Metal Forces Festival IX - Lörrach
31.12.2005 | 14:4626.11.2005, SAK Wasserwerk
Zum neunten Mal heißt es nach Lörrach zum Metal Forces Festival zu pilgern, einer Veranstaltung, die sich mit Herzblut und Charme einen wahren Kult-Status erspielt hat. Und erstmals in der Geschichte des Metal Forces darf Veranstalter Daniele Milizia das "Ausverkauft!"-Schild an die Tür hängen, das Wasserwerk ist komplett ausverkauft, einige Zuspätgekommene müssen unverrichteter Dinge wieder abziehen.
Bei diesem Billing verwundert der Ansturm auf die Tickets aber auch nicht wirklich: Zweifellos ist dem MFF-Team dieses Jahr die beste Besetzung gelungen, mit den österreichischen Sickos PUNGENT STENCH, den frickeligen NECROPHAGIST, den schwarzthrashigen DESASTER, den keltischen Eidgenossen ELUVEITIE und dem lokalen Aushängeschild, der Death/Thrash-Metal-Formation EPIDEMIC DISEASE.
EPIDEMIC DISEASE
Allzuviele Leute haben den Weg von der Bar in den Innenraum noch nicht gefunden, als das Quintett um Frontberserker Morgrim pünktlich (ebenfalls ein Novum des Metal Forces, bisher hatte eine kleine Verspätung Tradition!) die Bühne entert. Das ändert sich aber schlagartig, als die ersten Akkorde aus den Boxen ertönen. EPIDEMIC DISEASE wirken souveräner und eingespielter als noch im Sommer auf dem Baden In Blut-Open Air, allen voran Morgrim geht so richtig aus sich raus, bangt in jeder freien Sekunde und röchelt und kreischt ansonsten abwechslungsweise blackig-hoch oder deathig-tief alles in Grund und Boden. Auch die Saitenfraktion zeigt sich von ihrer besten Seite, überlässt das Stageacting aber größtenteils ihrem Fronter. Der Mix aus Death Metal, Thrash Metal und einem Schuss Schwarzblei kommt heute besonders griffig rüber, zwischendurch werden auch ruhigere Klänge (wobei dieser Ausdruck mit Vorsicht zu genießen ist) eingeschoben, mal schimmert SLAYER durch, dann wieder gurgeliges Todesblei, und die Gitarren glänzen mit dem einen oder anderen feinen Effekt. 'Peststurm', 'Death Is Not A Creeper' (vom gleichnamigen Demo, welches 2004 erschienen ist) oder 'Killing Time' sind nur ein paar flotte Banger, die das Wasserwerk im Nu in eine Banghölle verwandeln, und auch der fette Applaus kann sich hören lassen. Nach einem witzigen Hinweis Morgrims auf das Merchandise der Band ("Am Stand gibt's T-Shirts von uns, die sehen echt klasse aus! Also ich würd mir eins kaufen...") ist nach einer guten halben Stunde leider auch schon wieder Schicht im Schacht, und die neunte Ausgabe des Metal Forces hat mit einem echten Paukenschlag begonnen.
ELUVEITIE
Dann ist es Zeit für eine Portion heidnischen, keltischen Pagan Metal. Meine Landsmänner und -frauen besteigen die Bühne in großer Zahl, neun MusikerInnen, mit wilden Bärten, kämpferischen Tätowierungen, schweren Röcken und einem Sammelsurium an Instrumenten: Flöten, Geigen, Dudelsack, Zugerörgeli (eine Art Drehleier), Hörner ... und vom ersten Ton an liegt Magie in der Luft. Derart authentisch und echt wurde Pagan Metal selten präsentiert. Die Leute vor der Bühne drehen kollektiv durch, als ELUVEITIE loslegen und vollkommen Eins mit der Musik werden. Majestätische, altertümliche Melodien gehen Hand in Hand mit harschen, zornerfüllten Parts, dementsprechend variiert der teilweise in gälisch gehaltene Gesang. Frontmann Chrigel sowie zwei der Musikerinnen geben abwechselnd entweder solo oder gemeinsam Gas, während der Flötenspieler auf der rechten Bühneseite während dem Spielen bangt oder wild ins Publikum schaut. ELUVEITIE sind eine Einheit, ein Ganzes. Sphärische Samples untermalen die Musik, Balladeskes wird mit Hasserfülltem gemischt. Neben Songs von der großartigen Mini-CD "Vên" wie 'D'Vêritû Agâge D'Bitu' oder 'Uis Elveti' kommt auch eine Latte an neuen Songs zum Zug, die auf dem ersten vollen Album stehen werden, und auch wenn ein Höreindruck selten reicht: Diese Platte steht jetzt schon auf meiner Einkaufsliste. Die frenetischen Reaktionen zwingen ELUVEITIE nochmals auf die Bühne, und nach einer herrlichen Ballade endet ein spezielles, auf seine Weise sehr ergreifendes Konzert. Naturverbundener, erdiger, authentischer Pagan Metal, das sind ELUVEITIE. Hoffentlich in Kürze wieder...
DESASTER
Nach einer kurzen Umbaupause ist es dann Zeit, fleischgewordenen Metal auf der Bühne zu bestaunen. Die Herren Sataniac, Infernal, Odin (mit Corpsepaint) und Tormentor, bekannt unter dem Banner DESASTER, werden bereits vor Beginn des Konzerts mit Sprechchören angefeuert, und dementsprechend wird der Gig, zu dem Veranstalter Daniele am Bühnenrand heftig abbangt, ein einziger Triumphzug. Der Mob tobt, ein großer Moshpit bildet sich, und die Party kann beginnen. DESASTER sind eine Macht, pure Energie, hier fließt kein Blut durch die Adern, sondern Metal. Egal welcher Song gespielt wird, ob Älteres von "Tyrants Of The Netherworld" oder Kracher neueren Datums wie 'Divine Blasphemies', oder 'Ghouls To Strike' und der Titeltrack des neuen Klassealbums "Angelwhore", die Leute ticken komplett aus und bangen wie die Irren. Alle Bandmitglieder posen wie die Weltmeister, lassen ihre Zungen spielen, halten ihre Axthälse ins Publikum, und insbesondere Frontmann Sataniac fordert ununterbrochen mehr. Ganz nebenbei brüllt er alles weg, was bei drei nicht auf den Bäumen ist, streckt die Faust in die Höhe und hat eine enorme Ausstrahlung. Trommelmeister Tormentor seinerseits knüppelt sich locker durch die meist simpel aufgebauten Songs, die aber eine maximale Durchschlagskraft beweisen. Bei 'Metalized Blood' brechen dann alle Dämme: Zu der Black/Thrash-Metal-Hymne schlechthin entern etwa ein Duzend Banger (meist mit Kutte) die Bühne und geben Vollgas, beobachtet von einem grinsenden Infernus, während Odin sich etwas in den Hintergrund verzieht, sein geil abgemischter Bass bleibt aber unüberhörbar. Auch DESASTER kommen um eine Zugabe nicht herum, die sie den Leuten gerne gewähren. Im weiten Rund erblickt man nur zufriedene Gesichter, wohl wissend, dass das möglicherweise gerade der Gig des Abends war. Black/Thrash 'til death!
Diesen Stimmungspegel können NECROPHAGIST unmöglich halten. Trotzdem wird es ein absolut überdurchschnittlicher Auftritt, allein vom technischen Aspekt her steckt der Vierer das restliche Billing locker in den Sack. Nur sind die Leute gerade in absoluter Feierlaune, und das ist halt bei NECROPHAGIST etwas schwierig. Die Anzahl Riffs, Breaks und Soli pro Song lassen reihenweise Maulsperren nach unten klappen (coolerweise post der Bassist (sechs Saiten!) dazu im besten Achtziger-Stil), um einen Song durchzubangen braucht es aber schon mathematische Fähigkeiten. Frickeliger Death Metal, grottentiefe Stimme, etwa ölfzig Riffs pro Song und ein Schlagzeuger, dessen Spektrum von Jazz bis Grindcore reicht. Im Gegensatz zu DESASTER wird nicht mehr gemosht, sondern aufmerksam zugeschaut, der Applaus nach den Songs ist aber jeweils laut und warm. Und das zu Recht. Denn beeindruckend sind NECROPHAGIST, die einen gelungenen Querschnitt durch ihre Discographie bieten, auf jeden Fall. Einige verziehen sich zwar an die Bar, aber insgesamt kann der Gig als gelungen verbucht werden. Nur halt etwas schlecht platziert im Billing.
Dann liegt es an der österreichischen Kultformation PUNGENT STENCH, den Reigen würdig zu beenden. Und das gelingt dem sicken Trio bestens. Zwar bewegen sich die Mannen um Sänger und Gitarrist Martin Schirenc so gut wie gar nicht, die rauen Death-Metal-Granaten kommen aber auch so bestens auf den Punkt, und die Leute geben noch einmal alles und fressen der Band aus der Hand. Eine schwarzhumorige Death-Metal-Walze jagt die nächste, ganz alte Klassiker wie auch Material von der aktuellen Scheibe "Ampeauty" machen die Runde, und die Feierstimmung kehrt zurück, was unter anderem an den in breitestem Wiener Schmäh vorgetragenen Ansagen liegt. Ansonsten herrscht meist grooviger Old-School-Death-Metal vor, bei dem der Kopf gar nicht still gehalten werden kann. Beim Rezensenten wirkt das allerdings nur bedingt, da er aufgrund dubioser Umstände auf der Monitorbox einnickt...aber ich kann eindeutig versichern: An PUNGENT STENCH liegt es nicht. Pünktlich zu den Zugaben, eine davon eine tanzbare Nummer, die am besten in ein gefülltes Bierzelt passen würde (gut, soviel anders ist die Stimmung hier auch nicht) bin ich aber wieder fit. PUNGENT STENCH sind jedenfalls ein würdiger Headliner und ein gelungener Ausklang für das bis dato geilste Metal Forces Festival.
Denn: In Sachen Organisation und Stimmung hätte der Veranstalter an diese Ausgabe des Festivals nichts besser machen können. Eine super Bandauswahl, faire Preise, Bombenstimmung und ein sehr feines metallisches Publikum (auf keinem Konzert trifft man soviele Freunde und Bekannte!). Wieder einmal hat man gemerkt, dass hinter dem Metal Forces vor allem eins steckt: Herzblut. Und das "Ausverkauft!"-Schild ist die beste Belohnung, die es dafür gibt. Bis zum Jubiläum!
Boris Witta (http://www.taste-of-black.ch)
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