Metalacker 2025 - Tennenbronn
09.09.2025 | 12:1728.08.2025, Open Air
Mitten im Schwarzwald trifft Naturidylle auf krachende Riffs.
Samstag – Höhepunkt
Der zweite Festivaltag startet für uns nicht direkt am Metalacker, sondern mit einem kleinen Abstecher ins nahegelegene Freibad Tennenbronn. Für 4,50 Euro gibt's dort die volle Kontrastpackung zum Festivalalltag: erfrischendes Wasser, knusprige Freibad-Pommes – und, fast noch wichtiger – Duschen und richtige Toiletten. Und das Beste daran: Der Weg führt durch idyllische Wald- und Wiesenpfade, die fast schon wie ein kleiner Spaziergang durchs Schwarzwald-Postkartenidyll wirken.
Ein echter Geheimtipp, denn außer uns tummeln sich dort vielleicht dreißig, vierzig weitere Metalheads – mehr nicht.
Frisch gestärkt und abgekühlt geht es zurück aufs Festivalgelände, wo GREYBACK den musikalischen Samstag eröffnet. Die Band stammt aus Landeck in Österreich, gegründet 2018, und bringt eine spannende Mischung aus Melodic Death Metal, thrashigen Attacken und schwarzmetallischen Nuancen auf die Bühne. Mit ihrem aktuellen Album "Built For Need" im Gepäck wirken die Musiker eingespielt, souverän und gleichzeitig angenehm bodenständig.
Man merkt sofort, dass viele Mitglieder schon seit den frühen 2000ern gemeinsam musizieren, hier steht eine eingeschworene Einheit, die sich blind vertraut. Die Songs klingen tight, das Zusammenspiel sitzt, und auch die Ansagen wirken locker und sympathisch. GREYBACK schafft es, Härte und Atmosphäre miteinander zu verbinden – mal treibend und aggressiv, dann wieder mit dunkler, fast mystischer Stimmung.
Für das Publikum ist dieser Auftritt ein idealer Start in den Tag. Wer noch müde vom Vorabend ist, wird hier endgültig wachgerüttelt. Und wer schon im Freibad die ersten Sonnenstrahlen genossen hat, findet bei GREYBACK sofort die passende musikalische Begleitung für den zweiten Festivaltag.Direkt danach steht AVRALIZE aus Rottweil auf der Bühne – für mich das unbestrittene Highlight des gesamten Wochenendes. Die Band ist noch jung, sorgt aber schon jetzt für ordentlich Wirbel in der Szene. Moderner Prog trifft auf Metalcore, technisch präzise und gleichzeitig so erfrischend wie der erste Sprung ins Freibad nach zwei Tagen Festival. Mit klaren Hooks, packenden Breakdowns und einer Bühnenpräsenz, die keinerlei Zweifel lässt, dass hier etwas Besonderes entsteht, reißen sie das Publikum sofort mit.
Während viele Metalcore-Bands Gefahr laufen, sich in Wiederholungen zu verlieren, wirkt das hier überraschend eigenständig: optisch und musikalisch wagemutig, rhythmisch brillant und durch und durch sympathisch. Man spürt, dass AVRALIZE keine Schubladen bedienen will, sondern Lust hat, Grenzen auszutesten und ihre eigene Handschrift zu entwickeln. Genau dieser Mut macht den Auftritt so spannend.
Auch die Reaktionen im Infield sprechen Bände. Die ersten Reihen feiern, die Nackenmuskeln arbeiten, und immer wieder hört man überraschte Kommentare von Leuten, die die Band bislang nicht auf dem Schirm hatten. Zwischen technischer Raffinesse und jugendlicher Spielfreude entsteht ein Sog, dem man sich schwer entziehen kann.
Vielleicht ist es dieser Vokuhila-mit-Oberlippenbart-80er-Vibe, der mich unweigerlich an meine eigene Jugend erinnert, vielleicht ist es einfach das Gesamtpaket. Klar ist: Von AVRALIZE werden wir noch viel hören. Und wer weiß – vielleicht kann ich irgendwann mal behaupten, sie damals schon gesehen zu haben, "als sie noch cool waren".NECROTTED schaltet anschließend auf kompromisslosen Death Metal um. Gegründet 2008 in Abtsgmünd, hat sie sich längst zu einer festen Größe in der deutschen Szene entwickelt.
Mit ihrem aktuellen Material im Gepäck walzt sie das Infield gnadenlos nieder: tiefgestimmte Gitarren, Growls aus den Untiefen und eine rhythmische Wucht, die das Publikum wie ein Mahlstrom mitreißt.
Schon nach den ersten Songs wird klar: Hier geht es nicht um Schönklang, sondern um pure Zerstörungskraft. Die Blastbeats peitschen nach vorn, die Riffs sind so massiv wie Betonwände, und über allem thront ein Vocal-Gewitter, das keine Verschnaufpause kennt.
Im Pit geht es wild zu, aber gleichzeitig bleibt die Stimmung positiv – man spürt, wie sehr das Publikum die Härte genießt.
Zwischendurch ziehen zwar ein paar Wolken auf, und leichter Nieselregen tröpfelt auf den Acker. Doch statt die Stimmung zu dämpfen, passt das Wetter fast schon perfekt zur Szenerie: graue Wolken über einem tobenden Death-Metal-Schlachtfeld. Wer sich hier auf den Acker stellt, bekommt Death Metal pur – hart, direkt und ohne Umwege.
NECROTTED beweist damit eindrucksvoll, warum die Band seit Jahren einen festen Platz auf den Festivalbühnen hat: Sie liefert kompromisslos ab und verwandelt jedes Gelände in eine gnadenlose Klanghölle – auch an diesem Nachmittag.Mit SETYØURSAILS geht es danach wieder in melodischere Gefilde. Die Kölner, gegründet 2016, haben sich mit ihrem modernen Metalcore in kurzer Zeit einen Namen gemacht und sorgen längst auch international für Aufsehen.
Ihr Set ist ein Wechselspiel aus eingängigen Refrains, krachenden Riffs und Breakdowns, die mit voller Wucht einschlagen. Besonders die klaren Vocals setzen sich sofort fest und laden zum Mitsingen ein, während die Shouts den Songs die nötige Härte verleihen. Diese Mischung kommt beim Publikum bestens an. Die ersten Reihen springen im Takt, Hände schnellen in die Höhe, und immer wieder bilden sich kleinere Moshpits, in denen sich die Energie entlädt.
Ein besonderer Moment entsteht, als Bassist Nicolai Hoch kurzerhand mitsamt Instrument ins Infield läuft. Umringt von der feiernden Meute steht er mitten im Matsch und spielt unbeirrt weiter – ein Bild, das perfekt zum Festivalflair passt und das Publikum endgültig ausrasten lässt.
Auffällig ist generell die Spielfreude der Band. Jeder Song wirkt wie ein gezielter Angriff auf Müdigkeit und Schwere vom Vortag – ein Auftritt, der Schwung bringt und gute Laune verbreitet. SETYØURSAILS zeigt, dass moderner Metalcore nicht abgedroschen klingen muss, sondern mit Frische, Energie und Charisma überzeugen kann.
So wird der Nachmittag zum Paradebeispiel dafür, wie sich Härte und Melodie zu einem packenden Livesound verbinden lassen. Das Publikum ist spätestens jetzt komplett wach – und der Samstag nimmt Fahrt auf.ROBSE, die neue Band von Robert Dahn, bringt danach eine ordentliche Portion Pagan-Flair auf den Acker.
Der ehemalige EQUILIBRIUM-Frontmann hat sich in den letzten Jahren seine ganz eigene Vision aufgebaut – und die kommt hier bestens zur Geltung.
Schon beim ersten Song ist klar: Diese Stimme erkennt man sofort wieder. Rau, markant und gleichzeitig hymnisch – genau das, was Fans an ihm seit jeher schätzen.
Musikalisch bewegen sich ROBSE zwischen epischem Pagan Metal und melodischen Hymnen, die das Publikum schnell auf ihre Seite ziehen.
Refrains werden lautstark mitgesungen, Arme recken sich gen Himmel, und immer wieder schwappt die Stimmung wie eine Welle durchs Infield.
Auffällig ist, wie sicher die Band wirkt: Das Zusammenspiel sitzt, die Songs klingen wuchtig und kraftvoll, und Robert Dahn führt mit charismatischer Präsenz durchs Set. Dabei wirkt er nicht abgehoben, sondern nahbar – als hätte er den Wechsel vom Underground zu den großen Bühnen längst verinnerlicht.
So entsteht ein Auftritt, der episch und mitreißend wirkt, ohne sich in übertriebenem Pathos zu verlieren. ROBSE liefert einen der prägnantesten Farbtupfer im Samstagsprogramm.Der Topact des Abends ist THE HALO EFFECT - und für viele im Infield das eigentliche Highlight des gesamten Festivals. Kein Wunder, wenn ehemalige IN FLAMES-Mitglieder gemeinsam auf der Bühne stehen, ist die Erwartungshaltung groß. Und die Band enttäuscht nicht. Mit dem typischen Göteborg-Sound im Gepäck liefert sie eine regelrechte Geschichtsstunde in Sachen Melodic Death Metal.
Der Mix aus druckvollen Riffs, hymnischen Melodien und kompromisslosem Groove wirkt wie ein Rückgriff auf die Wurzeln des Genres – nur frisch verpackt und mit ungebrochener Spielfreude dargeboten. Songs, die sich sofort in den Gehörgängen festsetzen, wechseln sich ab mit aggressiveren Passagen, die keine Sekunde lang Zweifel lassen, warum dieser Sound die Szene bis heute prägt.Ein kleiner, aber denkwürdiger Moment ereignet sich im Fotograben: Gitarrist Jesper Strömblad reicht mir während des Spiels ein Plektrum nach vorne. Für einen Augenblick denke ich, dass es für mich bestimmt ist – doch er deutet hinter mich, wo ein kleiner Metalhead sehnsüchtig wartet. Also übergebe ich das Plektrum nach hinten, der Junge strahlt, und ich schicke mit einem Daumen nach oben ein Grinsen zurück zur Bühne.
Ein kurzer Augenblick, der zeigt, wie nahbar diese Band trotz ihrer Größe wirkt – und für mich persönlich einer der schönsten Momente des Festivals.
Das Publikum geht währenddessen begeistert mit.
In den vorderen Reihen wird gebangt, im Circle Pit fliegen die Haare, und selbst weiter hinten sieht man überall Köpfe im Takt nicken. THE HALO EFFECT schafft es, Nostalgie und Gegenwart miteinander zu verbinden – für die einen ist es ein Wiedersehen mit einem vertrauten Klang, für die anderen eine erste Begegnung mit einer Band, die zeigt, wie stark Melodic Death Metal klingen kann, wenn er von absoluten Könnern gespielt wird.
Am Ende bleibt ein Auftritt, der nicht nur die Essenz des Genres auf den Punkt bringt, sondern auch beweist, dass aus der Vergangenheit etwas Neues entstehen kann. THE HALO EFFECT ist mehr als ein Nostalgieprojekt – es ist eine Band mit eigener Identität, die es verdient, ganz oben auf den Festivalplakaten zu stehen.
Dann folgt UNPROCESSED. Wer sich bis nach Mitternacht auf den Beinen hält, wird reich belohnt. Die Wiesbadener zaubern Klanglandschaften, die zwischen filigran und brachial changieren. Was im Studio bereits komplex klingt, entfaltet sich live noch eindrucksvoller: verzwickte Rhythmen, messerscharfe Riffs und fragile Melodien verweben sich zu einem Sound, der gleichzeitig Kopf und Herz fordert.Besonders beeindruckend ist, wie Bass und Gitarren gespielt werden. Viele der eingesetzten Techniken kennt man sonst höchstens aus YouTube-Videos, wo sie in Technik-Demos oft steril und seelenlos wirken. Bei UNPROCESSED jedoch werden sie Teil eines großen Ganzen: nicht Selbstzweck, sondern Fundament für komplexe Songs. Die Virtuosität unterstreicht hier die Musik, anstatt sie zu überlagern – und genau das macht den Reiz aus.
Das Publikum lauscht gebannt, viele mit geschlossenen Augen, andere mit ungläubigem Kopfschütteln, wie tight und virtuos diese Band spielt. Es ist ein Konzert, das sich vom sonstigen Festival-Programm deutlich abhebt – moderner, experimenteller, aber dadurch umso faszinierender.
Ein besonderer Moment entsteht, als bei einem Song plötzlich Severin Sailer, der Sänger von AVRALIZE, zur Unterstützung am Mikrofon auf die Bühne kommt. Für mich persönlich ist es fast schon symbolisch: meine beiden Festival-Highlights in einem Stück vereint. Spätestens da ist klar, warum dieser Auftritt zu den ganz großen Momenten des Wochenendes gehört.
Leider gibt es von diesem Konzert keine Fotos – mein Akku gibt genau zu diesem Zeitpunkt den Geist auf, und der Ersatzakku stellt sich im entscheidenden Moment als defekt heraus. Ärgerlich, ja, aber vielleicht auch passend: Manche Shows muss man nicht auf einer Speicherkarte haben, sondern einfach im Kopf und im Herzen behalten.
Für mich ist es der zweite Gänsehautmoment – und einer, der noch lange nachhallt. UNPROCESSED zeigt, dass man auch weit nach Mitternacht noch völlig neue Impulse setzen und das Publikum in eine andere Klangwelt entführen kann. Ein Abschluss, der tiefe Spuren hinterlässt.
Sonntag – Abreise
Am Sonntagmorgen zeigt sich das gewohnte Bild: müde, aber glückliche Gesichter, halbleere Bierdosen, kalte Grills. Manche schleppen sich schweigend zum Auto, andere lassen die letzten Stunden noch einmal Revue passieren. Und fast jeder nickt zufrieden: faire Preise, entspannte Security, top organisiert und ein Gelände wie gemacht für dieses Festival. Traditionell schließt der Metalacker jedes Jahr auch meine Open-Air-Saison – und besser kann man sie kaum beenden.
Fazit
Der Metalacker 2025 beweist einmal mehr, warum er so beliebt ist: klein, herzlich, am Puls der Szene. Die Headliner liefern souverän, doch die eigentlichen Gänsehautmomente bringen – zumindest für mich – die jungen, hungrigen Bands. Genau das macht dieses Festival so spannend, neben den großen Namen entdeckt man hier die Acts, die gerade erst ihren Weg nach oben beginnen.
Und so bleibt am Ende nur eines: ein müdes Grinsen, ein bisschen Sonnenbrand, ein Hauch Staub in der Lunge – und die Vorfreude auf den nächsten Sommer am Metalacker.
Text und Photo Credit: Marc Eggert
- Redakteur:
- Marc Eggert