevisa' ihren Landsleuten widmet, die es nach dem Amoklauf/Anschlag in den vergangenen Wochen schwer gehabt haben. Das M'era Luna fühlt für einen Moment mit. Zum krönenden Abschluss spielen LEAVES'EYES den Epos 'Froya's Theme'. Gute Wahl – wie der abschließende Applaus beweist.
Ganz andere Töne werden derweil im Hangar angeschlagen: NACHTMAHR um L'AME IMMORTELLE-Motor Thomas Rainer verfolgen weiterhin ihre Vision von Weltmacht oder Niedergang und feuern ihren Industrial Techno in die Menge ab. Vor dem Eingang sammelt sich ein großer Pulk, der nur nach und nach reingelassen wird. Drinnen ist es zwar nicht brechend voll, aber an allen Ecken und Enden wird getanzt. Mit vier uniformierten Frauen auf der Bühne, die sich fast nie bewegen, und einer Leinwand, auf die Kriegsbilder und Tanzszenen aus Schwarz-Weiß-Filmen projiziert werden, schaffen NACHMAHR eine bedrückende Atmosphäre. Thomas singt und brüllt ins tanzende Volk zu Musik aus der Konserve. 'Verräter an Gott', 'Weil ich's kann' und 'Wir schrieben Geschichte' werden abgefeiert und spätestens zu 'Tanzdiktator' steht niemand mehr still. Die Frauen marschieren kurzzeitig oder halten schweigend Maschinengewehre in die Menge. Am Ende kommt eine von ihnen mit einem Baseballschläger zur Mitte der Bühne und nimmt dort wieder ihre Position ein. Der Sinn wird zum Ende des Konzertes deutlich, als Thomas gesteht: "Ich stehe auf 'Mädchen in Uniform'." Mit der obligatorischen 'Katharsis' beenden NACHTMAHR einen starken Auftritt und empfehlen sich für ein Wiedersehen auf der großen Bühne.
[Pia-Kim Schaper]
Den Härtegrad ganz nach oben schrauben dann EQUILIBRIUM. Sicher ein gewagtes Experiment, eine Pagan-Metal-Band zu solch einem Festival einzuladen, aber erstmal abwarten. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Das denken sich dann auch Sänger Robse und sein Gefolge und gehen gnadenlos ab. Nichts und niemand wird geschont, schließlich hat man auch keine Zeit zu verlieren.Schon zu Beginn werden die großen Hits ausgepackt, als zweiter Song kommt 'Blut im Auge' und nachfolgend 'Der ewige Sieg'. Und was macht die Meute unten vor der Bühne? Die feiert ordentlich ab, Circle Pits werden angeschoben und gemosht was das Zeug hält. So stellt man sich das vor und nur so macht das Ganze Spaß. Die Band zeigt sich hoch erfreut ob des warmen Empfanges und belohnt die beachtliche Zuschauerzahl mit 'Heimwärts'. So geht die Party dann eine Weile, die Akteure auf der Bühne zeigen sich immer wieder überrascht, wie gut sie doch ankommen. Also geht man dann aufs Ganze und gibt den Fans, was sie wollen: die wahrscheinlich erste Wall of Death auf dem M'era Luna Festival zu den Klängen von 'Verbrannte Erde'. Ganz großes Kino! Zum letzten Song 'Unbesiegt' wird seitens der Band nochmal eine Bitte abgegeben: "Springt und tanzt mit uns!" ruft Robse der inzwischen tobenden Masse zu. Das lässt man sich nicht zweimal sagen und das Ende geht einfach in eine große Feier über. Fazit: Gewagt, aber auch ganz klar gewonnen!
[Matthias Köppe]
Ein krasser Gegensatz folgt mit den poppig-elektronischen BLUTENGEL. Szene-Ikone Chris Pohl und Sängerin Ulrike Goldmann beginnen den Auftritt mit 'The Lost Children'. Von der Decke baumeln zwei Kreuze, Notenständer mit Büchern stehen auf der Bühne. Früh wird klar, dass die Berliner mit einer ganz großen Show aufwaten: Eine Horde schwarz gekleideter Tänzerinnen rekelt sich zur Musik. Für 'Über den Horizont' kommt die zweite Sängerin Anja Milow hinzu, ein paar Frauen schwingen Feuerfackeln und untermalen den Auftritt. Zu 'Ein Augenblick' wird es kurz besinnlich und Chris freut sich, mit dem M'era Luna das passende Publikum für diese Ballade gefunden zu haben. Als BLUTENGEL später 'Bloody Pleasures' anstimmen, werden zwei Tänzerinnen in weiß von vieren in schwarz über die Bühne getrieben. Bei dieser Hetzjagd zieht eine von ihnen kurz unfreiwillig blank. Passend zu 'Vampire Romance' fangen die weiß gekleideten Damen an, sich zu zerbeißen und auszuziehen, um sich dann in Unterwäsche mit Kunstblut übergießen zu lassen. Die Fans schauen fasziniert zu und jubeln nach jedem Lied. Bei 'Engelsblut' singen sie lauthals mit. Mit 'Reich mir die Hand' beenden BLUTENGEL ihren Auftritt und fahren abschließend Pyrogeschütze auf. Dieser Gig lebte von der Performance, die Ihresgleichen sucht.
Setlist:
The Lost Children
Über den Horizont
Soul Of Ice
Ein Augenblick
Children Of The Night
Bloody Pleasures
Vampire Romance
Das andere Ich
Black Roses
Engelsblut
Reich mir die Hand
Als das 'Halleluja'-Intro von APOCALYPTICA ertönt, ist das Gelände voll. Die Finnen sind für ihre starke Live-Darbietung bekannt, aber anfangs tun sie sich noch mächtig schwer. Nach den elektronischen BLUTENGEL wirkt akustische Musik zunächst nun mal etwas dünn. Das METALLICA-Cover 'Master Of Puppets' bricht aber recht zeitig das Eis und als zu 'Im Not Jesus' (Gast-)Sänger Tipe Johnson hinzu kommt, tobt die Menge so, wie das bei einem Gothic-Festival möglich ist: Zivilisiert lauschen die Zuschauer und klatschen, während der Lieder recken einige die Hände in die Luft und jubeln ihren Helden zu. Hier und da lassen sogar Einige die Haare rotieren. Gänsehautfeeling kommt bei 'Nothing Else Matters' auf - wer METALLICA covert, kommt um dieses Stück nun mal nicht herum. Die Paare kuscheln, schwarz Gewandete schauen verträumt durch die Gegend. 'Seek And Destroy' und das SEPULTURA-Cover 'Inquisition Symphony' reißen die Festivalbesucher aber aus ihren Träumen und die Party geht weiter. Tipe kommt noch einmal zurück, um 'I Don't Care' zu sagen, dann beschließen APOCALYPTICA mit 'Hall Of The Mountain King' – gespickt mit zahlreichen Spielereien – den Auftritt. Solide, aber die Finnen haben schon stärkere Performances hingelegt.
Setlist:
2010
Master of Puppets (METALLICA-Cover)
Grace
I'm Not Jesus
Bring Them to Light
Nothing Else Matters (METALLICA-Cover)
Last Hope
Seek & Destroy (METALLICA-Cover)
Inquisition Symphony (SEPULTURA-Cover)
I Don't Care
Hall of the Mountain King
Ab in den Hangar geht es dann wieder zu ATARI TEENAGE RIOT. Ein wenig enttäuschend ist zuerst der Anblick der nur halbvollen Halle. Wird dieses Ereignis doch zu hart für die heutige Knicklicht-Fraktion? Zugegeben, die Formation um Alec Empire ist nicht gerade zimperlich. Der aufrührerische Electro-Punk ist in Schnelligkeitsdimensionen unterwegs, die ihresgleichen suchen. Und der geneigte Ü-30-Besucher erinnert sich ja auch heute noch gern an Konzerte, die in eine Art Krieg zwischen Band und Publikum ausarteten. Zahlreiche Boxen mussten ihr Leben lassen, Crowdsurfer und Stagediver waren unzählbar. Und zudem wurden politische Parolen auf das Publikum abgefeuert, die jederzeit eine Revolution hätten auslösen können. Doch all dies geschah Mitte/Ende der Neunzigerjahre. In letzter Zeit ist es jedoch recht ruhig geworden und es machten auch schon Auflösungsgerüchte die Runde. Aber jetzt geht es dann auch hier los, und der Anfang verwirrt ein wenig: Neuere Songs wie 'Activate' und 'Shadow Identity' klingen wie Electro-Industrial der belangloseren Sorte. Fragende Gesichter zumindest in den hinteren Reihen, während ganz vorn doch schon gut mitgetanzt und gesprungen wird. Der verzerrte Gesang ist wie damals, aber irgendwas fehlt noch. Mit 'Into the Death' wird es einem schlagartig klar: die verzerrten Gitarren, die unglaublich schnellen Beats und die wahnsinnige Energie, die die Anwesenden auf einmal erfüllt. "Geht doch!" denkt sich die 'ältere' Fraktion und freut sich diebisch, endlich mal wieder die Ohren freigepustet zu bekommen. Und ist verwundert wie einige der jüngeren den Hangar wieder verlassen. Auch der Frontmann kommt wieder auf Touren, und agiert energetisch wie nur ein Alec Empire es kann. Die Bühne wird bis auf den letzten Zentimeter ausgenutzt, es wird gespungen und immer wieder der Mob angeheizt. Das funktioniert prächtig und es wird ausgelassen getanzt. Das überträgt sich im Laufe der Zeit nun auch bis ganz nach hinten. Spätestens zu 'Start The Riot' steht dann keiner mehr still. Der letzte Song wird dann mit Megaphon von Alec zelebriert und 'Revolution Action' beendet ein Konzert, das zum Ende hin immer besser wurde nach einem etwas zögerlichen Beginn.
Setlist:
Activate
The Only Slight Glimmer of Hope
Black Flags
Shadow Identity
Into the Death
Too Dead for Me
Atari Teenage Riot
Sick to Death
Re-arrange Your Synapses
Is This Hyperreal
Codebreaker
Blood In My Eyes
Speed
Start the Riot
Collapse of History
Revolution Action
Dem Soundgewitter aus dem Hangar fällt der Auftritt von ASP zum Opfer. Man hat schon große Teile verpasst, und eine kleine Verpflegungspause muss dann auch mal wieder eingelegt werden. Also beschaut man sich das Gothic-Spektakel aus der Ferne. Der "Schwarze Schmetterling" bietet eine Art Best-Of-Set. Die Klassiker der schwarzen Tanzclubs werden unterstützt von einer großen Lichtshow und Konfettiregen. Aufmerksamkeit bringt das SISTERS OF MERCY-Cover von 'Temple Of Love', wobei man darüber geteilter Meinung sein kann. Wie auch immer; der proppenvolle Platz vor der Bühne ist begeistert und spendet ausgiebig Applaus. Mit 'Ich Will Brennen' wird dann ein würdiger Schlusspunkt gesetzt und das Publikum in die weitere Nacht entlassen.
Zunächst gibt es nun aber noch den absoluten Headliner des Samstags: WITHIN TEMPTATION. Die holländischen Gothic-Metaller melden sich zurück nach Babypause und mit neuem Album 'The Unforgiving'. Das Intro ertönt, die Musiker betreten nach und nach die Bretter, die die Welt bedeuten. Im Hintergrund öffnet sich eine riesige Videoleinwand und mit 'Our Solemn Hour' beginnt der Abend richtig. Sängerin Sharon den Adel kommt schwungvoll auf die Bühne. Gekleidet mit einer weißen Jacke wird auch so die neuere musikalische Ausrichtung deutlich gemacht, das Outfit passt auch besser zum gleich folgenden 'Faster'. Das war die erste Single des Albums und die Leinwand spielt das Video dazu. Was hier schon deutlich ist: Die Lichtshow wird alles Bisherige in den Schatten stellen. Es wird nahezu taghell bis in den letzten Winkel des Platzes. Nun geht es musikalisch durch nahezu sämtliche Alben der Band und alles fügt sich zu einem großen Ganzen. Viele schwelgen in Erinnerungen zu 'Angels' und 'Stand My Ground', die neueren Songs wie 'In The Middle Of The Night' reihen sich nahtlos ein. Vor 'What Have You Done' übernimmt Gitarrist Jeroen das Mikro und widmet den Song Keith Caputo, mit dem der Song 2007 eingespielt wurde. Der wiederum möchte sich zu Frau umwandeln lassen und heißt inzwischen Keith Mina Caputo. Diese Tatsache zollt der Band höchsten Respekt ab und man wünscht ihm auf seinem mutigen Weg viel Kraft. Danach geht es irgendwie schon wieder Richtung Ende, mit 'Iron', 'Shot In The Dark' und 'Sinèad' wird dann nochmal das aktuelle Output bearbeitet. Dann verschwindet Sharon kurz im Hintergrund und kommt neu gewandet zurück. Sie trägt jetzt eine Art Fledermaus-Kleid, das Schwarz passt dann auch besser zu 'Mother Earth'. Dann ist erstmal Ende, aber die vielen Zugabe-Rufe können nicht unerhört bleiben. Die Spielzeit wird noch etwas verlängert und nach 'Deceiver Of Fools' erklingt mit 'Ice Queen' der wohl bekannteste Hit der Truppe. Ein grandioser Gig, untermalt durch die tolle Lichtshow und die zu einer Art Film zusammengeschnittenen Videos im Hintergrund, findet so ein hervorragendes Ende.
Setlist
Our Solemn Hour
Faster
Angels
In The Middle Of The Night
Stand My Ground
Fire And Ice
The Howling
What Have You Done
Iron
Shot In The Dark
Sinéad
Mother Earth
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Deceiver Of Fools
Ice Queen
- Redakteur:
- Pia-Kim Schaper